Die EU-Kommission und das Agrarministerium des Landes wollen das Überleben des bedrohten Insekts sichern. Zwar nicht unbedingt im Stuttgarter Schlossgarten. Aber anderswo muss das Land mehr für artgerechte Biotope, sprich: große alte Bäume sorgen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die EU-Kommission hatte eine gute und eine weniger gute Nachricht für den „Parkschützer“ aus Stuttgart. Seine Beschwerde wegen Artenschutzverstößen beim Juchtenkäfer, so die weniger gute, werde abgewiesen: Die Generaldirektion Umwelt habe beim Projekt Stuttgart 21 keinen Verstoß gegen europarechtliche Vorgaben feststellen können.

 

Die deutschen Behörden hätten im Zusammenhang mit dem Bahnprojekt alle „erforderlichen Untersuchungen und Maßnahmen“ zum Schutz besonders gefährdeter Arten getroffen, teilte der zuständige Referatsleiter unlängst mit. Dies gehe aus den Informationen der Dienststellen hervor, die man in Sachen Juchtenkäfer um Stellungnahme gebeten habe. Unabhängige Untersuchungen, wunderte sich der Petent, hätten offenbar nicht stattgefunden. Sonst hätte Brüssel die Zerstörung zweier Brutbäume rügen müssen, die ein eklatanter Verstoß gegen Artenschutzregeln gewesen sei.

Der Krabbler braucht Altholz und Totholz zum Brüten

Die frohe Kunde der Kommission: unabhängig von S 21 habe man die deutschen Behörden ersucht, „ein Programm zur Verbesserung des derzeit schlechten Erhaltungszustands des Juchtenkäfers in Baden-Württemberg zu erstellen“. Als Reaktion sei auf das Alt- und Totholzkonzept des Landes verwiesen worden, das einige Maßnahmen enthalte, „die dem Juchtenkäfer zugutekommen“. Zugleich habe der Südweststaat ein Artenhilfskonzept für den Krabbler angekündigt, das 2013 erarbeitet und 2014 umgesetzt werden solle.

Landesweit sollten dazu Bestände erfasst, Konzepte entwickelt und „zu jedem einzelnen Vorkommen“ Maßnahmen geplant werden. So komme ein „kontinuierlicher Prozess“ zum Schutz der seltenen Käferart in Gang. Von einem expliziten Auftrag aus Brüssel ist auf Anfrage beim zuständigen Agrarministerium zwar keine Rede, aber das Ressort von Alexander Bonde (Grüne) bestätigt: Im Rahmen der aktuell anstehenden Berichtspflicht habe sich gezeigt, dass es um den Juchtenkäfer in Baden-Württemberg „ungünstig-schlecht“ – so die offizielle Kategorie – bestellt sei. Daher sei er in das Artenhilfskonzept aufgenommen worden, mit dem das Land seine europarechtlichen Schutzpflichten erfülle.

Auch für die Zierliche Moosjungfer wird etwas getan

Im vergangenen Jahr seien spezielle Konzepte für die Zierliche Moosjungfer – eine Libellenart –, den Goldenen Scheckenfalter und das Wald-Wiesenvögelchen – eine Schmetterlingsart – erarbeitet worden. Nun bekomme auch der Juchtenkäfer seinen eigenen Rettungsplan. Dabei würden „alle im Land bekannten Vorkommen der Art einbezogen“ und zusätzlich „nach neuen Vorkommen gesucht“.

Der von Stuttgart-21-Befürwortern zuweilen belächelte Einsatz für den Juchtenkäfer ist für das Naturschutz-Ministerium von übergeordneter Bedeutung: Bei dem offiziell „Eremit“ heißenden Käfer handele es sich nämlich um eine sogenannte Schirmart, die stellvertretend für einen ganzen Lebensraum stehe – seltene Waldtypen und Parklandschaften mit großen, älteren Bäumen. Dort lebten die Larven in mit Holzmulm gefüllten Höhlen. Solche Wälder und Parkanlagen besäßen „eine sehr hohe Biodiversität“, also einen großen Artenreichtum, erläutert ein Ministeriumssprecher. Leider seien sie „immer seltener zu finden“.

Der Juchtenkäfer soll nicht aussterben

In Baden-Württemberg gibt es laut Landesumweltanstalt zwar einige Vorkommen an Neckar und Tauber, aber der Schwerpunkt der Verbreitung in Deutschland liege in den neuen Bundesländern. Schon 2009 beklagte die Behörde, in den vergangenen Jahren seien „an mehreren Standorten besiedelte beziehungsweise zukünftige Brutbäume gefällt“ worden. Wenn der Juchtenkäfer nicht aussterben solle, seien „umfangreiche Schutzmaßnahmen“ nötig. Im Jahr darauf fielen dann die ersten Bäume im Stuttgarter Schlossgarten.