Um junge Leute zu erreichen, setzen Unternehmen vermehrt auf Internet-Stars. Das Konzept nennt sich Influencer-Marketing. Werbeexperten schwärmen von den Reichweiten der jungen Sternchen.

Stuttgart - Es ist nicht ganz klar, ob Miüda die Reisen von Neckermann mehr mag als jene von beispielsweise Tui. Miüda ist eine französische Bulldogge mit eigenem Instagram-Account und so etwas wie das neue Gesicht der Online-Werbekampagne des Reiseveranstalters mit dem gelben Logo. Jeden Montag gibt es auf Facebook neue kurze Videoclips mit dem Mini-Hund, natürlich mit dementsprechend vielen Shares und Likes. Und „süß“ ist das Ganze sowieso.

 

Miüda ist eines der neueren Beispiele für ein Phänomen, das deutsche Unternehmen nur langsam für sich entdecken. Es nennt sich Influencer Marketing. Die Idee dahinter: Mit klassischen TV-Spots oder gar Print-Anzeigen erreicht man die jungen Leute von heute nicht mehr, denn die schauen lieber Youtube-Videos oder Bilder auf Instagram an. Dort gibt es digitale Meinungsführer, die so genannten Influencer, die besonders viele Follower haben und daher auch das digitale Publikum besser erreichen. Und wenn diese sympathischen Vorbilder ein Produkt empfehlen, dann ist das voll authentisch, denn sie stehen hinter den Produkten. So zumindest die Theorie.

Zum Youtube-Star mit Schminktipps und Blödeleien

Die bekannteste deutsche Influencerin ist Bianca Heinicke, eine 23-Jährige, die es mit Schminktipps und Best-of-Listen auf ihrem Youtube-Kanal „Bibis Beauty Palace“ auf mehr als 2,6 Millionen Follower gebracht hat. Auch sie wirbt für Neckermann, wer auf Youtube nach „Malediven“ sucht, findet zuerst ihr Video. Und für die Drogeriekette Dm hat sie einen eigenen Duschschaum herausgegeben, Duftnoten „Tasty Donut“ und „Creamy Mandarin“. Als sie bei Stefan Raab in der Sendung war, führte der sie vor. Man merkte, da prallen Welten aufeinander: hier die etablierte Dauerwerbesendung im TV dort die Youtuberin, die Leuten über 30 Jahren kaum ein Begriff ist. Werbeexperten träumen allerdings von Reichweiten, wie sie Bibi oder Miüda bei jungen Menschen haben.

Eine Umfrage unter ihnen hat ergeben, dass 2016 mehr als die Hälfte von ihnen gerne mit Youtube-Werbung experimentieren wollen. Andreas Bersch von der Digital-Agentur Brandpunkt ist sich sicher: „2016 werden wir in Deutschland den Markteintritt für Influencer Marketing erleben. Die Marketing-Budgets verschieben sich in diese Richtung.“

Experten träumen von den Reichweiten der Influencer

Laut Bersch hat Influencer Marketing mehrere Vorteile: das Budget ist kleiner, die Zielgruppe jünger und man deckt den digitalen Kanal mit einer besseren Reichweite ab, weil das Marketing inhaltlich betrieben ist. Soll heißen: Wenn Bibi Kosmetikprodukte bewirbt, erreicht sie damit auch jene, die sich dafür interessieren, sonst hätten sie ihren Kanal nicht abonniert. Oder wie es Martin Widenka, Social Media Manager und Kopf von Bibis Neckermann-Kampagne ausdrückt: „Unterschiedliche Influencer erreichen über unterschiedliche Kanäle unterschiedliche Zielgruppen.“ Bisher werben vor allem Hersteller von Sportartikeln, Lifestyle-Produkten oder Reiseveranstalter mit Influencern. Brandpunkt baut einen eigenen Pool an Influencern auf, um sie dann an Firmen zu vermitteln. Die Themen reichen von Kosmetik über Lifestyle, Sport und Kochen bis hin zu Reisen.

Einen Schritt weiter geht das Unternehmen Stilnest. Das „Verlagshaus für Designerschmuck“, wie es sich selbst nennt, überlässt nicht nur die Vermarktung den Influencern, sondern teilweise auch die Produktion. Schmuck-Designer und seit neuestem auch Influencer wie Modeblogger können in Zusammenarbeit mit Stilnest eigene Ringe, Ketten oder Ohrringe entwerfen, die dann im 3-D-Druckverfahren hergestellt und verschickt werden.

Seit Stilnest auch mit Influencern zusammenarbeitet, beispielsweise der in Modekreisen bekannten Bloggerin Anna Saccone aus England oder der Youtuberin Nilam Faruq, habe sich auch der Umsatz des Berliner Unternehmens stark gesteigert, sagt Tim Bibow, einer der Gründer. Dabei sei inhaltlich getriebenes Marketing über Influencer schwerer steuerbar als klassische Bannerwerbung. „Das kann erfolgreich sein, aber auch komplett in die Hose gehen“, sagt Bibow.

Schleichwerbung schadet der Authentizität

Einen Vorwurf, den sich Influencer öfter anhören müssen, ist den der Schleichwerbung beziehungsweise Produktplatzierung. Für Andreas Bersch von Brandpunkt ist das „die Zerreißprobe, vor der wir alle stehen“. Er plädiert für eine klare Kennzeichnung der Werbung. Für Martin Widenka ist außerdem wichtig, dass die Influencer „nur Marken und Produkte bewerben, von denen sie überzeugt sind“, denn sonst würde die Authentizität leiden und das ist das Kapital der Influencer: „Heute halte ich ein Samsung Handy in die Kamera, morgen ein Sony, das ist nicht authentisch.“ Auch die Unternehmen sollten sich allerdings die Frage stellen, ob man nur wegen der Reichweite kooperiert oder vorrangig wegen der Inhalte und der Ästhetik des Kanals.

Das Hündchen Miüda soll im Februar übrigens wieder Teil einer großen Neckermann-Kampagne werden. Es soll um Luftballons gehen – mehr darf aber noch nicht verraten werden.