Wie können Migranten-Vereine sichtbarer werden? Ein Landesverband soll dabei helfen. Über seine Gründung wurde jetzt in Stuttgart beraten. Mit Erfolg.

Gute Laune hilft, wenn es gilt, einen ganzen Tag lang die Mühen der Ebene zu durchschreiten mit Diskussionen, Vorträgen, Workshops und viel Feilerei an etwas so Urdeutschem wie der Satzung für einen Verband, der die über 1000 migrantischen Vereine in Baden-Württemberg unter einen Hut bringen will. Also gab die Moderatorin Rahab Njeri in ihrer Begrüßung im Großen Saal des Stuttgarter Rathauses der guten Laune einen Schub mit dem Satz: „Es geht mir nur gut, wenn es auch Dir gut geht.“

 

Schnell aber sollte sich zeigen, dass dieser Wohlfühl-Satz für die Versammlung auch den Geist der Konferenz selbst enthielt, niedergelegt in einem Passus für die Satzung des geplanten Landesverbandes migrantischer Vereine mit dem Grundsatz: „Friedliches Zusammenleben aller Menschen in Baden-Württemberg auf der Basis der demokratischen Grundordnung und des Grundgesetzes.“ In dem Satz steckt auch eine Stoßrichtung nach außen: Migranten und deren Nachkommen, die sich in der fortschreitenden Generationenfolge nurmehr als „Post“-Migranten verstehen, als vormalige Migranten, wollen eine gleichberechtigte Repräsentanz auf oberster Landesebene. Und dies als akzeptierter Partner im Reigen der Verbände, als Mitwirkende in den demokratischen Aushandlungsprozessen der verschiedenen Interessengruppen.

Die Sichtbarkeit in der Gesellschaft soll gestärkt werden

Die Gründung eines „Landesverbandes (post)-migrantischer Vereine“, die mit der Landeskonferenz am Samstag einen großen Schritt vorankam, soll zum einen die „Sichtbarkeit in der Gesellschaft und die Anerkennung der vielfältigen Leistungen und Kompetenzen“ der Vereine voranbringen, wie es Hasan Sogütcü vom Alevetischen Bildungsverein formulierte. Sie soll auch „die Teilhabe-, Mitgestaltungs- und Interventionsmöglichkeiten verbessern“. Und irgendwann sollen Zugehörigkeit und Teilhabe so selbstverständlich sein wie in der charmant-lässigen Selbstvorstellung der aus Kenia stammenden Moderatorin: „Sie merken, ich habe einen Akzent: Ich komme aus Köln.“ An der dortigen Universität ist die promovierte Historikerin Referentin für Rassismuskritik und Antidiskriminierung. Als legitim und als „gelebte Demokratie“ bezeichnete Ministerialdirigentin Birgit Locher-Finke vom Landesmministerium für Soziales und Integration die Forderung nach gleichberechtigter Interessenvertretung. Sie verwies darauf, dass im Land rund 3,7 Millionen Einwohner einen migrantischen Hintergrund haben, mithin ein Drittel der Bevölkerung. Einwanderung sei als „gelebte Realität, eine Selbstverständlichkeit und unschätzbare Ressource“. Gleichwohl sei Teilhabe „kein Selbstläufer, denn Partizipation ist anstrengend“. Es sei aber „der einzige Weg, um erfolgreich zu sein“. Ein Landesverband könne dabei „eine starke Stimme“ sein. Locher-Finke mahnte aber auch, „das Verbindende immer über das Trennende“ zu stellen.

Im Frühjahr soll der Landesverband starten

Eine Aufgabe, die sich bei der Tagung im Rathaus auch intern stellte angesichts von 120 vertretenden Vereinen mit ganz unterschiedlichen Profilen. Rolf Graser, ein Mitbegründer der und Geschäftsführer des Stuttgarter Forums der Kulturen Stuttgart, das als „Geburtshelfer“ des Ganzen gilt, zog aber ein positives Fazit: „Wir kommen voran, wir haben große Geschlossenheit erlebt. Es gibt viel Arbeit, aber im Frühjahr müsste alles klar sein für die Gründung des Landesverbandes.“