Tut der Grüne Minister Winfried Hermann zu wenig für den Bahnverkehr im Land? Der Kritik setzt er sein Engagement für die Hesse-Bahn Calw–Renningen entgegen. Noch fehlt allerdings die Zuschusszusage.

Stuttgart/Calw - Ein prima Projekt, aber es fehlt am Geld – mit dieser Botschaft aus dem Stuttgarter Verkehrsministerium wurde mancher bedacht, der sich für eine bessere Infrastruktur der Schiene einsetzte. Jetzt weckt Minister Winfried Hermann (Grüne) neue Hoffnung. „Wir machen gerade einen Kassensturz, und danach sehen wir, was doch möglich ist“, sagt er. In den nächsten Wochen soll für die Schiene zum ersten Mal eine Priorisierungsliste aufgestellt werden. Ganz oben möchte Hermann die Reaktivierung der Hermann-Hesse-Bahn sehen, die Calw mit Weil der Stadt und Renningen im Kreis Böblingen verbindet. „Ich mache Hoffnung“, sagte der Minister der Stuttgarter Zeitung, 2014 solle die Entscheidung fallen. Möglich wäre ein Baubeginn 2015, erste Züge könnten auf den noch vorhandenen Gleisen 2017 rollen.

 

„Wir müssen alles tun, um den Nahverkehr im ländlichen Raum zu sichern“, sagt Hermann. Angesichts des demografischen Wandels müsse gerade der Landkreis Calw um seine Zukunft kämpfen. Um die Abwanderung zu verhindern, sei ein Schienen-Anschluss zu den Ballungsräumen Böblingen/Sindelfingen und letztlich Stuttgart ganz besonders wichtig.

Hermanns Antwort auf die Kritik

Hermanns Worte sind als Befreiungsschlag zu verstehen. Denn unter Eisenbahnplanern und auch von einigen seiner Parteifreunde war zuletzt immer öfter zu hören, dass man von einem grünen Minister mehr erwartet hätte. Unter der alten Koalition wurden viele Züge aufs Gleis gebracht, der Schienenpersonennahverkehr zum Erfolgsmodell. Hermann redet viel über eine rosige Zukunft – sofern das Land nach einem Ausschreibungsmarathon für dasselbe Geld mehr Bahnverkehr auf die Reise schicken kann. Derzeit kann Hermann bei Projekten nur mitteilen: „Wir konnten verhindern, dass Strecken stillgelegt werden“. Verblüffend dabei ist, dass der Grüne für den Straßenbau mehr auf den Weg gebracht hat als für die Schiene.

Bahnprojekte werden aus zwei großen Töpfen gefördert, entweder direkt vom Bund durch das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG), oder direkt vom Land aus einem Topf, der sich Landes-GVFG nennt. Der Bund stellt sein Geld bis 2019 bereit. Hermann will mit einigen Länderkollegen über den Bundesrat eine Verlängerung dieses Programms durchsetzen. Bis etwas entschieden ist, wird noch einige Zeit vergehen. Das kann auch mit dem Wechsel an der Spitze des CSU-geführten Bundesverkehrsministeriums von Peter Ramsauer zu Alexander Dobrindt zu tun haben, von dem der Grüne aus Stuttgart wenig begeistert ist: „So ein anspruchsvolles Ministerium hat es verdient, dass nicht pausenlos Leute hineingesetzt werden, die zuvor mit Verkehrspolitik nichts zu tun hatten“. Bis 2019 stellt der Bund insgesamt 2,5 Milliarden Euro für die Infrastruktur der Schiene bereit. Aber es sind Projekte für 4,4 Milliarden Euro angemeldet. Hermann will wegen dieser „Überbuchung“ nur zehn Projekte vorschlagen. Dabei sind der Stadtbahn-Ausbau im Rhein-Neckar-Raum, Freiburg, Heilbronn, Ulm und Stuttgart. Nicht auf der Liste steht das bundesweit größte deutsche Nahverkehrsprojekt, die Regionalbahn Neckar-Alb der Landkreise Tübingen, Reutlingen und dem Zollernalbkreis. „Erst wenn absehbar ist, dass über 2019 hinaus Geld fließt, haben weitere Projekte eine Chance“, betont Hermann.

Vision von der Direktverbindung Calw–Stuttgart

Das Land kann nur solche Projekte direkt fördern, die nicht mehr als 50 Millionen Euro kosten. Nach einigem „Abspecken“ fallen sowohl die Elektrifizierung und Modernisierung der Schönbuchbahn von Böblingen nach Dettenhausen als auch die Hermann-Hesse-Bahn in diese Kategorie.

Die alte württembergische Schwarzwaldbahn, die lange vor der Gäubahn Stuttgart mit dem Schwarzwald, Bodensee und sogar Zürich verband, trägt seit kurzem den Namen des Dichters aus Calw. Der Streckenabschnitt Stuttgart–Weil der Stadt wurde schon 1939 elektrifiziert, das schwächte den weiterführenden Teil der Strecke. 1983 wurde der Personenverkehr Calw–Weil der Stadt schließlich eingestellt, Weil der Stadt war bereits 1978 ans Stuttgarter S-Bahn-Netz angeschlossen worden. Immerhin gab es noch in den 60er Jahren durchgehende Züge von Calw nach Stuttgart. Eisenbahnvisionären schwebt vor, dass man wieder ohne Umsteigen von der Schwarzwaldkreisstadt in die Landeshauptstadt fahren könnte. Nicht als Konkurrenz zur S-Bahn, sondern als – schnellere – Ergänzung. Einen ähnlichen Parallelverkehr gibt es auf den Strecken von Ludwigsburg, Plochingen, Backnang oder Schorndorf nach Stuttgart. In der anderen Richtung ist die Kulturbahn Calw–Nagold–Horb–Tübingen mit viel Aufwand modernisiert worden, obwohl sie für Pendler keinesfalls die Bedeutung hat wie die Hesse-Bahn.

Am besten die zukunftsfähige Elektrifizierung

Von Regioexpresszügen von Rottweil über Calw nach Stuttgart will Winfried Hermann noch nichts wissen. Zunächst soll es bis Renningen gehen. Mit Dieseltriebwagen ließen sich Kosten sparen, doch der Minister will lieber an Haltepunkten Abstriche machen als auf die zukunftsfähige Elektrifizierung mit entsprechenden Zügen zu verzichten. Die Planungshoheit liegt auf kommunaler Seite. Nach Hermanns neuen Förderrichtlinien beim Landes-GFVG ist aber auch klar, dass die Zuschüsse des Landes für das 50-Millionen-Euro-Projekt nur 50 Prozent ausmachen und nicht wie vor Ort erhofft 70 oder 75 Prozent. Der Minister nimmt an, dass der Landkreis Calw seinen Anteil stemmen wird und Skeptiker aus dem Kreis Böblingen die Umsetzung der Pläne nicht verhindern werden. Momentan kann Hermann „noch keine Finanzierungszusage machen“. Dich das soll sich alsbald ändern.