Mit dem Jahreswechsel sind auch Euro-5-Diesel in Stuttgart vom Fahrverbot betroffen. Weitere Sperrungen sind möglich. Wir tragen die wichtigsten Fragen und Antworten zusammen.

Stuttgart - Das gerichtlich verfügte Dieselfahrverbot in der Landeshauptstadt war umstritten, doch es wirkt. Nun greifen weitere Maßnahmen. Wir beantworten die wichtigsten Fragen und Antworten.

 

Hat sich die Luft verbessert?

An den drei Messstationen für Stickstoffdioxid am Neckartor, der Hohenheimer Straße und am Klett-Platz ist die Belastung 2019 teils sehr deutlich zurückgegangen. Am Neckartor lag der Jahresmittelwert Ende 2018 bei 71 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. 2019 waren es nach vorläufiger Auswertung nur noch 54 Mikrogramm. In der Hohenheimer Straße lag der Wert bei 51 statt 65, am Klett-Platz bei 43 statt 46 Mikrogramm – das bisherige Fahrverbot hat Wirkung gezeigt.

Warum noch ein Verbot?

Die Stickstoffdioxidwerte sinken zwar in einem bisher nicht gekannten Umfang, aber der gesetzlich in der EU vorgegebene Grenzwert von maximal 40 Mikrogramm im Jahresmittel ist auch 2019 nicht erreicht worden. „Um der Aufforderung der Gerichte nachzukommen, sind wir angehalten, weitere Maßnahmen einzuführen“, sagt Professor Uwe Lahl, der Amtschef des Verkehrsministeriums. Dabei greift die Landesregierung aber nicht gleich zum stärksten Mittel, der Ausweitung des flächendeckenden Fahrverbots auf die nächste Euronorm-Stufe.

Was gilt seit dem 1. Januar?

Seit dem 1. Januar gibt es erstmals in der Umweltzone auch noch streckenbezogene Fahrverbote auf Hauptverkehrsachsen. Auch diese hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in seinem Grundsatzurteil von Februar 2018 vorgesehen. Für Diesel mit der Euronorm 5 sind folgende Strecken gesperrt: die B 14 am Neckartor zwischen der ADAC-Kreuzung und der Kreuzung Cannstatter/Heilmannstraße, die B 14 (Hauptstätter Straße) zwischen Österreichischem Platz und Marienplatz, die B 27 zwischen dem Charlottenplatz und der Kreuzung Obere Weinsteige/Jahnstaße, und die  B 27 (Heilbronner Straße) zwischen der Kreuzung Kriegsbergstraße und der Kreuzung Wolframstraße.

Wie erkenne ich gesperrte Strecken?

Die Stadt hat dazu 663 Schilder aufgestellt. Am 1. Januar wurden sie aufgedeckt. Zu sehen ist das Schild „Verbot für Kraftwagen“ (schwarzes Auto in rotem Kreisring), darunter, für wen dieses Verbot gilt: „nur Diesel-Pkw bis einschließlich Euro 5“, darunter die Ausnahme „Anlieger frei“ und darunter noch die Streckenlänge, auf der die Anordnung gilt. Bei vier Schildern ist rasche Auffassungsgabe gefragt.

Gibt es noch weitere Maßnahmen?

Das Regierungspräsidium Stuttgart (RP), das für den Luftreinhalteplan zuständig ist, hat weitere Luftfiltersäulen aufstellen lassen, die Parkgebühren sollen steigen und auf vielen Straßen im Stadtgebiet das Höchsttempo auf 40 Kilometer pro Stunde begrenzt werden.

Was ist der Effekt?

Der Luftreinhalteplan (4. Fortschreibung) enthält eine Prognose. Danach soll der Jahresmittelwert auch mithilfe des neuen Streckenfahrverbots 2020 am Neckartor noch bei 48, an der Hohenheimer Straße zwischen 44 und 47 Mikrogramm, an der Hauptstätter Straße zwischen 32 und 45 und an der Heilbronner Straße zwischen 37 und 45 Mikrogramm liegen.

Was geschieht in den Straßen, die als Umfahrung genutzt werden?

