Das Unternehmen Netze BW untersucht, wie bei einer kommenden Masse von Elektroautos das Stromnetz gestaltet werden muss. Teure Kabelverlegungen sollen vermieden werden.

Stuttgart. - Bald sollen in Deutschland Millionen Elektroautos rollen. 34 Modelle weist die Fördertabelle des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle heute aus. Von 2020 an, wenn die Hersteller ihre Palette erweitern, wird mit einer rasanten Zunahme der Stromer gerechnet. Die neue Mobilität stellt die Netzbetreiber vor eine Herausforderung. „Die Frage ist, ab wann das Stromnetz an seine Grenze gelangt und wie wir Leistung bereitstellen können, ohne die Straßen aufreißen zu müssen“, sagt Martin Konermann, Geschäftsführer der Netze BW.

 

Keine Frage ist für Konermann, dass das E-Auto die Zukunft bestimmt. Sonst seien die Reduktionsziele beim Klimakiller Kohlendioxid nicht zu erreichen. Die Industrie hat ihre Ansprüche an die Stromkonzerne bereits formuliert. BMW, Daimler, Ford, VW, Porsche und Audi wollen an den Autobahnen ein Ladenetzwerk, das bis zu 350 Kilowatt (kW) Ladeleistung liefern kann. Die Zeit zum Nachtanken schmilzt dann auf wenige Minuten. Üblich sind heute bis zu 50 kW. „Auch Tesla möchte 300 bis 350 Kilowatt“, sagt Konermann. Induktives, also berührungsfreies Aufladen wie bei der elektrischen Zahnbürste, wird auch gefordert. Daimlers S-Klasse soll das ab 2017 können. Das lästige Kabel fiele dann weg.

Netze BW und die Uni arbeiten zusammen

Netze BW, das Tochterunternehmen der Energie Baden-Württemberg AG untersucht zusammen mit der Uni Stuttgart in Netz-Laboren im Land, wie die Infrastruktur für die neue Anforderung gestaltet werden muss. Und wie Spitzenlasten vermieden werden können. Anschauungsmaterial liefern am EnBW-Standort Stöckach 27 E-Golf. Die Flotte kann für einen Straßenzug stehen, in dem sich viele Anwohner für ein Elektroauto entschieden haben.

Was geschieht, wenn die Stromer am Abend mit leerer Batterie an die Ladesäule gestöpselt werden? „Durch das ungesteuerte Laden kommt es zu Spitzenlasten auf unterschiedlichen Phasen, diese belasten das Stromnetz“, sagt Projektleiter Eric Junge. Auch Netzstörungen durch sehr kurze Spannungseinbrüche beim Anschluss der Autos wären möglich. Ist eine Phase stark belastet, soll das System künftig auf unbelastete umschalten. Konermann rechnet in großen Mietshäusern und Parkhäusern mit Problemen, weil dort das bestehende Stromnetz für künftige E-Auto-Flotten nicht ausreichen wird. Um den teuren Infrastruktur-Ausbau zu verschieben oder zu vermeiden könnte die Ladung gesteuert werden. Die Autos würden also nicht gleichzeitig, sondern in Gruppen oder nacheinander betankt.

Große Batteriespeicher als Puffer

Oder aber, und das will Netze BW im kommenden Jahr im Stöckach testen, die Spitzenlast würde über einen Batteriespeicher aufgefangen. Er könnten in Zeiten geringer Nachfrage mit überschüssigem Wind- oder Solarstrom gefüllt werden und dann die Spitzenanforderung an das Netz abfedern. „Damit könnten wir Zeit gewinnen bis zu einem Ausbau“, so der Geschäftsführer. „Köpfchen statt Kupfer“, sei gefragt, sagt Konermann, damit die Kosten für den Leitungsausbau nicht in schwindelerregende Höhen steigen. Zwar unterstützt die Bundesregierung den Aufbau von Ladepunkten mit einmalig rund 300 Millionen Euro und Kommunen mit 35 Millionen Euro pro Jahr, die E-Mobilität soll aber nicht auf Dauer zum Kostgänger werden.

Neues Geschäftsfeld

Netze BW sieht in der Entwicklung ein zukunftsfähiges Geschäftsfeld. Für den Autobahn-Raststättenbetreiber Tank und Rast werden 34 Ladesäulen aufgebaut, außerdem können Netzbetreiber beraten werden.