In Kneipen und Diskotheken in Freiburg wird trotz des seit 2009 geltenden Verbots geraucht – Kontrollen müssen die Wirte nicht befürchten. Kritiker stören sich daran, dass die Stadt ihre Kontrollmöglichkleiten nur lax handhabt.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Freiburg - Rauchen verboten? Mitnichten. In vielen Kneipen und Diskotheken in Freiburg wird munter gepafft, als gäbe es kein Gesetz, das Rauchen in Gaststätten grundsätzlich verbietet. „Das ist pure Theorie, die nur auf dem Papier steht“, sagt Florian Pflüger (Name von der Redaktion geändert) mit einem bitteren Lächeln. „Da macht eine neue Disco hinter der Uni auf und schon am ersten Abend wird derart stark geraucht, dass eine Freundin von mir den Club nach zwei Stunden verlässt, weil sie es nicht mehr aushält.“ Vor zwei Jahren war Pflüger selbst noch starker Raucher, nun nervt ihn, dass er bei seinen nächtlichen Streifzügen durch die Kneipen- und Discoszene das inhalieren muss, was er sich mühsam abgewöhnt hat. „Ich hab’ nix gegen Raucher, ich will nur, dass das Gesetz eingehalten wird“, sagt er.

 

Nachdem er selbst in Top-Discos rund um den Hauptbahnhof im Rauch tanzen musste, ist ihm der Kragen geplatzt. Er beschwert sich nicht mehr nur, sondern zeigt die Wirte an, die Aschenbecher aufstellen und selbst ihre Bedienungen rauchen lassen. Weil er deswegen in seinem bevorzugten Szene-Bistro Hausverbot bekommen hat, will er seinen Namen nicht nennen. „Die Betreiber von Bars und Discos wissen, dass nicht kontrolliert wird.“ Und sie tricksen mit den Ausnahmeregelungen. Da wird bei der Raumgröße nicht so genau gemessen und der Begriff „einfache Speisen“ ist dehnbar.

Die Speisegastrononomie sei kein Problem, „da gibt es keine Beschwerden“, sagt Walter Rubsamen, der Chef des Freiburger Amtes für Öffentliche Ordnung. Dort achten die Gäste selbst darauf, dass ihnen das Menü nicht verräuchert wird. „Aber in der Nachtgastronomie, gibt es Probleme in der Umsetzung des Nichtraucherschutzes“, räumt Rubsamen ein. Nicht nur in Freiburg, sondern landesweit. Gut 71 Prozent der Kneipen und Bars, 84 Prozent der Spielhallen und 92 Prozent der Diskotheken in Baden-Württemberg seien verraucht, hatte ein Team des Deutschen Krebsforschungszentrums bereits im Januar 2013 nach einer Stichprobe in 1500 Lokalen in zwölf Städten herausgefunden. Zwei Jahre später ist die Situation nicht besser geworden.

Richter haben großen Spielraum für Verfahrenseinstellung

Dennoch bleiben Behörden und Justiz untätig. „Ich habe nach den Anzeigen erst mal gar nichts gehört“, berichtet Pflüger. Dann wurde in einem Fall nach langer Zeit doch eine Verhandlung vor dem Amtsgericht, Abteilung Ordnungswidrigkeiten, angesetzt. „Die Richterin hat zum Anwalt des Beschuldigten gesagt: „Das Gesetz mag bescheuert sein, es existiert aber nun mal.“ Die überlastete Staatsanwaltschaft kommt zu solchen Verfahren grundsätzlich nicht. Das gibt dem Richter großen Spielraum bei der Einstellung des Verfahrens. Oder für schmerzfreie Urteile. In einem Fall wurde die nach der Beweislage unvermeidbare vierstellige Geldbuße nachträglich auf 170 Euro abgesenkt. Und am nächsten Abend wurde in der Kneipe munter geraucht.

