Das höchste Gebäude der Schweiz verantwortet ein Vaihinger Ingenieurbüro. Projektleiter Martin Stumpf ist gerade dabei, seinen eigenen Rekord zu überbieten.

Vaihingen - Jede Woche ist Martin Stumpf im vergangenen Jahr von Stuttgart nach Basel gefahren. Von Dienstag bis Donnerstag überwachte der 42-jährige Ingenieur dort den Bau des Bürohochhauses des Pharmakonzerns F. Hoffmann-La Roche. Morgens als Dozent an der Hochschule, dann Besprechungen mit dem Bauherrn, mittags Planungen mit dem Team, nachmittags Gespräche mit Leitern und Architekten. Stumpfs Kalender war 2015 durchgetaktet.

 

Als Projektleiter und Mitinhaber des Vaihinger Ingenieurbüros Weischede, Herrmann und Partner verantwortete er die Statik des höchsten Gebäudes der Schweiz. Im September 2015 wurde das Hochhaus eröffnet. 178 Meter hoch ist der sogenannte Roche-Turm. Er steht in Basel direkt am Rhein und ist künftiger Hauptsitz des Pharmakonzerns Hoffmann-La Roche. 2000 Mitarbeiter können in dem Gebäude arbeiten. Derzeit läuft auf den 41 Stockwerken noch ein Testbetrieb; erst nach und nach beziehen die Angestellten ihre Büros.

Der Rekord war nie das Ziel

Der Roche-Turm überbietet den vorherigen Rekordhalter, den Prime Tower in Zürich, um 52 Meter. Dass es zu dem Rekord kam, klingt mehr nach Zufall als nach Plan. „Das war nie ein Ziel. Es war einfach die Notwendigkeit des Konzerns, seine Mitarbeiter auf dem Areal zusammenzuführen“, sagt Stumpf. Hinzu kam die innerstädtische Lage, aufgrund der man in die Höhe bauen musste. Bereits 2009 kam das Pharma-Unternehmen La Roche auf das Vaihinger Ingenieurbüro zu. Es suchte Bauingenieure, die Erfahrungen mit hohen Gebäuden nachweisen konnten. „Das war unsere Chance, in der Schweiz einen Auftrag zu bekommen. Dort gibt es nämlich keine Gebäude dieser Höhenordnung“, sagt Stumpf. Das Unternehmen hat sich auf anspruchsvolle Tragwerke spezialisiert. „Wir charakterisieren uns dadurch, dass wir Projekte bearbeiten, die von der Statik sehr schwierig sind. Dazu gehören auch Hochhäuser.“

Ein Hochhaus mitten im Erdbebengebiet

Die Herausforderung des Roche-Projektes: Basel liegt am Oberrheingraben und gehört daher zum Erdbebengebiet. Immer wieder kommt es in der Region zu leichten Beben. Die letzten Erdbewegungen registrierte der schweizerische Erdbebendienst im Mai 2015; Sie waren aber mit einem Wert auf der Richterskala von 0,1 nicht fühlbar. „In Frankfurt muss man ein Hochhaus gerade so steif machen, dass es im Wind nicht wackelt und umfällt. In Erdbebengebieten will man aber eigentlich ein ganz weiches Gebäude haben, dass sich durch Verformung dem Beben entzieht“, sagt Stumpf. Mithilfe seiner Tragwerkskonstruktion aus Beton und Stahl machte der Ingenieur das Hochhaus erdbebensicher. „Weil es 1365 in Basel ein sehr starkes Erdbeben gab, wollte der Bauherr das Gebäude so sicher wie möglich machen – bis zu einer Richterskala von 6,9“, sagt Stumpf. Das bedeutet, dass der Roche-Turm einem Starkbeben Stand hält.

Ein echter Bestandteil des Lebens

Auf dem Desktop-Hintergrund seines Computers ist der Roche-Turm noch in Rohfassung zu sehen. „Mir gefällt die Baustelle. Im fertigen Zustand sieht man von uns leider nicht mehr so viel“, sagt Stumpf. Dabei haben er und seine Kollegen jeden Schritt bis ins kleinste Detail durchdacht. „Es müssen unglaublich viele Pläne gezeichnet werden“, sagt Stumpf. Zu Hochzeiten kümmerten sich zehn Mitarbeiter um das Projekt.

Sechs Jahre arbeitete Stumpf an seinem Rekord, überwachte vor Ort auch die Baustelle. Für den Ingenieur war es eine intensive Zeit. Im September 2015 wurde der Roche-Turm offiziell eingeweiht. „Dass es nach sechs Jahren vorbei ist, ist natürlich traurig. So wichtige Projekte sind ein echter Bestandteil des Lebens“, sagt Stumpf.

Derzeit ist der Ingenieur dabei, seinen eigenen Rekord zu überbieten: Er arbeitet an einem zweiten Roche-Turm. Das Bürohochhaus soll noch schlanker und höher als sein Bruder werden. Noch laufen die Planungen, die Fertigstellung ist 2020 geplant. „Das ist wahnsinniges Glück. 200 Meter hohe Hochhäuser bauen zu dürfen, das ist schon sensationell“, sagt Stumpf.