Judith Scheytt ist 17 Jahre alt und setzt sich für Klimaschutz und Menschenrechte ein. Für ihr Engagement wurde sie im Juni von Landtagspräsidentin Muhterem Aras ausgezeichnet. Was motiviert die Schülerin?

Digital Desk: Gülay Alparslan (alp)

Sie ist gerade einmal 17 Jahre alt und sehr zielstrebig. Das Vorurteil, Jugendliche seien gleichgültig gegenüber politischen und gesellschaftlichen Themen, widerlegt sie eindrucksvoll. Judith Scheytt kommt aus der Region Stuttgart und nutzt ihre Social-Media-Kanäle auf TikTok und Instagram, um journalistisch aufbereitete politische Inhalte zu teilen, von denen selbst gestandene Journalisten noch lernen können. Auf Instagram hat die Gymnasiastin über 26.000 Follower, darunter prominente Persönlichkeiten wie die US-amerikanische Schriftstellerin Deborah Feldman, der Stuttgarter Stadtrat Luigi Pantisano und TV-Comedian Kaya Yanar.

 

Klimaschutz und Klimagerechtigkeit liegen der 17-Jährigen besonders am Herzen. Für ihr politisches Engagement wurde sie im Juni dieses Jahres von Landtagspräsidentin Muhterem Aras ausgezeichnet. Was bewegt Judith Scheytt, sich politisch zu engagieren? Und wie kam es zu der Auszeichnung im Landtag?

Ihr politisches Interesse wurde zum Teil im Elternhaus geprägt. „Bereits meine Mutter nahm mit meinem Großvater an Anti-Atomkraft-Protesten teil. Später hat mich meine Mutter zu den Stuttgart21-Demos mitgenommen. Ich bin also in dem Bewusstsein aufgewachsen, dass Demonstrationen ein ganz normaler Ausdruck demokratischen Interesses sind, wo ich meine eigene Meinung äußern kann“.

Im Organisationsteam der Fridays for Future Ortsgruppe Stuttgart

Die Auszeichnung im Landtag erhielt Judith im Rahmen eines Schülerwettbewerbs, an dem sich jedes Jahr Jugendliche aus ganz Baden-Württemberg beteiligen können. Gemeinsam mit einer Mitschülerin nahm Judith einen Podcast zum Thema „Letzte Generation“ auf und belegte damit den ersten Platz. Als Anerkennung für ihre Arbeit erhielt sie neben einer Urkunde eine Reise in die tschechische Hauptstadt Prag.

Doch auch schon vor dem Wettbewerb setzte sich Judith Scheytt intensiv mit dem Klimaschutz und der Klimakatastrophe auseinander. So war sie im Organisationsteam der Fridays for Future Ortsgruppe Stuttgart. Beim Umweltschutz könne man unterschiedlicher Ansicht sein, aber am Ende werde es keine zwei Meinungen geben. „Wenn sich die Klimakrise in Deutschland wirklich zuspitzt, wird es schnell auch zu gewalttätigen Ausschreitungen kommen – das prognostizieren bereits Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Meiner Ansicht nach wird diese Gewalt dann von anderen gesellschaftlichen Gruppen als von Klimaaktivisten ausgehen.“

Dass das Interesse an politischen Themen bei einem Teil der jungen Bevölkerung weniger ausgeprägt ist, führt die Schülerin auch auf das Schulsystem zurück. Dieses sei auch in anderen Bereichen nicht darauf ausgelegt, Interessen oder Stärken zu fördern, geschweige denn Schülerinnen und Schüler in dem zu bestärken, was sie gut können oder was ihnen Spaß macht.

Klimaschutz und Menschenrechte sind untrennbar miteinander verbunden

Besonders die Corona-Krise habe deutlich gemacht, wie hoch die Zahlen von Depressionen und Burnouts unter jungen Menschen sind. Ihre Generation habe mit vielen Krisen und Katastrophen zu kämpfen. Damit umzugehen sei schwierig - vor allem in einem Schulsystem, das kaum auf die Interessen der Schülerinnen und Schüler eingehe. „Wie soll man für Themen und Interessen brennen, wenn es einem sowieso schon nicht gut geht?“, so Judith.

