Eine neue Studie wirft CDU und SPD eine verfehlte Verkehrspolitik vor. Die schwarz-rote Koalition konterkariere ihre eigenen Klimaziele durch die finanzielle Entlastung der Lkw-Spediteure und trage so zum Schrumpfen des Frachttransports auf der Schiene bei.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Insgesamt 66 Stunden, bis zum Freitagmorgen, haben die Lokführer den Güterverkehr der Deutschen Bahn bestreikt. Im Personenverkehr waren die Streiks der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) am Donnerstagabend nach 43 Stunden beendet. Gerade die Streiks im Güterverkehr treffen den Staatskonzern und seine Kunden ins Mark, denn wichtige Warenlieferungen verspäteten sich dadurch massiv. Der Deutsche Speditions- und Logistikverband kritisiert die viertägigen Streiks deshalb als „verantwortungslos“. Der Verkehrsträger Schiene werde nachhaltig geschädigt.

 

Nach Bahn-Angaben lief der Schienenverkehr am Freitagmorgen wieder „weitgehend stabil“. Im Personenverkehr sei es nur noch vereinzelt zu Ausfällen und Verspätungen gekommen. Doch der Ärger der Kunden hält an, vor allem bei denjenigen, die durch den Streik ihre Logistik umorganisieren mussten. Gerade die Zuverlässigkeit von Transporten gilt schließlich als eine Stärke des Schienengüterverkehrs. Dessen Ausbau und Förderung ist das erklärte Ziel von Bundesregierung und EU-Kommission. Brüssel will bis 2030 mindestens 30 Prozent und bis 2050 sogar 50 Prozent des Straßenverkehrs über 300 Kilometer Entfernung auf die umweltfreundliche Schiene verlagern. So steht es im Weißbuch von 2011. Bisher ist das aber bloßes Wunschdenken. Die Entwicklung ist exakt gegenläufig.

Der Lkw-Verkehr wächst, der Schienenverkehr schrumpft

Zwischen 2000 und 2012 schrumpfte der Marktanteil der Güterbahnen in den EU-Mitgliedsstaaten von 19,7 auf 18,2 Prozent. In Deutschland waren es voriges Jahr laut Statistischem Bundesamt sogar nur 17,1 Prozent (2013: 17,5 Prozent). Die Transportleistung auf der Schiene sank deutlich, während der Lkw-Verkehr in wuchs. Die schwindende Bedeutung des Schienengüterverkehrs zeigt sich auch daran, dass seit 1994 mehr als 70 Prozent der Frachtgleise zu Firmen entfernt wurden.

Eine neue Studie im Auftrag der Interessengemeinschaft der Bahnspediteure (IBS) kommt nun zum Ergebnis, dass die Bundesregierung diese Erosion selbst maßgeblich verursacht. Seit Jahren kämpfen demnach die Güterbahnen mit Kostensteigerungen, die politisch bedingt sind – während die Lkw-Spediteure seit Jahresbeginn sogar von einer Senkung der Lkw-Maut profitieren. Die Politik konterkariere ihre eigenen Klima- und Verlagerungsziele, kritisiert der Autor der Studie, der Verkehrswissenschaftler Paul Wittenbrink.

Branche kritisiert staatlich verordnete Kostensteigerungen

Die Kosten des Schienengütertransports könnten bis 2020 insgesamt um ein Fünftel steigen, warnt der Experte. Ursache seien zum einen verschärfte Sicherheits- und Lärmschutzanforderungen bei Güterwagen, welche die Kosten allein in diesem Bereich um bis zu 40 Prozent nach oben treiben könnten. Zudem könnten weiter steigende Trassenpreise für die Nutzung der Infrastruktur sowie die Mängel im bundeseigenen Schienennetz hier einen zusätzlichen Aufwand von bis zu 20 Prozent verursachen. Hinzu kämen höhere Stromkosten wegen der Energiewende sowie zusätzliche Kosten durch das teure europäische Zugsicherungssystem ETCS.

„Die Schmerzgrenze ist erreicht“, kritisiert IBS-Chef Olaf Krüger. Schon jetzt müsse man Züge zu 90 Prozent auslasten, um noch Gewinne zu erzielen. Weitere staatlich verordnete Kostensteigerungen von bis zu 20 Prozent seien nicht mehr zu verkraften. Die Güterbahnen dürften im Wettbewerb mit dem Lkw nicht länger benachteiligt werden. Das fordert auch Dirk Flege, Chef der Allianz pro Schiene. Der Bund schwäche mit der „politischen Fehlsteuerung“ seine eigene Klimapolitik. Die Treibhaus-Emissionen des Verkehrs seien immer noch so hoch wie 1990, während es bei Industrie und privaten Haushalten stetige Verbesserungen gebe. Als ersten Schritt zu mehr Nachhaltigkeit fordert Flege eine Senkung der Stromsteuer für die Bahn. In anderen EU-Ländern sei das längst umgesetzt und der Schienenverkehr so etwas entlastet worden.