Die Tierhaltung steht immer wieder in der Kritik. Eine neue Initiative von Handel, Schlachtbranche und Landwirtschaft soll Besserung bringen. Aldi & Co. wollen 200 Millionen Euro zahlen.

Stuttgart - Auf der Internationalen Grünen Woche, die am 16. Januar in Berlin beginnt, können die Besucher wieder viele Nutztierarten- und rassen bewundern. Auf Pressefotos sind dann glückliche Kinder zu sehen, die Kälber, Schafe oder Schweinchen streicheln. Mit der Realität hat dieses Idyll allerdings wenig zu tun. Dort werden Mastschweine nicht gestreichelt, sondern zu Hunderten oder Tausenden in Ställen zusammengepfercht, in denen ein 25 Kilo schweres Ferkel in 110 Tagen auf ein Schlachtgewicht von 100 Kilo oder mehr gebracht wird.

 

Vielen Verbrauchern ist die landwirtschaftliche Tierhaltung zunehmend suspekt oder unsympathisch; manche Kunden kaufen deshalb weniger oder auch gar kein Fleisch oder andere tierische Produkte mehr. Mit der „Initiative zum Tierwohl“ wollen Handel, Schlachtbranche und Landwirtschaft dem Imageverlust entgegenwirken. Rund zwei Jahre hat es gedauert, bis sich die Beteiligten schließlich auf die Kriterien und die Finanzierung einigen konnten. Wegen des Kostendrucks in der Fleischbranche, die derzeit unter besonders niedrigen Schweinepreisen stöhnt, war es nicht leicht, Geld für bessere Bedingungen in der Tierhaltung aufzutreiben.

Alle großen Handelsketten machen mit

Am Ende haben sich die großen Handelsketten bereit erklärt, in den kommenden drei Jahren 200 Millionen Euro in einen Fonds einzuzahlen. Beteiligt sind die Handelskonzerne Aldi, Lidl/Kaufland, Edeka mit Netto, Kaiser’s Tengelmann und Rewe mit Penny, die zusammen ungefähr 80 Prozent des Marktes abdecken. Zurückholen wollen sich die Handelsunternehmen dieses Geld über einen Aufschlag von vier Cent auf jedes Kilo Schweinefleisch und daraus hergestellte Produkte.

Tierschutzbund kritisiert die fehlende Kennzeichnung

Aus dem Fonds erhalten Schweinehalter, die bestimmte Tierschutzkriterien erfüllen, unabhängig vom Marktpreis bis zu neun Euro Bonus pro Mastschwein – gemessen am derzeitigen Verkaufserlös von rund 130 Euro durchaus eine relevante Größe. Dafür müssen die Tiere unter anderem mehr Platz, Beschäftigungsmaterial wie Stroh, Heu oder Jutesäcke, mehr Tageslicht oder Auslauf im Freien bekommen. Die Einhaltung der Kriterien soll kontrolliert werden. Landwirte, die mitmachen wollen, können sich ab 1. April anmelden.

Kritik an fehlender Kennzeichnung

Der Deutsche Tierschutzbund hält das Ziel der Tierwohl-Initiative zwar für richtig, kritisiert aber die Umsetzung – insbesondere die fehlende Kennzeichnung an der Ladentheke. „Warum sollten Verbraucher einen Tierschutz-Aufpreis zahlen, wenn sie nie erfahren, ob das Fleisch tatsächlich aus einer tiergerechten Haltung stammt?“, fragt auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Am Ende könnte es sein, dass die Bauern auf den Kosten für tiergerechtere Ställe sitzen bleiben. Achim Spiller, Agrarmarketingexperte an der Universität Göttingen, befürchtet, dass der Tierwohl-Fonds schnell zu klein sein wird, wenn viele Landwirte mitmachen (siehe Interview).