Fahrzeuge der Klein- und der Kompaktklasse sind für viele der Einstieg in den eigenen Neuwagen. Doch dieser Einstieg wird immer teurer, denn die Preise dieser Autos werden nicht nur durch die Inflation getrieben.

Automobilwirtschaft/Maschinenbau : Klaus Köster (kö)

Seit Jahrzehnten ist der VW Golf das beliebteste Auto der Deutschen.  Wer ihn als Neuwagen kauft, kann auch ohne Zusatzausstattung über 50 000 Euro ausgeben oder auch nur 20 000. Zumindest war dies bis vor einem Jahr so.

 

Inzwischen ist der Einstieg in die Golf-Baureihe wesentlich teurer geworden. Das günstigste Modell kostet inzwischen nicht mehr 20 700, sondern 29 560 Euro – ein Anstieg um mehr als 40 Prozent. Denn das Einstiegsmodell hat inzwischen nicht mehr 90, sondern 130 PS. „Wem auch 90 PS gereicht hätten, muss eine Motorisierung nehmen, die er gar nicht wollte und deutlich tiefer in die Tasche greifen“, erklärt der ADAC. Den Kleinwagen Polo habe es bis Anfang 2022 noch ab 15 995 Euro gegeben – nun starte er bei 19 925 Euro.

Hersteller setzen auf große Modelle

Die Entwicklung beim Golf ist symptomatisch für einen Branchentrend, der Käufern mit begrenztem Portemonnaie den Erwerb eines Neuwagens deutlich erschwert. Auch andere Hersteller dünnen ihre unteren Segmente aus und setzen verstärkt auf teurere und größere Baureihen. Ford streicht den Fiesta, Audi den A1 und den Q2. Bei Mercedes sollen in wenigen Jahren gar die A- und die B-Klasse verschwinden und gegen luxuriösere, teurere Modelle ausgetauscht werden.

„Die Chipkrise hat zu einer Verschiebung zugunsten der Autoindustrie geführt“, sagt Peter Fuß, Partner und Autoexperte bei der Unternehmensberatung EY. Angesichts des knappen Angebots hätten sie nicht nur die Preise erhöht, sondern sich auch verstärkt auf teurere, gewinnträchtigere Modelle ausgerichtet. „Viele Hersteller ziehen sich aus dem Kleinwagensegment zurück.“

Der Krieg in der Ukraine mit seinen Auswirkungen auf Energie- und Rohstoffpreise verstärkt diesen Trend. Und die Hersteller haben daran Geschmack gefunden. „Wir haben definitiv nicht die Absicht, die Listenpreise zu senken“, sagte Mercedes-Finanzchef Harald Wilhelm vor kurzem. Selbst wenn es zu einer Rezession kommt und die Nachfrage sinkt, werde man die hohe Gewinnspanne nicht mehr preisgeben. Im Zweifel werde man eher die Produktion zurückfahren als über Rabatte den Verkauf anzukurbeln.

E-Auto trägt zur Teuerung bei

Das E-Auto könnte den Trend noch verstärken. „Die Elektrifizierung wird Autos gegenüber vergleichbaren Modellen mit Verbrennungsmotor deutlich verteuern“, sagt Berater Fuß. Dies sei durch die hohe Förderung in Deutschland derzeit nicht so stark zu spüren. „Ohne die Förderung in Deutschland wären viele E-Autos so teuer, dass sie nur schwer zu verkaufen wären.“

Gerade bei Kleinwagen mit ihren engen Gewinnspannen schlügen die Mehrkosten für ein E-Fahrzeug deutlich zu Buche. „Ein elektrischer Antrieb ist selbst bei einer geringen Reichweite deutlich teurer als der vergleichbare Antrieb eines Verbrenners“, so Fuß. Dieses Problem sei für viele Hersteller „auf absehbare Zeit nicht lösbar“. Durch Kooperationen werde allerdings versucht, Kosten zu sparen – ein Trend, der noch lange anhalten werde. Andere zögen sich aus dem Kleinwagensegment zurück.

Ferdinand Dudenhöffer, Chef des Duisburger Forschungszentrums CAR, sieht kein schnelles Ende der hohen Preise bei E-Autos. Die Energiepreise blieben weiter auf hohem Niveau; und durch den schnellen Hochlauf des E-Marktes werde der Bedarf an Batterien stark steigen. Vorteilhaft sei allerdings, dass angesichts des Rückzugs mancher Hersteller aus dem Segment Lücken für andere entstünden. In südlichen Märkten sei der Bedarf an kleinen, erschwinglichen Autos nach wie vor hoch; und angesichts der hohen Stückzahlen winkten den Herstellern, die auf dieses Segment setzen, Skalenerträge – also Einsparungen durch große Produktionsmengen.

Ausgerechet aus China könnte Besserung kommen

Ausgerechnet ein Land, dem die deutsche Politik derzeit mit großer Furcht begegnet, könnte für die Verbraucher Entlastung bringen. „Viele chinesische Hersteller drängen gerade nach Europa“, sagt Fuß. „Das Interesse chinesischer Hersteller an einer Beratung über den Markteintritt in Europa ist derzeit riesengroß.“

Die Zeiten, da man über chinesische Hersteller milde lächeln konnte, seien vorbei. Sie seien heute hoch wettbewerbsfähig – beim Design ebenso wie beim Preis. Dazu trage auch bei, dass China Zugang zu wichtigen Rohstoffen habe, die beim Elektroauto von Bedeutung sind.

Chinesische Autos auf deutschen Straßen könne man sich heute kaum vorstellen. „In den USA erschien es einst ebenfalls unvorstellbar, dass japanische Kleinwagen den Markt erobern“, sagt Fuß. „Heute sind sie aus dem Straßenbild nicht mehr wegzudenken.“