Was verdient die obere Führungsriege? Der Trend zur Veröffentlichung der Gehälter einzelner Geschäftsführer könnte auch die IHK Stuttgart erfassen. Doch nicht das ganze Spitzenpersonal muss verraten, was es verdient.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Stuttgart - Die Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart wird künftig möglicherweise offenlegen, wie viel ihre Geschäftsführer verdienen. Dies erklärte der Präsident der Kammer, Georg Fichtner, gegenüber der Stuttgarter Zeitung. Er selbst sei in der Frage einer Veröffentlichung der Gehälter „neutral“, sagte Fichtner. Eine Offenlegung könne es allerdings nur bei Neueinstellungen geben.

 

„Dann kann der Bewerber entscheiden, ob er unter dieser Bedingung eine Stelle annimmt oder nicht“, meinte der Kammerpräsident. Bei den bereits angestellten Geschäftsführern müsse man sich an die bestehenden Verträge halten. Diese waren unter der Bedingung abgeschlossen worden, dass die individuellen Vergütungen nicht veröffentlicht werden. Dies gilt auch für den Stuttgarter Hauptgeschäftsführer Andreas Richter.

Mit ihren Überlegungen zur Offenlegung der Verdienste reagiert die Kammer auf einen schon länger anhaltenden Trend. Zwar weisen die allermeisten Kammern keine Einzelgehälter aus, eine zunehmende Zahl verabschiedet sich allerdings von dieser Tradition. So wurde zum Jahreswechsel bei der Bestellung von Sybille von Obernitz zur Hauptgeschäftsführerin der IHK Kassel-Marburg deren Jahresgehalt offengelegt: 190 000 Euro plus 38 000 Euro für die Altersversorgung. Seit dem vergangenen Jahr ist auch das Gehalt von Matthias Fonger, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Bremen, auf der Internetseite der Kammer einsehbar: 196 000 Euro plus 20 000 Euro Leistungszulage.

„Der Sparkassendirektor verdient zwei- bis dreimal soviel"

Schon länger veröffentlicht wird auch das Gehalt des Chefs der Handelskammer Hamburg, Hans-Jörg Schmidt-Trenz. Dieser dürfte zu den Spitzenverdienern unter den Hauptgeschäftsführern deutscher Kammern zählen und erhält nach den Angaben eines Sprechers jährlich 370 000 Euro sowie eine von Zielvereinbarungen abhängige Tantieme von 105 000 Euro. Die Flucht nach vorne angetreten hat vor einiger Zeit auch Michael Wenge. Der Hauptgeschäftsführer der IHK-Wuppertal-Solingen-Remscheid war die Spekulationen über sein Gehalt leid und ging an die Öffentlichkeit. Seine 183 000 Euro brauche er nicht zu verstecken, meinte Wenge, „der Sparkassendirektor verdient zwei- bis dreimal so viel“. Und ein ehemaliger Vizepräsident der Kammer habe ihm einmal gesagt, „da verdient mein Prokurist schon mehr“.

Auch die kammerkritische Stuttgarter Kaktusgruppe, die etwa ein Fünftel der Vertreter in der Vollversammlung stellt, verlangt eine individuelle Offenlegung der Gehälter und interessiert sich vor allem für den Verdienst des Hauptgeschäftsführers. Dieser weist darauf hin, dass die Kammer zu den ersten gehört habe, die die Vergütungen des Hauptgeschäftsführers und seiner Stellvertreter dargelegt habe. Danach ist für alle drei zusammen für das laufende Jahr ein Gehalt von rund 693 000 Euro vorgesehen, macht pro Person also 231 000 Euro. Tatsächlich – darauf deuten etwa die Zahlen aus Hamburg hin – dürfte der Hauptgeschäftsführer deutlich mehr verdienen als die Stellvertreter – etwa das Doppelte. An der Elbe erhält der Stellvertreter 175 000 Euro Jahresgehalt sowie eine erfolgsabhängige Tantieme von bis zu 20 000 Euro.

Kammern wollen mit der freien Wirtschaft mithalten

Nach Vermutungen der Kaktusgruppe liegt Richters Gehalt bei 430 000 Euro. Der Hauptgeschäftsführer kommentiert dies nicht, da er gegenüber der Kammer eine Vertragspartei sei. StZ-Informationen zufolge ist das Gehalt wesentlich niedriger als von den Kakteen geschätzt. Richter weist darauf hin, sein Gehalt werde vom Präsidenten und dem Präsidium auf der Grundlage von Beschlüssen der Vollversammlung festgelegt.

„Als Bewerber kann man sich dann entscheiden, ob man dafür arbeiten will oder nicht.“ Den Hinweis der Kakteen, die Gehälter seien für eine „behördenähnliche Einrichtung“ zu hoch, weisen die Stuttgarter zurück. Der Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens verdiene in der Regel zwischen 200 000 und 500 000 Euro im Jahr, so Richter. Mit diesem Niveau müsse eine Kammer bei ihren Spitzenpositionen mithalten können, wenn sie gute Leute engagieren wolle.

Zudem dürfe man nicht nur auf das Gehalt sehen, sondern müsse auch die erbrachte Leistung honorieren. „Eine Kammer ist eben keine Behörde“, meinte Richter. Auch für Kammerpräsident Fichtner ist klar: „Man bekommt einen Geschäftsführer für eine große Kammer nur, wenn man ein entsprechendes Gehalt zahlt.“ Bei einer Abstimmung in einer Sitzung der Stuttgarter Kammer im Dezember hatten zwar mehr Mitglieder für die Offenlegung der Gehälter der Geschäftsführer gestimmt, als die Kakteen Sitze haben. Aber eine deutliche Mehrheit war dagegen.