Wieder lösen brutale Vergewaltigungen in Indien Entsetzen aus. Eine 51-jährige Dänin ist im Touristenzentrum von Delhi überfallen worden. Eine 18-jährige Deutsche hat eine Vergewaltigung in einem Zug in Südindien angezeigt.

Neu Delhi - Es war ihr letzter Urlaubstag, und er endete mit einem Albtraum. Weil sie sich im Gassengewirr von Delhis populärem Touristenviertel Paharganj verlaufen hatte, fragte eine dänische Touristin eine Gruppe Männer nach dem Weg. Doch die laut Medien fünf bis sechs Männer, die so hilfsbereit schienen, lockten die 51-Jährige stattdessen in eine abgeschiedene Ecke nahe des Hauptbahnhofs. Dort raubten sie der Frau Geld, iPad und Handy und vergewaltigten sie mit vorgehaltenem Messer. Dies geschah am Dienstagnachmittag. Erst am Abend gelang es der Frau, sich wieder in ihre Pension zu schleppen. Der Besitzer des Amax Hotels rief die Polizei. „Sie weinte und war in einer kläglichen Verfassung”, erzählt er sichtlich erschüttert.

 

Tatort der Gruppenvergewaltigung war ausgerechnet Paharganj, das bei vielen Sehenswürdigkeiten liegt und auch wegen seiner Billighotels bei Rucksack-Reisenden beliebt ist. Laut der Polizei verweigerte die traumatisierte Touristin eine medizinische Untersuchung und reiste noch gestern nach Hause. Delhis Polizei, sonst nicht gerade für Schnelligkeit bekannt, reagierte prompt: Sie verhaftete und vernahm 15 Männer. Ob es sich wirklich um die Täter handelt oder die Polizei nur zügige Erfolge vorweisen will, lässt sich nicht sicher sagen.

Bei Ausländerinnen reagiert die Polizei meist sofort

Wie ebenfalls am Mittwoch bekannt wurde, soll schon am vergangenen Freitag eine 18-jährige Deutsche im Schlafwagen eines Zugs in Südindien missbraucht worden sein. Die Frau habe am Montag Anzeige erstattet, sagte eine Polizeisprecherin. Der mutmaßliche Täter sei gefasst, es werde eine Gegenüberstellung geben. Die junge Frau war als Mitarbeiterin einer Freiwilligenorganisation von Mangalore nach Chennai unterwegs.

Beide Fälle offenbaren auch die Doppelmoral eines Landes, das mehr um sein Image im Ausland als um das Wohl der Frauen besorgt scheint. Während die Polizei bei Vergehen gegen Ausländerinnen meist hart durchgreift, warten Inderinnen oft Jahre, Jahrzehnte oder vergeblich darauf, dass ihre Peiniger auch nur festgenommen werden. Vor gut einem Jahr hatte die „Schreckenstat von Delhi” erstmals international ins Bewusstsein gerückt, welches Ausmaß Gewalt gegen Frauen in Indien hat. Das Verbrechen an einer 23-jährigen Studentin hatte zu wütenden Massenprotesten gegen die Apathie des Staates geführt. Doch bisher sind die Zuständigen kaum über Lippenbekenntnisse hinausgekommen. Zwar verschärfte die Regierung die Gesetze. Doch Polizei, Justiz und Politik behandeln Gewalt gegen Frauen noch immer meist als Lappalie oder schützen sogar die Täter.

Woher kommt die Brutalität?

Was besonders schockiert, ist die Brutalität der Taten. Soziologen machen auch die rasanten Umbrüche und sozialen Konflikte in der aufsteigenden Wirtschaftsmacht verantwortlich. Zu Hunderttausenden strömen Armutsflüchtlinge vom Land in die Metropolen. Viele kommen aus ländlichen Regionen, wo patriarchalische Strukturen wie bei den Taliban herrschen. In den Städten sind sie mit Frauen konfrontiert, die arbeiten, ausgehen und sich frei bewegen. Viele Männer fühlten sich dadurch in ihrer Dominanz bedroht und reagierten aggressiv, meinen Wissenschaftler.

Und doch hat sich seit den Massenprotesten auch etwas verändert. Erstmals wird das Problem breiter thematisiert. Und immer mehr Frauen brechen das Schweigen. Allein in Delhi hat sie die Zahl der angezeigten Vergewaltigungen in 2013 gegenüber dem Vorjahr verdoppelt.

Indiens Ruf als Urlaubsland leidet

Indiens Ruf im Ausland ist beschädigt. „Die Botschaft, die in die Welt ausgesandt wird, ist, dass man als Frau nicht alleine nach Indien kommen sollte”, sagt die bekannte Frauenrechtlerin Ranjana Kumari. Im ersten Vierteljahr 2013 sank die Zahl weiblicher Touristen laut einer Studie um 35 Prozent. Als Reaktion startete die Tourismusbehörde die Kampagne „Ich respektiere Frauen”.

Im März 2013 war eine Schweizerin auf einer Radtour vergewaltigt worden. Eine Britin sprang aus dem Fenster ihres Hotels in Agra, um einem Angriff zu entgehen. Eine Amerikanerin wurde in Himalaja Opfer einer Vergewaltigung. Dabei sind Ausländerinnen noch relativ sicher, gerade weil Täter wissen, dass die Polizei hier kein Pardon kennt.