Die EU will mit einer Initiative das jüdische Leben besser schützen und fördern. Einigen Verbänden geht die Initiative allerdings nicht weit genug.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Brüssel - Die Corona-Pandemie hat bei manchen Menschen einige sehr dunkle Seiten ans Licht befördert. Eine davon ist, dass der offen geäußerte Hass gegen Minderheiten stark zugenommen hat. Auf bestimmten deutschsprachigen Kanälen bei Twitter, Facebook und Telegram gibt es einer Untersuchung der EU-Kommission zufolge seit Beginn der Corona-Krise etwa 13-mal mehr antisemitische Inhalte als vor der Pandemie. Bisweilen bleibt es aber nicht bei den verbalen Ausfällen im Internet. Immer wieder kommt es auch zu körperlicher Gewalt gegen Juden. In Deutschland wurden nach Angaben des Bundesverbands Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) vergangenes Jahr rund 1900 antisemitische Vorfälle verzeichnet. Die Dunkelziffer liege womöglich aber wesentlich höher.

 

Gegen die Hetze im Internet

Als Reaktion auf diese sehr bedenkliche Entwicklung soll nun europaweit verstärkt gegen Antisemitismus vorgegangen und gleichzeitig das jüdische Leben gefördert werden. Darüber hinaus kündigte die EU-Kommission an, verstärkt gegen judenfeindliche Hassreden im Internet vorzugehen. Zudem will sie mit Industrie und IT-Unternehmen zusammenarbeiten, um dem illegalen Zeigen und dem Verkauf im Internet von Nazi-Symbolen sowie Souvenirs aus der NS-Zeit vorzubeugen. Auch eine europäische Forschungsstätte über neue Formen von Antisemitismus soll eingerichtet werden.

Trotz der langen Geschichte von in Europa lebenden Juden hätten Menschen bemerkenswert wenig Wissen über jüdisches Leben, Traditionen, heißt es von Seiten der EU. „Wir wollen jüdisches Leben wieder blühen sehen inmitten unserer Gemeinschaften“, erklärte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Europa an der Spitze des Kampfes

Der Europäische Jüdische Kongress hat die EU-Strategie zur Bekämpfung von Antisemitismus als „bahnbrechend“ gewürdigt. Damit stelle sich Europa an die Spitze des weltweiten Kampfs gegen Judenhass, sagte der Vorsitzende des Dachverbands, Mosche Kantor, bei der Vorstellung des Berichts. Er sprach von einem „beispiellosen und grundlegenden Dokument“ und einer Zusage an Juden, dass sie zu Europa gehörten und ein vitaler Teil der europäischen Zukunft seien.

Allerdings teilen nicht alle Juden diese fast schon euphorische Einschätzung. Rabbi Menachem Margolin, Vorsitzender der European Jewish Association (ECA), erklärte in Brüssel, dass er den Plan der EU-Kommission natürlich begrüße. Allerdings sei es sehr traurig, dass einige wichtige Punkte nicht erwähnt seien, die das Leben der jüdischen Gemeinschaften in Europa erst wirklich ermöglichen würden. So kämpfe man seit vielen Jahren für die Umsetzung der Religionsfreiheit in den Ländern Europas.

Verband fordert mehr konkrete Schritte

Konkret heißt das, dass in manchen Staaten die rituellen Schlachtungen oder die Beschneidung von Kindern erstritten werden müssten. „Das sind zwei fundamentale Dinge im täglichen jüdischen Leben“, erklärt Menachem Margolin. „Aber wir sehen, dass in einigen Ländern diese Themen immer wieder neu diskutiert werden.“ Er kritisiert, dass es in den vergangenen Jahren viele Erklärungen auch von der Politik gegeben habe, dass aber das tatsächliche Engagement im Kampf gegen den Antisemitismus mit den schönen Reden nicht immer Schritt halte.