Ein heller Teint ist heiß begehrt, darum malträtieren indische Frauen ihren Körper mit Bleichcremes. Selbst der Schambereich muss dran glauben.

Neu-Delhi - Fair“, hellhäutig, müsse die künftige Braut sein, heißt es in fast jeder Heiratsanzeige, die am Wochenende Indiens Zeitungen pflastern. Auch fast 65 Jahre nach Abzug der britischen Kolonialherren scheint der Subkontinent besessen von weißer Haut. Diese erhöht nicht nur die Heirats-, sondern auch die Jobchancen.

 

Millionen Inderinnen malträtieren sich regelmäßig mit Bleichcremes, um einen hellen Teint zu bekommen, obgleich nicht einmal sicher ist, dass Pasten und Masken überhaupt wirken und obendrein viele gefährliche Chemikalien wie Quecksilber enthalten sollen. Doch das tut dem Schönheitswahn keinen Abbruch.

Aussehen wie Schneewittchen

Ähnlich wie bleiche Westler sich an den Touristenstränden dieser Welt braun grillen und Hautkrebs, Falten sowie Lederhaut riskieren, sich mit Selbstbräunern beschmieren oder unter Solarien brutzeln, können in Indien auch alle Warnungen von Hautärzten den Griff zur Bleichcreme nicht stoppen. Allein in Indien soll der Markt weit über 400 Millionen Dollar schwer sein – mit steigender Tendenz. Inzwischen ist es schon schwierig, noch Kosmetika ohne bleichende Chemikalien zu finden. Die Medien und die Werbeindustrie geben ihr Bestes, um die Obsession zu schüren. Dutzende Werbespots flimmern täglich über die Bildschirme, um den Inderinnen Frauen, die aussehen wie Schneewittchen, als Schönheitsideal einzubläuen.

Ob in Magazinen, Filmen oder Anzeigen, nur den alabasterweißen Frauen ist das Glück hold – sei es in Form eines Ehemannes, eines Jobs oder eines Tennispokals. Dagegen bleibt eine goldbraune Schönheit einsam, allein und erfolglos. Solche Frauen sehen, missachtet von der Männerwelt, einem traurigen Los als alte Jungfer entgegen.

Zugleich überschwemmen immer mehr Bleichprodukte das Land – für die Augenpartie, fürs Gesicht, für den Körper, ja sogar Deodorants für strahlend weiße Achseln gibt es. Auch Männer gehen nicht leer aus. Kosmetikfirmen bieten ihnen längst eigene Produktlinie an.

Auch der Schambereich bleibt nicht verschont

Doch nun hat die Bleichindustrie eine neue, bis dato unerschlossene Region entdeckt, von der sie sich ein neuen Boom erhofft: Die „Private Parts“, wie man im Englischen den Genitalbereich umschreibt. Ungeniert trichtern die Werbeprofis der Frauenwelt neuerdings ein, dass die „Dunkelung der Private Parts“ ein echtes Problem darstelle. Und präsentieren prompt Abhilfe: Eine Waschlotion namens „Clean and dry“. Doch das geht vielen Frauen zu weit. Sie halten das Produkt für einen unakzeptablen Schlag unter die Gürtellinie, ein entsprechender Werbespot entfachte eine Sturm der Entrüstung. Gezeigt wird eine junge Inderin, die traurig dreinblickt, weil ihre Schamzone so dunkel ist, wie der Kaffee, im dem sie rührt, und ihr Ehemann sich lieber mit der Zeitung vergnügt als mit ihr. Erst als sie zur bleichenden Intimlotion greift, kehrt das Glück zurück. Suggestiv lässt sie den Autoschlüssel in ihren Shorts verschwinden, da sie ja nun mit vorzeigbarer Weiße locken kann. Lachend schließt ihr Mann sie in seine Arme.

Die Bleichmanie beschränkt sich nicht auf Indien

Doch der Damenwelt ist das Lachen vergangen. „Meine Vagina ist nicht glücklich über die jüngsten Ereignisse in den indischen Medien“, empörte sich die „Elle“-Autorin Deepanjana Pal und spießte damit zugleich die Doppelmoral auf, die zwar die weibliche Intimzone ins Zentrum eines TV-Spots rückt, aber es tabuisiert, das Wort in den Mund zu nehmen. „Dies ist die ultimative Kränkung. Hautbleiche für die Vagina“, ärgerte sich auch Rupa Subramanya vom „Wall Street Journal“.

Die Bleichmanie beschränkt sich keineswegs auf Indien. Auch in anderen Ländern Asiens, aber auch im karibischen, arabischen oder afrikanischen Raum gilt helle Haut vielerorts als Schönheitsideal – und so drängen sich auch dort „Whitening“- Produkte in den Drogeriemarktregalen.

Dunkelhäutige werden gehänselt und diskriminiert

Den Trend zu stoppen, ist jedoch schwer. Dunkle Haut ist in Indien ein Makel und gilt als hässlich. Die Wurzeln reichen weit zurück in die Geschichte. Nicht nur die Briten, auch frühere Herrscher Indiens wie die Moguln hatten einen helleren Teint. So wird weiße Haut bis heute mit Adel, Status, Geld und Macht assoziiert. Die ärmeren Menschen schufteten dagegen auf dem Feld in der Sonne und hatten meist dunklere Haut.

Die Folgen erleben dunkelhäutige Inder bis heute täglich. Sie werden mit weniger Respekt behandelt, haben schlechtere Job- und Karrierechancen, werden in der Schule und am Arbeitsplatz diskriminiert und gehänselt. Daher hält der Boom an. Fast jede besser betuchte Inderin greift heute zu bleichenden Cremes, Gesichtswassern, Masken, Seifen oder Pillen. Selbst bitterarme Familien geben ihre wenigen Rupien für hellere Haut aus. Noch im hinterletzten Dorf findet man die unvermeidliche Tube „Fair&Lovely“ des Marktführers Hindustan Unilever am Kiosk. Viele Schönheitssalons mixen ihre eigenen Geheimtinkturen, deren Inhaltsstoffe sich aber auch jeglicher Kontrolle entziehen.

Hautärzte sind nicht glücklich über den wachsenden Bleichtrend. Viele dieser Cremes seien gefährlich, warnt ihr Verband. Schließlich wisse niemand, was wirklich in den Tiegeln enthalten sei, da in Indien nur bei Medikamenten die Bestandteile deklariert werden müssen. Einige Substanzen wären in Europa wohl schlicht verboten. Rötungen, Reizungen, Ausschläge sind noch die harmloseren Folgen. Bisweilen wird die Haut auch dauerhaft gefleckt, verliert ihre natürliche Pigmentierung oder dunkelt sogar ein. Selbst Nierenschäden soll es geben.