Vier Roboter arbeiten in Spartanburg, USA, in der Produktion von BMW Hand in Hand mit Menschen. Stefan Bartscher ist ein Pionier für Industrie 4.0.

Im US-amerikanischen BMW-Werk Spartanburg hat die vierte industrielle Revolution bereits begonnen. In der Türmontage arbeiten Mensch und Roboter Seite an Seite. Ohne Schutzzaun und als Team. Rund 300 000 Fahrzeuge der Modellreihen X3, X5 und X6 werden jährlich in Spartanburg montiert. An den Produktionslinien des X3 werden seit November 2013 vier kollaborative Roboter eingesetzt. Montage-Mitarbeiter legen an der Türinnenseite eine Schall- und Feuchtigkeitsisolierung mit Klebestreifen auf und drücken sie leicht an. Die Dichtung schützt die Elektronik in der Tür und den Fahrinnenraum vor Feuchtigkeit und dämmt Lärm. Bislang fixierten Mitarbeiter die Folie mit einem Handroller.

 

Jetzt haben Roboter diese kräftezehrende Arbeit übernommen, die sehr präzise ausgeführt werden muss. Bei der Entscheidung für die Montageroboter standen ergonomische Aspekte im Vordergrund. Vor allem für einfache Arbeitsumfänge mit hoher Wiederholungshäufigkeit und erheblichem Kraftaufwand bietet sich eine Unterstützung der Mitarbeiter durch Automatisierung an. 'Roboter, die den Menschen in der Fertigung zur Hand gehen und ihnen schwere körperliche Arbeiten abnehmen, werden die Fabrik der Zukunft prägen. Ihre Stärken sind Kraft und mechanische Genauigkeit', sagt Harald Krüger, Produktionsvorstand von BMW. Die Vorarbeiten für den zukunftsweisenden Einsatz der kollaborativen Roboter in Spartanburg leistete das Team um Stefan Bartscher, Leiter Innovationsmanagement Produktion, im BMW-Forschungs- und Entwicklungszentrum in München. Zwei Jahre Entwicklungszeit stecken in dem Projekt, das der Automobilkonzern in enger Zusammenarbeit mit dem dänischen Roboterhersteller Universal Robots durchgeführt hat.

1997 war Bartscher mit seinem Studium fertig

'Die Umsetzung einer ergonomischen Mensch-Roboter-Kooperation in der Serienfertigung bedeutet für uns einen wichtigen Schritt auf dem Weg zum Automobilbau der Zukunft und in die Welt der Industrie 4.0', sagt der 43-jährige Bartscher. Er ist bei dem bayrischen Autohersteller ein Pionier für Industrie 4.0 und fachlich dafür gut gerüstet. An der Universität Erlangen-Nürnberg hat er Maschinenbau mit Schwerpunkt Fertigungstechnik studiert, in Baltimore, USA, zwei Auslandssemester in Industrial Engineering absolviert und seine Diplomarbeit über Robotik geschrieben. 1997 war Bartscher mit seinem Studium fertig. 'Das war eine gute Zeit am Arbeitsmarkt, und Simulationstechnik war bei Ingenieuren gefragt.' Damit kannte er sich aus und fing bei BMW in der Simulationstechnik an. 'Die Abteilung hat digitale Fabrikplanung betrieben, Industrie 3.5 könnte man auch dazu sagen.' Heute leitet Bartscher das Innovationsmanagement für die technische Produktplanung, beispielsweise für Presswerke, Karosseriebau, Montage.

Dass die Roboter zuerst in den USA zum Einsatz kamen, hat mit gesetzlichen Vorschriften zu tun: In den USA kann eine Maschine ohne große Formalitäten in Betrieb genommen werden. Erst wenn an der Maschine ein Unfall geschehen ist, muss der Betreiber nachweisen, dass die Gefahr nicht von der Maschine ausging. In Deutschland gilt eine umgekehrte Beweislast: Vor Inbetriebnahme muss der Berufsgenossenschaft nachgewiesen werden, dass von der Maschine für den Menschen kein Risiko ausgeht. Die Roboter in Spartanburg agieren mit geringer Geschwindigkeit in einem definierten Umfeld und stoppen sensorgesteuert sofort, wenn sich ein Hindernis in ihrer Bahn befindet. 'Die Sicherheit der Menschen hat für uns länderunabhängig oberste Priorität', sagt Bartscher. Mit der Berufsgenossenschaft sei BMW in engem Kontakt.

Bei BMW gibt es einen Koordinator für Industrie 4.0

Bartscher geht davon aus, dass die Zertifizierung der Roboter bald erfolgt. Dann würden baugleiche Typen sukzessive in den deutschen Produktionswerken eingeführt. 'Anfangs primär für Aufgaben wie in Spartanburg.' Weitere Einsatzbereiche seien geplant, aber geheim, so dass er dazu nichts sagen darf. Bei BMW gibt es einen Koordinator für Industrie 4.0. Der sitzt im Stab des Montage-Planungsleiters. Etwa 25 Mitarbeiter beschäftigen sich hauptsächlich und operativ mit dem Thema. Bartscher und seine vier Mitarbeiter gehören dazu. 'Man muss sich mit Maschinenbau, Elektrotechnik und Informatik auskennen. Ich könnte auch Mechatronik sagen plus ausgeprägtes Interesse an neuen Technologien.'

Spieltrieb mit Smartphone und Tablet sowie Interesse an neuen Technologien aus Consumer-Anwendungen und daran, wie sie in die Produktionstechnik übertragen werden können, sind eine andere Beschreibung der benötigten Skills für die junge Technologie Industrie 4.0. Vernetzung und Automatisierung sind deren Anspruch. Das Ziel für BMW ist mehrstufig. Wie das Beispiel der Roboter zeigt, soll die Arbeit in der Produktion angenehmer und ergonomischer gestaltet werden. Die wird durch die zunehmende Variantenvielfalt komplexer, wodurch das Fehlerrisiko steigt. Über die Google-Brille eingespielte Informationen helfen dem Montagemitarbeiter bei seiner Arbeit.

Über die Vernetzung kann die Qualität verbessert werden, weil sich dadurch Rückschlüsse auf vorherige Montageschritte ziehen lassen. Nicht zuletzt ist Montage auch immer eine Frage der Kosteneffizienz. 'Indem wir die Komplexität beherrschen, haben wir einen Vorteil gegenüber Billiglohnländern', sagt Bartscher. Das sichere die Produktionsstandorte in Deutschland. Bartscher bezeichnet sich selbst als einen 'unkonventionellen Quer- und Vordenker, mit guter Vernetzung im Unternehmen und mehreren spannenden Aufgaben'. Er hat Spaß daran, den Vorstand für ein Thema zu begeistern und die Idee anschließend in den Serienbetrieb umzusetzen. Denn Industrie 4.0 lernt gerade erst das Laufen.