Ein weiteres Thema, das der Schülerin besonders am Herzen liegt, sind Menschenrechte. Klimaschutz und Menschenrechte sind für sie untrennbar miteinander verbunden. „Da geht es sowohl um Geschichte als auch um Zukunft. Bei Klimagerechtigkeit geht es primär um koloniale Ausbeutung, die auch heute noch stattfindet. Deswegen bin ich auch zur Menschenrechtsaktivistin geworden“, erklärt Judith und fügt hinzu: „Ich kann nicht Klimaschutzaktivistin sein, ohne gleichzeitig Menschenrechtsaktivistin zu sein“. Jede Person, die sich für Menschenrechte einsetzt, setze sich damit auch für Klimaschutz ein. Deshalb lautet ihr Motto auch „Alles hängt zusammen“.

In den letzten Monaten haben sich ihre Videoinhalte zunehmend auf den Nahostkonflikt konzentriert. Vor allem nach den Ereignissen vom 7. Oktober begann sie, Videos über Gaza zu drehen, weil ihr klar wurde, dass es um mehr als nur den Konflikt dort ging. Das Völkerrecht stehe auf dem Spiel.

Der Schutz aller Menschen muss auf gleicher Ebene stehen

„Das Problem an der Nazizeit war meines Erachtens, dass eine ganze Gesellschaft kollektiv einer staatlichen Macht ihr Vertrauen und ihre Treue versprochen hat – und diese Treue nicht gebrochen hat, bis sie von anderen militärischen Mächten dazu gezwungen wurde“. Die Entstehung und der Schutz des Völkerrechts sei eine direkte Folge der NS-Zeit.

Judith habe daraus für sich den Schluss gezogen, „niemals bedingungslos einer herrschenden Macht die Treue zu schwören, sondern das Völkerrecht zu verteidigen“. Das sei praktisch die Essenz von „nie wieder“.

Viele Deutsche hätten ihrer Meinung nach nie wirklich begriffen, was in der NS-Zeit falsch gelaufen sei. Auch das Prinzip des Völkerrechts sei vielen nicht bewusst. Sie erinnert sich an eine Diskussion in der Schule, in der eine Mitschülerin sagte, man müsse besonders jüdische Menschen schützen. Das sei problematisch, denn zum einen schließt es die anderen Opfergruppen des Holocaust aus, wie zum Beispiel Sinti und Roma, und zum anderen sei genau das das Fatale am Nationalsozialismus gewesen, nämlich „dass man gesagt hat, die einen stellt man höher, die anderen niedriger“. Dabei müsse aber der Schutz aller Menschen auf gleicher Ebene stehen.

Für manche Freunde ist Judith die Hauptinformationsquelle

Im Völkerrecht darf es keine unterschiedlichen Meinungen und keine Grauzone geben. Das Völkerrecht habe seine Unbedingtheit, an der nicht gerüttelt werden dürfe und es gilt bedingungslos für alle Menschen auf der Welt. Folglich könne es den Israelis nur gut gehen, wenn es auch den Palästinensern gut gehe.

Neben der Schule und ihren Social-Media-Auftritten bleibt wenig Zeit für andere Dinge. Dennoch ist der Social-Media-Content für Judith unverzichtbar, denn „wenn die Klimakrise eskaliert oder wenn Krieg ausbricht, bringt mir mein Abitur ziemlich wenig“, erklärt Judith. Außerdem sei es schön, Aufklärungsarbeit zu leisten und Freunde für politische Themen zu interessieren. „Manche meiner Freunde sagen, dass ich praktisch ihre Hauptinformationsquelle bin, was Gaza angeht“, so die 17-Jährige. In ihrem Freundeskreis werde zu Hause nicht über das Thema nicht gesprochen.

Eine klare Vorstellung von ihrer Zukunft hat Judith auch schon: Nach dem Abitur will sie Internationales Recht studieren. Längerfristig sieht sie sich als Journalistin.