Sünden der Stadtplanung in Innenstädten können durchaus behoben werden. Ein Versuch in Esslingen verspricht Erfolg zu haben.

Die Innenstädte in Deutschland veröden. Der Trend hält schon lange an und beschleunigte sich während der Coronapandemie noch mehr. Eine außergewöhnliche Straße in Esslingen zeigt, dass es auch anders gehen kann.

 

Was ist das Problem?

Viele Städte, insbesondere die kleineren, haben ein Problem: Ihre Zentren verlieren an Attraktivität. Dem Einzelhandel geht es oft nicht gut. Beschleunigt durch die Coronapandemie und den immer wichtiger werdenden Online-Handel geben viele Geschäfte auf. Einige Inhaber schließen aus Altersgründen – und finden keine Nachfolger. Mit diversen Förderprogrammen versuchen Bund und Länder dem Trend entgegenzuwirken. Aber auch die Städte selbst geben Gas, wie ein Beispiel aus Esslingen zeigt.

Das Thema Innenstadt steht weit oben auf der Agenda im Rathaus. Oberbürgermeister Matthias Klopfer, seit etwa einem Jahr im Amt, erklärte 2022 zum Jahr der Innenstadt. Bürger wurden befragt, Experten trafen sich, Ideen wurden gesammelt. Angesichts der Krisen und der damit einhergehenden schwierigen Haushaltslage – alles muss auf den Prüfstand – wurden auf die Schnelle einige kleine, aber wirkungsvolle Wohlfühlprojekte verwirklicht, die vor allem die Sommerhitze lindern sollten: Trinkwasserbrunnen, Schattenplätze, mehr Raum für die Außengastronomie am Marktplatz. Aber natürlich geht es um sehr viel mehr. In einer Straße spiegeln sich Problemlage und Lösungsansätze wie an keiner anderen Stelle der Stadt.

Warum steht die Küferstraße symbolisch für Niedergang und Aufstieg?

Die Esslinger Innenstadt entwickelt sich westwärts. Rund um den Bahnhof und westlich davon wird viel gebaut, deshalb fehlt das typische Altstadtgesicht. Den romantischen alten Gassen weiter östlich, die zum Image der Stadt als altehrwürdig-romantische Reichsstadt beitragen, droht dagegen die Vergessenheit. Hier liegt auch die Küferstraße – sie gehört zu den besonderen Einkaufsstraßen Esslingens, weil sie ein eigenes Flair hat. Es ist eng, aber nicht zu eng, sodass die Kundinnen und Kunden zwar das heimelige Gassengefühl haben, aber noch immer unter alten Straßenlampen gemütlich schlendern können, ohne sich zwängen zu müssen. Bereits vor Jahren setzte hier eine Renaissance ein, vor allem inhabergeführte Geschäfte und Cafés zeugen davon. Auch die Umgebung – viele Gassen und lauschige Plätze – hat Mittelalterflair.

Es gibt eine Menge interessante und inhabergeführte Läden in der Straße. Nur ein Beispiel: Poppinski verkauft Produkte aus Baden-Württemberg, es ist aber auch ein Treff mit Hinterhof, wo man einen Cappuccino trinken und plaudern kann. Manchmal findet hier auch eine kleine Kulturveranstaltung statt. Zudem pflegt Poppinski eine „Anprobierstation“ von Wasni. Wasni wiederum ist ein Hersteller von individuell gefertigten Hoodies, der gerade einen Landespreis gewonnen hat. Die sehr stark sozial und ökologisch orientierte Hoodie-Manufaktur wurde in der Küferstraße groß, hat hier ihre Anfänge. Sie wurde aber zu groß und produziert jetzt in einer Fabrikhalle im Arbeiterstadtteil Mettingen.

Was tut die Stadt für die Küferstraße?

Die Stadtverwaltung und die Gemeinderäte unterstützen das Projekt Küferstraße und nennen sie Innovationsmeile. Die Stadt mietete unter anderem ein leer stehendes Geschäft an und etablierte dort mit der Hilfe des Vereins Makers League eine Anlaufstelle für Gründer und Unternehmer mit Ideen, die sich mit Gleichgesinnten austauschen möchten.

Wie wird das Projekt bewertet?

Kristallisationspunkt der Innovationsmeile Küferstraße ist das Makers Inn im Gebäude Nummer 46, das die städtische Wirtschaftsförderung malerisch als „zentralen Startpunkt auf ihrer Reise durch die Esslinger Kreativ- und Gründerszene“ bezeichnet. Hier hat die 2020 gegründete Makers League ihren Sitz, ein Verein, der sich als Gemeinschaft für Macherinnen und Macher sieht. „Wir entdecken, was in uns steckt, und setzen Kräfte frei“, lautet das Motto. Die Bürgerinnen und Bürger in Esslingen erkennen die Veränderungen. Lange Zeit galt die Küferstraße als Symbol des Niedergangs. Das hat sich gewandelt.

Was steht der Umwandlung in eine Innovationsmeile entgegen?

Vieles passiert noch auf der verbalen Ebene – Absichtserklärungen, Workshops und Bürgerbefragungen. Dennoch: Die Bemühungen der Beteiligten sind sichtbar, ebenso die Versuche, eine positive Stimmung zu erzeugen. Ein Gang durch die Küferstraße offenbart: Individualität und Originalität sind hier zu Hause. Aber das Quartier ist noch nicht an dem Punkt, dass man unbedingt sagen könnte: Das gibt es nur hier, das haut mich um, hier muss ich wieder hin. Ob die Straße noch stärker an Glanz gewinnt, ohne ihren Charme zu verlieren, hängt sehr viel mit der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung zusammen. Lassen die zahlreichen Krisen noch Raum für wagemutige Kleinunternehmer, die sich aus der Masse herausheben wollen? Und: Kann die Stadt noch eine Schippe drauflegen, um diese Entwicklung zu forcieren?