Die grün-rote Landesregierung hat am Dienstag das Informationsfreiheitsgesetz auf den Weg gebracht. Was sperrig klingt, soll den Baden-Württembergern helfen, leichter an Informationen von Behörden zu kommen. Doch bei Gericht und Strafverfolgung gibt es klare Grenzen.
Stuttgart - Bürger in Baden-Württemberg sollen künftig leichter an Informationen von Behörden kommen. Das grün-rote Kabinett brachte am Dienstag in Stuttgart einen Entwurf für ein sogenanntes Informationsfreiheitsgesetz auf den Weg. „Voraussetzung für eine erfolgreiche Bürgerbeteiligung ist letztlich, dass die Bürgerinnen und Bürger auch die notwendigen Informationen haben, um sich fundiert einbringen zu können“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Mit einem weiteren Gesetzesentwurf will das Kabinett auch die Hürden bei der direkten Demokratie auf kommunaler Ebene senken.
Mit dem Informationsfreiheitsgesetz sollen Bürger grundsätzlich zu unterschiedlichsten Aufzeichnungen - von Papierakten über elektronische Formate bis zu Videos - Zugang bekommen. Bei dem Entwurf habe sich das Kabinett vor allem an dem Bundesgesetz orientiert, sagte Kretschmann. In Baden-Württemberg müssten die Behörden die angefragten Informationen aber schneller zur Verfügung stellen: innerhalb von einem Monat, in Ausnahmefällen von drei Monaten. Im Bundesgesetz handele es sich nur um eine Soll-Regelung.
Gerichte, Verfassungsschutz und Strafverfolgungs- und Strafvollstreckungsbehörden ausgenommen
Baden-Württemberg ist eins der wenigen Bundesländer, die noch kein Informationsfreiheitsgesetz haben. Besonders sensible Bereiche, etwa Gerichte, der Verfassungsschutz oder Strafverfolgungs- und Strafvollstreckungsbehörden, werden aber von dem neuen Auskunftsrecht ausgenommen. Zudem können Gebühren für die Informationen verlangt werden. Rund 80 Prozent der Anfragen an das Land werden aber voraussichtlich kostenfrei sein, sagte Innenminister Reinhold Gall (SPD). Auch sollen Landesbehörden künftig mehr Informationen von sich aus im Internet präsentieren.
Das neue Gesetz liegt vor allem den Grünen am Herzen. Die SPD hat dagegen lange mit dem Vorhaben gehadert. Die Sozialdemokraten befürchteten, Bürger könnten mit ihren Wünschen auf Auskunft ganze Verwaltungen lahmlegen. Dem Verein „Mehr Demokratie“ hingegen geht der Entwurf nicht weit genug: Die positiven Erfahrungen anderer Bundesländer mit weitgehenden Einsichtsrechten für Bürger seien an vielen Stellen nicht berücksichtigt worden. Die Landesregierung schütze die Interessen der Wirtschaft vor Einsichtsfragen der Bürger.
Änderung der Kommunalverfassung
Das Kabinett hat auch einen Gesetzesentwurf zur Änderung der Kommunalverfassung festgezurrt. Vorgesehen ist unter anderem, dass eine Bürgerinitiative für ein Bürgerbegehren künftig nur noch die Unterschriften von mindestens sieben Prozent der Wahlberechtigten sammeln muss - zuvor waren es zehn Prozent.
Beim folgenden Bürgerentscheid muss nunmehr eine Zustimmung von 20 Prozent der Stimmberechtigten erreicht werden, anstatt bisher 25 Prozent. Zudem sehe der Entwurf vor, die Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen sowie von Ausländern zu stärken, sagte Gall.
Die für Bürgerbeteiligung zuständige Staatsrätin Gisela Erler (Grüne) sagte, dass einige - so auch Kretschmann - sich niedrigere Quoren bei dem Bürgerbegehren und -entscheid gewünscht hätten. Der Entwurf sei aber ein Kompromiss, der von allen Parteien getragen werde. Zudem betonte sie, dass trotz dieser Regelung der Bürgerentscheid nicht der Normalfall von Entscheidungen im Gemeinderat sein werde. Anstatt alle 40 bis 50 Jahre sei künftig alle 20 bis 30 Jahre ein Bürgerentscheid zu erwarten. Die Reform werde noch diese Woche im Landtag eingebracht und nach der Sommerpause beraten.
Die Pläne stießen bei der Opposition und den Kommunen auf scharfe Kritik. Der kommunalpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Karl Klein, sprach von einer Bevormundung der Kommunen durch die Landesregierung und von einem massiven Eingriff in die innere Selbstverwaltung. Auch der Gemeindetag kritisierte, der Entwurf schwäche kommunale Gremien in ihrer Entscheidungsfreiheit. Zwar akzeptiere man die Absenkung der Quoren bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden. Die Änderung der Gemeindeordnung sei aber eine Gängelung, teilte Gemeindetagspräsident Roger Kehle (CDU) mit.