Nach der Coronapause sind 2raumwohnung mit ihrem Jubiläumsalbum „20 Jahre 2raumwohnung“ auf Tour. Im Interview spricht Inga Humpe, ein Teil des Berliner Elektropopduos, über gesellschaftlichen Zusammenhalt, starke Frauen und über das, an was sie glaubt.

Zusammen mit ihrem Lebensgefährten Tommi Eckart bildet die Musikerin und Komponistin Inga Humpe seit rund 20 Jahren die Band 2raumwohnung. Und das feiern sie derzeit mit einer Deutschlandtour.

 

Frau Humpe, Wie fühlt es sich an, wieder auf Tour zu sein?

Wir sind euphorisch und freuen uns auf jeden Abend. Wir sind glücklich, dass wir spielen können, angesichts des Krieges in der Ukraine und dieser zermürbenden Pandemie.

Was hat die Corona-Zeit mit Ihrem Leben gemacht?

Wir sind einfacher geworden. Befindlichkeiten, die einen sonst beschäftigt haben, sind in den Hintergrund gerückt und wir sind stärker zusammengewachsen, die Ruhe hat uns gut getan.

Ein ganz normaler Tag im Leben von Inga Humpe und Tommi Eckart, wie muss man sich das vorstellen?

Erst gibt es eine Besprechung im Bett, dann wird meditiert, oder man geht laufen. Entweder geht es danach dann ins Büro oder ins Studio. Später am Tag kochen wir oder essen zusammen mit Freunden.

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Sie sind nun seit über 20 Jahren ein Paar und arbeiten zusammen. Wie geht das?

Die Herausforderungen als Paar sind die gleichen, wie die, die wir als Gesellschaft haben: Respekt und Raum lassen, keinen Machtspiel-Quatsch und: Witzigkeit kennt keine Grenzen.

Euer erstes Album aus dem Jahr 2001 trägt den Titel „Kommt zusammen“. Ein großer Erfolg. Es ist auch das Thema eurer jetzigen Tour. Was ist es, das uns als Menschen, als Gesellschaft, zusammenhält?

Wir haben jahrelang Loveparades zusammen gefeiert, das war sehr essentiell für uns. Es hat uns ein Gefühl davon vermittelt, dass der Weltfrieden möglich ist. Diesen Wunsch können wir nicht aufgeben. Wenn wir unsere Empfindungen mit anderen teilen, erleben wir „unsere Gruppe“ zusammen, das stärkt uns. Musik kann uns bei diesem Gefühl helfen. Das ist sehr wichtig für die Gesellschaft.

Welches ist die Utopie, an der wir unbedingt festhalten sollten?

Wir sind Kinder des Punks und des Hippietums und sind immer noch überzeugt, dass wir als Gesellschaft auch Gruppen mittragen müssen, die es schwer haben. Wir fühlen uns aufgerufen, gegen gefährliche Strömungen, wie den Rechtsextremismus, zu singen, zu spielen, zu reden und zu schreiben. Daran halten wir fest.

„Wir trafen uns in einem Garten“ ist einer eurer erfolgreichsten Songs und auch der Titel Ihres Buchs. Warum ist der Garten ein guter Ort, um jemanden kennenzulernen?

Der Garten ist oben offen, man sieht den Himmel und die Erde und uns alle mittendrin. Das gibt einen weiten Blick auf die Gesamtsituation und schafft Raum für die Sinne. Das ist eine sehr gute Basis für die Liebe.

Was befindet sich alles im Garten von Inga Humpe und Tommi Eckart?

Unser Garten ist eine Dachterrasse. Dort gibt es neben Bäumen und Pflanzen einige schöne Plätzchen. Manchmal sitzen wir mit den Laptops draußen und machen Musik, ich habe sogar im Garten gesungen. Man hört die Vögel auf meiner Gesangsspur.

Frau Humpe, Sie wurden im Januar 66 Jahre alt, Tommi Eckart ist 59. Können Sie sich einen Ruhestand vorstellen?

Wir werden ja nie Rentner werden, also werden wir uns auch nie zur Ruhe setzten. Ich bin älter als Madonna und jünger als Iggy Pop. Solange uns Leute hören wollen und wir mit unserer Musik den Leuten etwas geben können, ergibt sich das Weitermachen von selbst. Ich möchte ja auch 108 werden!

Warum haben es Frauen eigentlich im Musikbusiness schwerer?

Die Musikindustrie war leider schon immer ein armseliges Beispiel für die Ausbeutung von Künstlerinnen und Künstlern, bei Männern ist das nicht anders. Aber Frauen haben es insgesamt schwerer, viel schwerer. Wir werden eigentlich gebraucht, aber nicht genug anerkannt für unser Können und unsere Stärken. Der Begriff Stärke braucht meiner Meinung nach eine Reform: Stark ist, wer mitfühlt und andere mit im Blick hat, auch die Schwachen. Jeder, der nur sich oder seine kleine Gruppe nach vorn bringen will, kann langfristig nicht gewinnen. Eine feministische Sichtweise und Politik - auch für Männer! – ist dringend notwendig.

Welchen Rat geben Sie jungen Frauen?

Keine Ungerechtigkeiten hinnehmen, Vorsicht vor der Komfortzone und: Durchatmen und freundlich bleiben.

Sie arbeiten ständig an neuen Projekten und mit den unterschiedlichsten Künstlern zusammen. Für das aktuelle Album waren es Westbam und Paul Kalkbrenner. Was macht einen guten Song aus?

Ein guter Song muss einen mit Musik und Text in die Geschichte reinreißen. Im besten Falle geht er direkt ins Gefühlssystem und wirbelt einen so durcheinander, dass man hinterher ein bisschen anders ist und alles neu sieht.

Wird es ein neues Studioalbum geben?

Es gibt neue Ideen für Lieder, ob das ein Album wird, bleibt schön offen.

Gesicht der NDW und 2000er

Zur Person
 Die Berlinerin Inga Humpe (66) ist eine der prägendsten Protagonistinnen der deutschen Popkultur. Sie machte sich vor allem in der Neuen-Deutschen-Welle-Bewegung in den 80ern mit unterschiedlichen Bands, etwa mit ihrer Schwester Annette Humpe (Ideal), einen Namen und arbeitete später mit Künstlern wie Udo Lindenberg, Kylie Minogue und Falco.

2raumwohnung
 Das erste Album „Kommt zusammen“ wurde 2001 veröffentlicht, „36 Grad“ (2007) war die erfolgreichste Platte des Duos. Bisher produzierte Humpe mit ihrem Partner insgesamt acht Alben.

Termin
Am Freitag, 13. 5. sind 2raumwohnung im Wizemann in Stuttgart, Einlass 19, Beginn 20 Uhr