Margarete Häfele und Elisabeth Kolofon gründen 2017 die inklusive Sportgruppe des SV Leonberg/Eltingen und füllen sie seitdem mit Bewegung. Auch andere Abteilungen werden eingebunden.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Sport treiben und dabei einen Apfel kaufen? Oder eine Tomate pflücken? Hört sich ziemlich abenteuerlich an, unmöglich ist es aber nicht. Nicht für die Freizeitsportgruppe des SV Leonberg/Eltingen, die sich regelmäßig freitags um 17.15 Uhr in der kleinen Halle bei der Sportwelt trifft. Es ist eine von fünf Gruppen, denen Abteilungsleiterin Margarete Häfele vorsteht, aber es ist eine besondere. Eine außergewöhnliche, denn zwei der Mitglieder sitzen im Rollstuhl, die übrigen besitzen sowohl ein geistiges wie körperliches Handicap. „Wir machen alle möglichen Bewegungsformen“, erzählt die 73 Jahre alte Leiterin, „es geht um Beweglichkeit, um Muskeldehnung, um Körperhaltung und auch ums Mitdenken.“

 

Also verteilen Margarete Häfele und ihre beiden Helferinnen zwei Tennisbälle, einen Apfel, eine Tomate, ein Buch und eine Gurke an die Wartenden im Kreis, von denen Lynne mit 19 die jüngste und Erika mit knapp 67 die älteste Mitspielerin ist. Es werden je nach Aufruf Tätigkeiten verlangt, beim Tomaten pflücken reckt sich Conny (54) nach oben, beim Buch kaufen zeichnet Lynne mit Armen und Fingern ein Rechteck in die Luft, Ulrike (54) bückt sich, um die Gurke aufzuheben. „Stellt euch vor, ihr seid an der Nordsee und ein starker Wind bläst – ihr wiegt euch wie ein Baum von rechts nach links“, sagt Häfele danach, damit sich die Sportler zur Musik strecken und dehnen. Später stehen sie an der Sprossenwand und vollziehen Koordinationsübungen. „Ich habe mich zu Beginn beim Behindertenverband und aus Büchern informiert, welche Übungen es gibt“, berichtet die Vorturnerin, die den Trainer-C-Schein besitzt, „schnell erkennt man, welche Übungen funktionieren und Spaß machen.“

Entstanden ist die Gruppe, nachdem sich Häfele und Elisabeth Kolofon 2017 bei einem Vortrag der Lebenshilfe kennengelernt hatten. Kolofon ist die Mutter von Alexandra (32), die im Rollstuhl sitzt, und Sebastian (34) mit Down-Syndrom; sie trat an die Gruppenleiterin heran, die gleich begeistert war und nur eine Forderung erhob. Fünf Leute sollte Kolofon als Mitspieler anwerben, dann würde Häfele aktiv werden und einen Platz in einer barrierefrei zugänglichen Halle beim SV Leonberg/Eltingen fordern – kein Problem: Nach einem Aufruf über die Lebenshilfe war die Mannschaftsstärke lässig erreicht, seit Februar 2018 betreibt die Gruppe ihre Leibesübungen.

Lynne buchstabiert ihren Namen

Ursprünglich war alles als Inklusionssport geplant, getragen vom Leonberger Netzwerk Inklusion (LeoNI), Sport von Behinderten und Nicht-Behinderten, aktuell mischen aber ausschließlich Menschen mit Handicap in der Halle mit. Margarete Häfele sieht es dennoch als gelungen an: „Ich sehe es auch als Inklusion, wenn Behinderte in der Sportwelt völlig normal im Umfeld von Nicht-Behinderten trainieren.“ Diese Einschätzung trifft die Realität, die Freizeitsportler der Gruppe bewegen sich auch außerhalb des geschützten Übungsbereichs in der kleinen Halle völlig ungezwungen, wenn sie sich zum Umziehen in die Kabinen begeben. „Ich freue mich immer auf Sport“, sagt Lynne, die dem Reporter sicherheitshalber den Namen buchstabiert: L-Y-N-N-E.

Manche Sportarten funktionieren nicht

Innerhalb von vier Jahren muss die 73-Jährige 20 Stunden Fortbildung in der Sportarbeit mit Behinderten nachweisen, was für sie kein Problem darstellt. Dabei bekommt Häfele viel Input, den sie gar nicht als Output verwenden kann – Tischtennis oder Fußball spielen, das klappt nicht mit dieser Gruppe, kürzlich präsentierten zwei Basketballer des Clubs ihre Sportart am Freitag. Sebastian und Sandra (37) hatten es sich gewünscht, sie lieben Basketball, und so war die Anfrage für eine Schnupperstunde an Abteilungsleiter Tassilo Hackert gleichbedeutend mit der Zusage der Basketballer. An diesem Abend sind die Kugeln kleiner und flauschiger, die die Rollstuhlfahrer Alexandra und Rainer (38) werfen und fangen. Es sind Tennisbälle, die gelegentlich von den Helferinnen eingefangen werden. Elisabeth Kolofon (59) ist die eine, Wilhelmina (67), ebenfalls Mutter eines behinderten Sportlers, die andere. Zum Abschluss gibt’s noch ein kleines Spiel, bei dem die Finger über den Körper krabbeln und nach dem allgemeinen Applaus ist die Sportstunde vorbei. Aber alle freuen sich bei Gehen schon auf den nächsten Freitag.