Es ist nicht die einzige Geschichte, die Pflüger sauer aufgestoßen ist, darum spricht er jetzt auch die Stadtpolitiker direkt an. Und er bekommt seltsame Antworten: „Das geht von: ‚Wo getanzt und getrunken wird, wird halt geraucht’. Oder: ‚Sie brauchen da ja nicht hinzugehen’. Niemand will sich bei den Wirten die Finger verbrennen“, berichtet er. Das für Kontrollen zuständige Amt für Öffentliche Ordnung habe wohl längst resigniert, vermutet Pflüger. Tatsächlich, gesteht Amtsleiter Rubsamen, sind 2013 drei und 2014 sechs Bußgeldbescheide ergangen. Aber dem Gemeindevollzugsdienst fehlen Leute und eine klare Anweisung aus dem Rathaus. „Wir können als Amt nicht eigenmächtig vorgehen, dazu braucht es eine Auftragslage“, sagt Rubsamen. Ob das Rathaus das in Angriff nehmen will, wo das Verhältnis zur Gastronomie und Hotellerie nach der Einführung der Bettensteuer und wegen des Streits über Dreck und Krach in der Innenstadt belastet ist, darf bezweifelt werden.

Stadtverwaltung: Es gibt eigentlich kein Raucherproblem

Das habe damit rein gar nichts zu tun, wehrt der für Recht und Ordnung zuständige Erste Bürgermeister Otto Neideck (CDU) ab. „Wenn es Beschwerden gibt, dann kümmern wir uns darum.“ Es gebe aber kaum Beschwerden, daher verfalle man auch nicht in einen „Verfolgungswahn“. Es gebe „eigentlich kein Raucherproblem“ und auch im Gemeinderat habe „noch niemand eine Raucherpolizei beantragt“. Der Gemeindevollzugsdienst (GVD) wird also auch künftig vor allem mit Knöllchen für Falschparker beschäftigt sein. Als Reaktion auf die massiven Beschwerden wegen permanenter Ruhestörungen in der Innenstadt soll der GVD demnächst zwar auch nachts auf Streife gehen und für Ruhe sorgen, vor allem am Samstag. Kontrollen zur Einhaltung von Jugend- und Nichtraucherschutz sind davon aber ausdrücklich ausgeklammert, es wurde nur eine einzige neue Stelle geschaffen. „Das alles in Greencity“, empört sich Pflüger. „Ausgerechnet in der Stadt, die so viel auf ihr sauberes Image hält und damit weltweit wirbt.“ Im Vergleich zu anderen Städten sei Freiburg eine Raucherhölle. „Wenn man konservativ schätzt, so dürften pro Jahr gut 100 000 Freiburger mal ungewollt im Rauch stehen“, sagt er. Dabei gebe es in anderen Städten andere Erfahrungen. Die Wirte in Heidelberg seien dahinter her, dass das Verbot auch eingehalten wird, hat der Nachtschwärmer beobachtet. Und weniger Kneipen als in Freiburg gebe es dort nicht.

Das Nichtraucherschutzgesetz

Seit März 2009 gilt in Baden-Württemberg das novellierte Nichtraucherschutzgesetz. Das Rauchen ist in Öffentlichen Gebäuden genauso verboten wie in Gaststätten und Diskotheken. Das Gesetz lässt Ausnahmen vom Rauchverbot zu: In Gaststätten mit weniger als 75 Quadratmetern Gastfläche und ohne abgetrennten Nebenraum ist das Rauchen zulässig, wenn keine oder lediglich kalte Speisen einfacher Art zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht werden, und die Gaststätten am Eingangsbereich deutlich als Rauchergaststätten gekennzeichnet sind, zu denen Personen mit nicht vollendetem 18. Lebensjahr keinen Zutritt haben. In Diskotheken ist das Rauchen in vollständig abgetrennten Nebenräumen ohne Tanzfläche zulässig, wenn der Zutritt auf Personen ab vollendetem 18. Lebensjahr beschränkt ist und dieRäume deutlich gekennzeichnet sind. Wer vorsätzlich oder fahrlässig als Betreiber oder Gastwirt seiner Kennzeichnungspflicht nicht nachkommt oder Verstöße gegen das Rauchverbot nicht verhindert, handelt ordnungswidrig. Diese Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße von bis zu 2500 Euro und im Wiederholungsfall innerhalb eines Jahres sogar mit einer Geldbuße in einer Höhe von bis zu 5000 Euro geahndet werden