Die Kliniken rüsten sich für die Verschärfung der Coronakrise. In Stuttgart gibt es nun auch einige dramatische Erkrankungsfälle. Den Hausärzten fehlen allerorten Schutzkleidung.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Bevor es besser wird, wird es schlimmer, dieser Satz bewahrheitet sich auch in Stuttgart. Die Zahl der mit dem Coronavirus Infizierten steigt weiter. Auch in der Landeshauptstadt gibt es mittlerweile mehrere Erkrankungen mit schwierigem Verlauf. Darunter seien zwei „dramatische Fälle“ mit schweren Vorerkrankungen, sagte Stadtsprecher Sven Matis. Einer von diesen wird im Diakonie-Klinikum behandelt. „Der Patient muss beatmet werden“, bestätigt Pressesprecher Frank Weberheinz.

 

Unterdessen hat die vierte Corona-Ambulanz in der Stadt im Reitstadion die Arbeit aufgenommen. Mit 20 bis 25 Einsatzkräften ist das DRK dort jeden Tag präsent, sagt Pressesprecher Udo Bangert. Etwa 60 Personen brauche man insgesamt für den Betrieb, drei Viertel davon seien Ehrenamtliche.

Strategiewechsel in Krankenhäusern

Wobei Corona-Ambulanz gar nicht mehr die korrekte Bezeichnung ist für die Einrichtung ist. Man spreche jetzt von Fieber-Ambulanz, sagt Sven Matis. Das bedeutet, dass man angesichts der wachsenden Infektionszahlen vor allem die Hochrisikogruppen in den Blick nimmt, also insbesondere ältere und pflegebedürftige Menschen sowie chronisch Kranke. Getestet werde deshalb nur noch bei diesen Gruppen und bei schweren Krankheitsverläufen, „nicht mehr flächendeckend“, beschreibt Matis das neue Vorgehen. So wolle man die „medizinischen Ressource“ auf das Notwendige konzentrieren. Die neue Ambulanz im Reitstadion ist denn auch für Patienten, die von einem niedergelassenen Arzt dorthin verwiesen werden.

In den Krankenhäusern der Stadt ist der Strategiewechsel bereits angelaufen. „Wir müssen etwas sparsamer mit den Tests umgehen“, sagt Mark Dominik Alscher, der medizinische Geschäftsführer des Robert-Bosch-Krankenhauses (RBK). Aus mehreren Gründen. So gebe es einen „Materialengpass“ bei den Lieferanten der Reagenzien, welche man für die Tests benötigt. Angesichts der wachsenden Zahl von Infektionen mit mehr schwierigen Krankheitsverläufen müsse man gezielter vorgehen.

Das sieht auch Jan Steffen Jürgensen, der medizinische Vorstand des städtischen Klinikums so. „Die Testkapazität ist am Limit.“ Was die Reagenzien angehe, „kratzen wir alles zusammen“. Da man Infektionsketten bei den jetzigen Zahlen nicht mehr nachvollziehen könne, habe es in dieser Phase keinen Sinn mehr, sonst gesunde Menschen, die etwa in Südtirol waren und jetzt leichte Halsschmerzen hätten, zu testen. Diese sollten einfach „zuhause bleiben und sich auskurieren“, sagte Jürgensen. In der Ambulanz am Katharinenhospital (KH) sei die Zahl der Menschen pro Tag auf rund 300 angestiegen, täglich würden etwa 150 Abstriche gemacht. Die Zahl der Verdachtsfälle im städtischen Klinikum mit Behandlungsbedarf in Quarantäne liege im „niedrigen zweistelligen Bereich“, so Jürgensen. Ein älterer Patient werde intensivmedizinisch versorgt.

Vorkehrungen für Klinikpersonal

In der Spezialambulanz des RBK, die seit Dienstag ebenfalls Fieber-Ambulanz heißt, wurden bisher mehr als 1200 Menschen getestet, jeden Tag zwischen 120 und 150. „Etwa 25 Prozent sind positiv“, sagt Alscher. „Es werden jeden Tag mehr.“ Acht Corona-Verdachtsfälle seien es derzeit im RBK.

Mit den begrenzten Testkapazitäten müsse man auch sorgsam umgehen, um kranke Menschen, die in die Klinik eingeliefert werden, testen zu können. So seien am Wochenende einige Personen ins RBK gekommen, die Herzprobleme oder das Bewusstsein verloren hatten. Schließlich habe sich herausgestellt, dass allesamt Covid-19-Fälle waren.

Vorkehrungen müsse man auch für das Klinikpersonal treffen. Im RBK seien inzwischen rund 100 Beschäftigte in häuslicher Isolation gewesen, sagt Mark Dominik Alscher. Viele seien wieder zurück, derzeit seien es noch etwa 20. „Wir müssen auch das Krankenhaus als kritische Infrastruktur schützen, die muss funktionieren.“

In Absprache mit dem städtischen Gesundheitsamt führt dies zu erheblichen Veränderungen in den Krankenhäusern. Man werde für die fraglichen Fälle komplett neue Eingänge und andere Wege durchs Krankenhaus schaffen, dazu spezielle Flächen, bis hin zu „Covid-19-Stationen“, sagt der Mediziner. Vor dem RBK werde nun ein Container aufgestellt zur „Ersteinschätzung“ der ankommenden Patienten.

Mehr Patienten in Isolation

Mit der Zunahme der Covid-19-Fälle und der Konzentration der Kliniken auf schwere Fälle wird auch die Zahl der Patienten in häuslicher Quarantäne steigen, die von niedergelassenen Ärzten betreut werden müssen. Die Hausärzte sehen sich dafür aber schlecht gerüstet. Viele Praxen haben wenig oder gar keine Schutzkleidung mehr. Mit Bezug auf fehlende Schutzmasken klagt eine Stuttgarter Augenärztin: „Wir werden komplett im Stich gelassen.“

Der Vorsitzende der Stuttgarter Ärzteschaft bestätigt den Mangel an Schutzausrüstung. „Man versorgt uns nicht mit dem Notwendigen, dass wir unserer Pflicht nachkommen können“, sagt Markus Klett. Lediglich die Notfallpraxis im Marienhospital habe unlängst 20 Schutzkittel erhalten, sagt er. „Sonst hat keiner was bekommen.“

Auch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) im Land sieht das Problem mangelnder Schutzkleidung. Man versuche viel, um solche zu besorgen, erklärte Sprecher Kai Sonntag. Bisher mit wenig Erfolg. Vor diesem Hintergrund seien „ärztliche Hausbesuche eine Herausforderung“, so Sonntag.