Die Sieben-Tage-Inzidenz in der Stadt Esslingen klettert weiter nach oben. Für die auffällig hohe Sieben-Tage-Inzidenz gibt es keine einfache Erklärung.

Esslingen - Sie steigt beharrlich an: Lag die Sieben-Tage-Inzidenz in der Stadt Esslingen am Donnerstag noch bei eh schon hohen 73,3, war die Zahl der in den vergangenen sieben Tage gemeldeten Neuinfektionen mit dem Coronavirus pro 100 000 Einwohnern am Freitag bereits auf 76,5 weitergeklettert, wie Rathaus-Sprecher Roland Karpentier unserer Zeitung sagte. Zu den zuvor 101 Infizierten sind innerhalb eines Tages zehn weitere hinzugekommen. 96 Personen, die mindestens 15 Minuten mit einem oder mehreren Infizierten in unmittelbarem Kontakt waren, wurden ermittelt und in die 14-tägige Quarantäne geschickt.

 

Nicht alle befolgen die neue Maskenpflicht

Das Leben im Hotspot Esslingen scheint sich bislang zwischen Gelassenheit und Fahrlässigkeit zu bewegen. Dem Augenschein nach waren am Freitag merklich weniger Passanten in der Innenstadt unterwegs als sonst, aber nur ungefähr die Hälfte von ihnen befolgte die Maskenpflicht, die seit Freitag im ganzen Landkreis für den öffentlichen Raum bebauter Gebiete gilt. Besonders locker sahen es die Schüler des Beruflichen Schulzentrums in Zell, die am Mittag in großer Zahl und dichten Reihen fast allesamt maskenlos zur S-Bahn-Station drängten.

Esslingen zählt bundesweit zu Corona-trächtigsten Kommunen

Dabei gilt die Inzidenz, die im gesamten Kreis Esslinger zuletzt bei 56,3 lag, als wichtigster Risiko-Indikator. 50 ist bekanntlich der Schwellenwert für die Einstufung zum Risikogebiet, mit über 70 zählt Esslingen bundesweit zu den Corona-trächtigsten Kommunen. Auf ähnliche Werte kommen nur der niedersächsische Kreis Cloppenburg (72,1), die Stadt Hamm (74,5) und die Berliner Bezirke Mitte (73,8) sowie Neukölln (133).

Ob nun das Ansteckungsrisiko in Esslinger tatsächlich höher ist als im übrigen Landkreis, bleibt fraglich. Die Prozentzahl der aktuell Infizierten jedenfalls – in Esslingen 0,11 Prozent der Einwohner – liegt etwa in Wernau (0,24 Prozent) oder Kirchheim (0,18 Prozent) höher, in einigen anderen Kreisgemeinden auf Esslinger Niveau oder leicht darüber.

Kein spezieller Esslingen-Faktor

Einen speziellen Esslingen-Faktor für die hohe Inzidenz in der Stadt sieht Karpentier nicht. Eine Rolle spielten, wie andernorts auch, Reiserückkehrer vom Balkan und aus der Türkei. „Wir haben Cluster“ – also Häufungen von Fällen – „in drei oder vier größeren Familien mit jeweils fünf bis zehn infizierten Personen.“ Karpentier zufolge stammen diese Familien aus den Balkanländern, haben dort Angehörige und besitzen teilweise auch Immobilien. Also sei es selbstverständlich, dass sie ihre Sommerferien in der ursprünglichen Heimat verbringen. Auch von den rund 8000 Menschen mit einem türkischen Migrationshintergrund, die in Esslingen leben, könnten sich Einzelne bei Türkei-Aufenthalten angesteckt haben. Über Familienfeiern habe sich das Virus in Esslingen weiter verbreitet, sagt Karpentier, hinzu komme der generell sorglosere Umgang mit der Situation seit dem Abflauen der ersten Hochphase: „Das Infektionsgeschehen ist inzwischen breit gestreut. Die Leute stecken sich am Arbeitsplatz an, im Verein oder wo auch immer.“

Kitagruppen und Schulklassen in Quarantäne

Zwei Kitagruppen sowie einzelne Klassen an acht Schulen aller Schularten wurden geschlossen, vier allein an der Zollberg-Realschule, berichtet Karpentier. Kinder, Schüler und pädagogisches Personal müssen für 14 Tage in Quarantäne.

Landrat Heinz Eininger hat unterdessen ein Amtshilfegesuch für den Einsatz von Bundeswehr-Kräften gestellt, bestätigt Pressesprecherin Andrea Wangner. Die Soldaten rücken freilich nicht mit dem Desinfektions-Schützenpanzer an, sondern leisten, wie schon von Mitte August bis Mitte September, Büroarbeit – hauptsächlich telefonierend, denn es geht um Kontaktnachverfolgung, sagt Wangner: „So exponentiell wie die Infektionszahl steigt der Personalaufwand. Wir haben dafür 50 Mitarbeiter aus der Kernverwaltung abgezogen, brauchen aber weitere Leute, die wir auf dem Arbeitsmarkt so schnell nicht bekommen.“