Im „kleinen Fernsehspiel“ geht es an drei Abenden um Menschen mit Behinderung. Den Anfang macht in der Nacht auf Dienstag der Film „Be my Baby“.

Stuttgart - Manchmal muss eine Filmemacherin nur den gewohnten Blick umkehren, um die Sehgewohnheiten der Zuschauer wohltuend durcheinander zu schütteln. Nicole ist freundlich und lebhaft, sie wurde mit dem Down-Syndrom geboren. Willi ist innerlich völlig erstarrt und terrorisiert seine Frau und seinen Sohn Nick durch zwangsneurotische Anwandlungen. Wer ist denn hier normal, wer ist behindert, fragt die Absolventin der Filmakademie Baden-Württemberg Christina Schiewe mit ihrem manchmal komischen, manchmal tieftraurigen, einen aber nie kalt lassenden Debutfilm „Be my Baby“.

 

Dessen Hauptfigur Nicole, dargestellt von der ebenfalls mit dem Down-Syndrom geborenen, sehr souveränen Carina Kühne, ist längst kein Kind mehr, auch wenn das für ihre ihre alleinerziehende Mutter und ihre Oma leichter wäre. Die temperamentvolle junge Frau mit Sehnsüchten nach Liebe und Sexualität ist überglücklich, als sich ihr alter Sandkastenfreund Nick in einer pubertären Krise körperlich auf sie einlässt.

Dann wird die 18-Jährige schwanger, und es stellen sich allen Beteiligten Gewissensfragen. Kann Nicole das Baby, das sie sich so sehr wünscht, austragen? Wer wird sich darum kümmern? Und wird Nick die Verantwortung als Vater übernehmen? Nur so viel: Christina Schiewe wagt einige überraschende Antworten, und Bilder von existenzieller Schwere und manchmal flirrender Leichtigkeit. Behindert erscheinen am Ende dann weniger Nicole, oder ihre Freunde aus der beschützten Werkstatt, von sich selbst behindert hingegen erscheinen Figuren wie Willi, oder andere in ihrem Ego und ihrer Komfortzone Gefangene.

„Barrierefrei“ gegen Mitternacht

„Be my Baby“ ist der erste von drei Filmen, die das ZDF in der Reihe „Das kleine Fernsehspiel“ in der Nacht zum Dienstag und an den kommenden zwei Montagen unter der Überschrift „Barrierefrei“ zeigt – zwar jeweils erst um Mitternacht herum, aber es gibt ja inzwischen glücklicherweise Mediatheken.

Die Produktion der Ludwigsburger Firma „Zum goldenen Lamm“ hat beim diesjährigen Münchner Filmfest den Drehbuchpreis, und beim Biberacher Filmfest den Publikums- und den Schülerbiber erhalten. Völlig zu Recht, denn getragen vom tollen Zusammenspiel behinderter und nicht behinderter Darsteller erzählt diese fordernde Sozialfiktion beherzt und unbefangen von Liebe, die nicht in Hochglanzvorstellungen passt, und dennoch, oder gerade deshalb berührt.

Auch am darauffolgenden Montag in der Dokumentation „Eine ganz normale WG“, stehen Frauen im Fokus. Zwischen 25 und 60 Jahren alt sind die sechs Bewohnerinnen einer von drei Sozialarbeiterinnen betreuten Berliner Wohngemeinschaft. Sanft unterstützt, meistern sie ihren Alltag jeweils fast alleine, und da der Filmemacher Gerhard Schönharting nicht nur seinen eigenen Blick präsentiert, sondern die Protagonistinnen sich mit Kameras hat begleiten lassen, ist ein interessantes Mosaik aus Fremd- und Selbstwahrnehmung entstanden, das die Unterschiedlichkeit der Personen, nicht ihre Einordnung in die Kategorie „behindert“ betont.

In der expertimentellen Grundschule

In ihrem Examensfilm „Berg Fidel – Eine Schule für alle“ zeigt Hella Wenders dann zum Abschluss der Reihe am 15. Dezember eine Bildungsstätte, an der Ernst gemacht wird mit dem gerade so kontrovers diskutierten Thema Inklusion. Drei Jahre lang hat die Dokumentarfilmerin vier Kinder an der experimentellen Grundschule im Münsteraner Stadtteil begleitet, hat sie beim Referate halten, beim gemeinsamen Kochen, beim sich gegenseitig helfen aufgenommen. Ob hochbegabt oder lernschwach, geistig oder körperlich beeinträchtigt, lernen die Schüler in altersgemischten Gruppen, eine Herausforderung, bei der sich mehr vermittelt als reines Stoffwissen. Und bei der von Lehrern und Schülern eine selbstverständliche Mitmenschlichkeit gelebt wird, vor der man nur den Hut ziehen kann, weil sie alles andere als alltäglich ist.

ZDF, 0.05 Uhr