Abdul B. aus Afghanistan ist Azubi. Sein Ausbilder bangt, ob er dauerhaft in Deutschland bleiben kann.

Ingersheim - Abdul B. ist ein absoluter Glücksfall für uns.“ Der Fensterbauer Peter Nill aus Ingersheim (Kreis Ludwigsburg) ist von seinem Auszubildenden im dritten Lehrjahr begeistert. Doch das Glück des Unternehmers steht auf tönernen Füßen: Seinem Lehrling droht die Abschiebung – nicht jeden Moment, aber auf längere Sicht.

 

Bisher habe er noch keinen Azubi erlebt, der vor Beginn der Ausbildung etwas lernen wollte, sagt Peter Nill. Mit seiner Frage nach Lehrbüchern vor dem ersten Arbeitstag habe Abdul ihn überrascht. In der Berufsschule habe er anderen Azubis im Mathematikunterricht geholfen.

Abdul B. fiel durch seine rasche Auffassungsgabe auf

Der heute 24-Jährige kam im Dezember 2015 aus Afghanistan nach Deutschland. Ein Jahr lang lebte er in der Sporthalle im Fischerpfad. Beim Deutschunterricht fiel er durch seine rasche Auffassungsgabe auf, erzählt Claudia Anders vom Ökumenischen Freundeskreis Asyl in Bietigheim-Bissingen. Sie half ihm dabei, in ein Flüchtlingsprogramm der Firma Bosch aufgenommen zu werden. Abdul B. bekam Einblicke in die Bereiche Mechatronik und Metalltechnik.

Mithilfe von Videos verbesserte er seine Deutschkenntnisse. „Die Sprache ist wichtig“, ist er überzeugt. 2017 bewarb er sich bei der Firma Nill. Schnell stand fest, dass beide Seiten gut zueinanderpassen. „Wir suchen ja Auszubildende“, sagt Nill, die Menschen mit Migrationshintergrund „sind unsere Chance im Handwerk“.

Asylverfahren ist nicht abgeschlossen

Obwohl Nill von den Leistungen des Azubis schwärmt, ist dessen Zukunft ungewiss: Noch ist sein Asylverfahren nicht abgeschlossen. Abdul B. fällt unter die „3+2-Regelung“, die besagt, dass ein Flüchtling in Ausbildung diese vor einer möglichen Abschiebung zunächst abschließen und anschließend zwei Jahre beschäftigt werden darf. Für den Firmeninhaber ist das nicht nachvollziehbar: „Warum soll so ein Mensch zurückgeschickt werden?“, fragt Nill. Die Politik müsse hier reagieren, fordert er. Das Handwerk sei auf Auszubildende angewiesen. In der Berufsschulklasse von Abdul B. hätten acht Azubis einen Migrationshintergrund, fünf stammten aus Deutschland. Früher seien die Klassen viel größer gewesen, sagt Nill. Mittlerweile gebe es sogar Überlegungen, die Berufsschule in Stuttgart zu schließen.

Nill will notfalls Sitzstreik machen

Die bürokratischen Hürden für eine Firma seien am Anfang enorm, wenn sie Azubis mit Migrationshintergrund einstellten, sagt die Büroleiterin Sabine Nill. Wenn dann die Integration gelinge, die Azubis aber abgeschoben würden, fragten sich die Firmen, ob sich das Engagement langfristig lohne. Für Peter Nill steht fest: Sollte Abdul B. irgendwann die Abschiebung drohen, „machen wir einen Sitzstreik, wenn es sein muss“. Der Lehrling, der in Afghanistan ein Studium in Rechtslehre begonnen hatte, hofft, in Deutschland bleiben zu können. „Ich möchte es gut machen“, sagte er und ist dankbar für die Unterstützung, die er erhalten hat.