Viele hören im persönlichen Umfeld derzeit wieder von mehr Coronainfektionen. Ist da was dran? Die Inzidenz kann es kaum mehr beantworten, doch es gibt mittlerweile andere Datenquellen.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Anekdotisch hören derzeit wieder mehr Menschen von Coronainfektionen – mit den bekannten, teilweise sehr unangenehmen Symptomen. Gibt es derzeit eine Infektionswelle? Woran erkennt man sie? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

 

Wie entwickeln sich die Infektionen?

Die 7-Tage-Inzidenz war bis vergangenes Jahr der beste Indikator, um die Stärke von Infektionswellen abschätzen zu können. Mittlerweile sind beispielsweise Bürgertests nur noch schwer zu bekommen, auch die Zahl der für die Inzidenz relevanten PCR-Tests ist stark gesunken. Deshalb taugt die Inzidenz nur noch als Trendindikator. Über die Stärke einer Infektionswelle sagt sie nichts Belastbares. In den vergangenen vier Wochen hat der Wert bundesweit um etwa ein Viertel zugelegt, allerdings nicht so stark wie vor den Weihnachten und erst recht nicht so ausgeprägt wie im Sommer und Herbst 2022.

Gibt es bessere Datenquellen?

Die seit dem vergangenen Jahr wöchentlich durchgeführten Abwasseruntersuchungen „haben sich bewährt und liefern aussagekräftige Ergebnisse“, sagte der Hambuger Umweltsenator Jens Kerstan jüngst zum „Hamburger Abendblatt“. Die Methode könne auch bei zukünftigen Pandemien hilfreich sein. Die Messergebnisse können nur relativ grob bewertet werden: So steigt der Anteil der Klärwerke, an denen im Vergleich zur Vorwoche eine steigende Viruslast im Abwasser beobachtet wird, bundesweit konstant an – zuletzt lag er bei knapp 60 Prozent (siehe Schaubild). Diese Daten bestätigen das Bauchgefühl: Ja, derzeit stecken sich wieder mehr Menschen mit Sars-Cov-2 an.

Wie viele sind tatsächlich krank?

Das Robert-Koch-Institut (RKI) veröffentlicht wöchentlich Daten zu Atemwegserkrankungen. Sie stammen aus der schon vor der Pandemie funktionierenden Sentinelsurveillance – eine Art regelmäßige Stichprobe aus Arztpraxen und Kliniken sowie anhand von Rückmeldungen aus der Bevölkerung. Das RKI schätzt, dass derzeit knapp acht Millionen Menschen in Deutschland von akuten Atemwegserkrankungen betroffen sind – das sind deutlich mehr als während der Pandemie zu dieser Jahreszeit in den Vorjahren und etwas mehr als in den Wintern 2017/18 und 2018/19. Ähnlich sieht es bei der Zahl der Arztbesuche wegen solcher Erkrankungen aus. Die vorliegenden Daten ermöglichten eine „zuverlässige Einschätzung und Bewertung“ der Infektionslage, steht im aktuellen RKI-Wochenbericht.

Wie ist die Lage im Gesundheitssystem?

Arztbesuche wegen Covid-19 werden extra erfasst. Sie nahmen zuletzt zu, liegen aber deutlich unter dem Niveau der großen Infektionswellen im Jahr 2022. Zudem ist die Belastung der Krankenhäuser durch Covid-19, insbesondere bei älteren Patienten, nicht mit den vergangenen Jahren vergleichbar. Dagegen entstehen auch in den Krankenhäusern Daten, anhand derer man Infektionswellen erkennen kann. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft zählte zuletzt knapp 12 000 coronapositive Patienten auf Normalstation – ein Anstieg um fast ein Fünftel binnen einer Woche. Zwar kommen viele Krankenhauspatienten nicht wegen Covid-19 in die Klinik und die Gruppe der Krankenhauspatienten ist auch nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung. Doch sie wird weitaus umfassender getestet.

Sehen wir doch noch eine Winterwelle?

Die aktuelle Infektionswelle hat sich ungefähr seit dem Jahreswechsel aufgebaut. Angetrieben wird sie von den Virusvarianten XBB.1 und BQ.1.1, die auch in anderen Ländern zu steigenden Zahlen geführt haben. Die Dynamik ist aktuell allerdings nicht so ausgeprägt wie in den von der Omikronvariante (BA.5) verursachten Wellen des Jahres 2022 und auch weniger belastend für das Gesundheitssystem als frühere Wellen – vermutlich, weil die Bevölkerung mittlerweile durch Impfungen und überstandene Infektionen eine gute Immunität entwickelt hat.

Fasching und Karneval sowie das für Anfang März geplante Auslaufen weiterer Schutzmaßnahmen könnten das Infektionsgeschehen verstärken oder verlängern, schreibt das RKI. Die weitere Entwicklung sei vor diesem Hintergrund „schwer vorherzusagen“. Vor allem mit Blick auf die häufiger schwer betroffenen älteren Menschen sei Rücksichtnahme weiter wichtig, so das RKI. Dazu zählt insbesondere, bei Symptomen einer Atemwegsinfektion Kontakte vor allem zu älteren Personen zu meiden.