Die Gruppe Adapter will gewerblichen Leerstand in Stuttgart temporär umwandeln. Doch die Objektsuche gestaltet sich schwierig.
S-Ost/S-Mitte -
Sie kamen 2012 zum Studium der Architektur und Stadtplanung nach Stuttgart und standen vor einem Problem, das viele nachempfinden können: Wie eine Bude finden? Elif Kälberer aus Kirchheim/Teck war zunächst ganz erfolglos und musste pendeln, Richard Königsdorfer landete in einem Vier-Quadratmeter-Loch, Paul Vogt kam nur im Wohnheim unter, Christiana Weiß fand allein dank einer Kollegin ihrer Chefin Obdach. Nur Verena Vollath hatte Glück. Bis ihr wegen Eigenbedarfs gekündigt wurde – in zwei Wohnungen hintereinander.
In den ersten Wochen im Studium, wenn die Weichen gestellt werden für die nächsten Jahre, entstand zwischen den Fünf eine Freundschaft, die hielt. Im November vor einem Jahr hoben sie am Küchentisch ein Projekt aus der Taufe, das sie über das Studienende zusammenschweißen könnte. Sofern sie bald die Früchte ernten, deren Saat sie seit geraumer Zeit zu streuen versuchen.
Impuls für die Wohnraumdebatte
Adapter Stuttgart ist der Name des Projekts, das gemeinnützig und gemeinschaftsorientiert sein soll und einen Impuls setzen will in der Wohnraumdebatte, die das Land beschäftigt. „Mit klassischen Lösungen wie Nachverdichtung oder Neubau kommen wir auf Dauer nicht weiter“, sagt Verena Vollath. Ihre Mitstreiter und sie wollen gewerblichen Leerstand für einen klar definierten Zeitrahmen in bezahlbare Wohnfläche umwandeln und nebenbei „einen Möglichkeitsraum für die Bewohner und ihre Nachbarn“ schaffen. Sprich: einen Ort, an dem Menschen zusammenkommen und Konzepte für eine Belebung des Quartiers entwickeln.
„Wir haben uns gegen Ende unseres Studiums die Frage gestellt: Wie wollen wir in dieser Stadt leben, in der wir alle bleiben wollen“, berichtet Paul Vogt. Antwort: aktiv statt passiv, mitgestaltend und mitprägend. Im Juni durften die angehenden Architekten ihr Konzept eine Woche lang in einem ehemaligen Fitnessstudio in der Lautenschlagerstraße testen.
Im Oktober beteiligten sie sich an der Aktion „Wohnen unter der Brücke“ des Vereins Stadtlücken mit der Installation „39 qm“, einer möblierten Wohnung ohne Wände. Sie erhielten reichlich Zuspruch von Menschen, die von ihrer Initiative erfuhren und mitwirken wollten. „Da haben wir viel Energie und Engagement erlebt“, sagt Christiana Weiß. Das an der Teckstraße 62 angesiedelte Social Impact Lab unterstützt die Gruppe seit diesem Sommer mit einem Stipendium.
Die Suche nach passenden Objekten ist schwierig
Allein: Der große Coup, den sie anstreben, ist ihnen trotz positiver Gespräche mit Stadträten und Vertretern der Stadtverwaltung, darunter auch Wirtschaftsförderer, noch nicht gelungen. Nämlich ein leerstehendes, Gewerbeobjekt zu finden, in dem sie ihr eigens entwickeltes, modulares Bausystem testen und sich ein bis drei Jahre lang austoben können. Zwar gebe es ihren Recherchen zufolge in Stuttgart mehr als 120 000 Quadratmeter ungenutzten Raum. Aber die Suche nach potenziellen Objekten und aufgeschlossenen Eigentümern gestalte sich dennoch schwierig. Rechtliche Bedenken will die Gruppe dabei genauso wenig gelten lassen wie die Skepsis an der temporären Umnutzung. „Satzungen und Gesetze bieten immer einen Interpretationsspielraum“, sagt Richard Königsdorfer. Und Elif Kälberer fügt hinzu: „Eigentümer sollten den Wert des Projekts erkennen“, nicht nur im Hinblick auf gemilderte Mieteinbußen. „Es geht auch um Aufmerksamkeit für die Immobilie und einen Imagegewinn.“ Letztlich, so die Überzeugung, profitierten alle: die Eigentümer, die Nutzer und die Stadt.
Im Vergleich zu 2012, sagen die Adapter-Beteiligten, habe sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt weiter verschärft. Verena Vollath bewohnt inzwischen das winzige Zimmer, in dem einst Richard Königsdorfer unterkam. Die Fünf sind sich einig: Es sei Zeit, experimentierfreudiger zu werden und kreative Lösungen auszuprobieren. Einzig die Spielwiese fehlt noch.