Durch Verkehrsverlagerung werde es eine Erhöhung bereits vorhandener Überschreitungen geben, prognostiziert sind 0,5 bis 2 Mikrogramm zusätzlich. Betroffen ist etwa die Talstraße im Osten. Gesetzlich ist das nicht erlaubt. Um die Erhöhung zu vermeiden, seien Kompensationsmaßnahmen nötig, also eben Tempo 40, Filtersäulen, Parkraummanagement und dauerhaft maximal Tempo 80 auf der B 27 zwischen Echterdinger Ei und Degerloch.

Wie können Euro-5-Fahrer dem streckenbezogenen Verbot begegnen?

Wer ein vom Kraftfahrt-Bundesamt anerkanntes Softwareupdate zur Emissionsminderung schriftlich nachweisen kann, wird für zwei Jahre vom streckenbezogenen Fahrverbot ausgenommen. Dazu braucht es eine Werkstattbescheinigung oder den Eintrag in die Zulassungsbescheinigung Teil I. Wer die Hardware seines Autos nachrüsten lässt, wird dauerhaft vom Fahrverbot ausgenommen. Nachrüstsätze sind für einige Marken zugelassen, zum Beispiel für Volvo und BMW. Lange Listen mit den jeweiligen Motortypen dazu finden sich auf der Seite www.kba.de unter NOx-Minderungssysteme zur Nachrüstung. Mercedes und Volkswagen haben bis zu 3000 Euro Zuschuss zugesagt.

Gibt es Ausnahmeanträge?

Nein, für das streckenbezogene Euro-5-Dieselfahrverbot erteilt die Stadt keine Ausnahmegenehmigungen, denn die Strecken können umfahren werden.

Was kostet ein Verstoß?

Wer mit seinem Euro-5-Diesel auf einer gesperrten Strecke fährt und erwischt wird, zahlt 20 Euro. Das ist der Satz aus dem Bußgeldkatalog für die Missachtung des Durchfahrtsverbots. Es kommen noch 28,50 Euro Bearbeitungsgebühr dazu, in der Summe also 48,50 Euro. Die Missachtung des Umweltzonenschildes kostet dagegen mit der Gebühr 108,50 Euro.

Wird überhaupt kontrolliert werden?

Die Polizeigewerkschaft hat erklärt, dass die Kontrolle überaus kompliziert werde. Aber das schließt sie nicht aus. Verstöße könnten durch Anhaltekontrollen im fließenden Verkehr festgestellt werden. Die Polizei überprüfe „mit Stichprobenkontrollen im Rahmen des täglichen Dienstes“, teilt das Verkehrsministerium mit. Wer auf gesperrter Strecke geblitzt wird, weil er zu schnell war, bei dem wird automatisch auch das Dieselfahrverbot mit überprüft. „Wir haben drei neue mobile Blitzer, die wir auch zur Luftreinhaltung einsetzen“, so eine Sprecherin der Stadt. Das Ministerium räumt aber eine Frist ein. Bis Ende Februar werden die Sünder ermahnt, ab März muss gezahlt werden.

Sind noch weitere Verbote geplant?

Ja, der Entwurf für die 5. Fortschreibung des Luftreinhalteplans sieht ein zonales Dieselfahrverbot unterhalb von Euro 6 vor: in einer Umweltzone in der bestehenden Umweltzone. Die neue soll den Talkessel (alle Innenstadtteile) sowie Bad Cannstatt, Feuerbach und Zuffenhausen umfassen. Die Rede ist von der „kleinen Umweltzone Stuttgart“.

Wann soll die „kleine Umweltzone“ gelten?

Ab dem 1. Juli 2020. Die Entscheidung soll im April fallen – auf der Grundlage der Werte aus den ersten drei Monaten. Sollte die Prognose ergeben, dass der Grenzwert im Jahresmittel 2020 eingehalten wird, käme die „kleine Umweltzone“ nicht. Danach sieht es aber nicht aus, denn die Prognose sagt ja Werte deutlich über 40 Mikrogramm voraus. Im April ist daher eine heiße Debatte zu erwarten. Grüne und CDU in der Landesregierung wollen ein weiteres Fahrverbot vermeiden, denn Ende 2020 ist OB- und Anfang 2021 Landtagswahl. Das Verwaltungsgericht hat der Regierung Ende 2018 die Meinung gesagt: „Es gibt keinen politischen Entscheidungsspielraum darüber, ob man geltendes Recht einhält oder nicht.“