Die Wirtschaft zeigt sich tief enttäuscht vom Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die IG Metall sehen das allerdings anders.

Berlin - Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) muss sich wegen seiner Amtsführung heftige Kritik aus der Wirtschaft anhören. Jetzt bekommt er Unterstützung von unerwarteter Seite: Die Gewerkschaften machen deutlich, dass sie die Attacken für überzogen halten.

 

„Die harte Kritik an Minister Altmaier ist nur in Teilen gerechtfertigt“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell unserer Zeitung. Er ergänzte, Altmaier habe mit seiner Nationalen Industriestrategie dafür gesorgt, dass eine aktive Industriepolitik endlich wieder diskutiert werde. „Deutschland braucht eine starke und fortschrittliche Industrie, um den großen Umwälzungsprozessen wie Digitalisierung oder Klimawandel wirtschaftlich erfolgreich begegnen zu können“, sagte Körzell. Altmaiers Industriestrategie sei „ein wichtiger Debattenbeitrag“, auch wenn sie in manchen Punkten nicht weit genug gehe. Bei den Strompreisen und beim Netzausbau sei das Wirtschaftsministerium allerdings kein Treiber, da sei noch „Luft nach oben“.

Und die Energiewende?

Ähnlich äußerte sich IG-Metall-Chef Jörg Hofmann. Er sagte unserer Redaktion mit Blick auf Altmaier: „Die jetzt vorgelegte Industriestrategie mit den Überlegungen zum Wettbewerbs- und Beihilferecht sowie zur digitalen Infrastruktur geht in die richtige Richtung.“ Deutschland brauche einen „Neuanlauf in der Industriepolitik, der den Transformationsprozess für Unternehmen und Beschäftigte unterstützt“. Digitalisierung, Soziales und Ökologie müssten zusammengeführt werden – darin liege die einzigartige Chance des Industriestandortes Deutschland. Hofmann schränkte jedoch ein: „Einsilbig werden die Vorschläge, wenn es um das konkrete Handeln etwa für ein Gelingen der Mobilitäts- und Energiewende geht.“ Industriepolitik erfordere Investitionen – und „keine schwarze Null“. Die Spitzen-Gewerkschafter reagierten damit auf Einlassungen führender Wirtschaftsverbände, die Altmaier frontal angegangen waren. So ermunterte Industriepräsident Dieter Kempf den CDU-Politiker zu mehr Einsatz für die Wirtschaft. „Der Minister muss entschieden mehr tun, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland zu stärken“, sagte er dpa. Kempf kritisierte auch, die „hochambitionierten Klimaschutzziele“ ließen sich nicht mit dem Kopf durch die Wand erreichen, sondern nur im Einklang mit Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit. „Bei den Energiekosten schießen die Preise durch die Decke.“

Irritationen im Mittelstand

Insbesondere im Mittelstand habe Altmaiers Industriestrategie Irritationen hervorgerufen. „Der Mittelstand kommt in der Strategie mit Blick auf seine Bedeutung in der Realität zu kurz“, so Kempf. Die angedachte Beteiligungsfazilität der öffentlichen Hand zur Abwehr ausländischer Übernahmen drohe marktwirtschaftliche Prinzipien auszuhebeln. In die gleiche Kerbe schlug Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller im „Handelsblatt“: „Der deutsche Mittelstand kommt in den Überlegungen von Herrn Altmaier praktisch nicht vor“, monierte sie. Und: Mehr Staat wie in der Nationalen Industriestrategie könne für eine Verfechterin der Ordnungspolitik nicht die Lösung sein.

Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander sagte: „Der Bundeswirtschaftsminister hat kein Konzept – weder für die Energiewende noch für die Wirtschaft insgesamt.“ Die Industrie erwarte, dass sich Altmaier für gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen einsetzt, „anstatt planwirtschaftliche Industriestrategien zu präsentieren“. Am Wochenende hatte der Verband der Familienunternehmer seinem Frust Ausdruck verliehen. „Altmaier hat das Wirtschaftsministerium beschädigt“, sagte Verbandspräsident Reinhold von Eben-Worlée der „FAS“. Zum 70-jährigen Jubiläum des Verbandes Mitte Mai in Berlin ist der Minister nicht eingeladen – anders als SPD-Chefin Andrea Nahles.