Die Vereinten Nationen drängeln seit langem: Doch die sogenannte Inklusion behinderter Schüler löst eine Kostenlawine aus. Land und Kommunen schieben sich den Schwarzen Peter zu - und das Projekt kommt nicht voran.

Die Vereinten Nationen drängeln seit langem: Doch die sogenannte Inklusion behinderter Schüler löst eine Kostenlawine aus. Land und Kommunen schieben sich den Schwarzen Peter zu - und das Projekt kommt nicht voran.

 

Stuttgart - Grün-Rot schiebt das Gesetz zur Integration behinderter Kinder in Regelschulen auf die lange Bank. Anfangs war die Gesetzesnovelle für das Schuljahr 2013/14 geplant, zuletzt sollte sie dann zum kommenden Schuljahr in Kraft treten. Doch auch dieser Starttermin sei wegen der schwierigen Verhandlungen mit den Kommunen unsicher, sagte Kultusminister Andreas Stoch (SPD) der Nachrichtenagentur dpa. Allerdings soll das Kabinett in den kommenden Wochen Eckpunkte beschließen. Überdies betonte Stoch, dass die Inklusion ohne Mittel vom Bund nicht bedarfsgerecht umzusetzen sei.

„Ich erwarte, dass wir auf dieser Grundlage im kommenden Schuljahr damit beginnen, Inklusion in einem strukturierten Prozess an die Schulen des Landes zu bringen.“ Knackpunkte in den Gesprächen mit den Kommunen seien die Finanzierung baulicher Maßnahmen, die Kosten für Schulbegleiter und die Betreuung außerhalb des Unterrichts.

Der Städtetag kritisierte, das Land habe bislang keinen einzigen Finanzierungsvorschlag gemacht. Es sei auch auf das bereits seit Juni vorliegende Konzept des Verbandes, nach dem das Land den Schulämtern Inklusion-Budgets bereitstellen soll, noch nicht eingegangen, monierte Städtetagsexperte Norbert Brugger. Dieses habe den Vorteil, dass die Leistungen beim Kind „aus einer Hand“ ankommen würden.

Stoch betonte: „Inklusion wird die Landeshaushalte erheblich beanspruchen und eine Herausforderung für die kommunale Seite sein.“ Ohne den Bund sei sie in der Fläche nicht bedarfsgerecht umzusetzen. „Wir brauchen dazu nach Berechnungen der Kultusministerkonferenz ungefähr 300 bis 500 Millionen Euro vom Bund pro Jahr.“

Brugger befürchtet, dass die geplanten Eckpunkte die Finanzierungsfragen ausklammern und die Kosten zunächst bei den Kommunen hängen bleiben: „Nichts ist dauerhafter als ein Provisorium.“ Die Kommunen seien bereits in Vorleistung getreten, finanzierten unter anderem die Außenklassen behinderter Schüler an Regelschulen und gäben zum Teil bis zu 50 000 Euro pro Jahr und Kopf aus. Er sehe auch keine Anzeichen dafür, dass der Bund dem Land dreistellige Millionenbeträge zuschustere.

Fest steht bereits, dass nicht einzelne Kinder integriert werden, sondern in der Regel Gruppen. Für Einzelinklusion fehlten die Ressourcen, sagte Stoch. Bisher war geplant, einen Regelschullehrer und einen Sonderpädagogen in einer Inklusionsklasse einzusetzen. Die geplanten Eckpunkte sollen den Schulämtern helfen, die Inklusion umzusetzen. Stoch: „Da geht es etwa um Fragen, wie dem Elternwunsch möglichst entsprochen werden kann, wie die inklusive Schule personell ausgestattet wird oder wie die Organisation durch die Staatlichen Schulämter ablaufen soll.“

Stoch will Inklusion an allen Schularten vorantreiben. „Eine Beschränkung auf Grundschulen würde den Wünschen der Eltern nicht gerecht.“ Nach den bisherigen Erfahrungen wolle nur ein Viertel der Eltern behinderter Kinder Inklusion. „Wenn Inklusion aber zur Normalität wird, bin ich überzeugt, dass mehr und mehr Eltern diesen Weg gehen wollen.“ Mit dem Nebeneinander von Sonderschulen und Inklusion an Regelschulen habe sich das Land für eine teure Lösung entschieden. „Aber wenn wir die Sonderschulen schließen würden, nähmen wir den Eltern die wichtige Wahlmöglichkeit.“