Im Kirchsaal heißt es „Zeit zum Tanzen für Feuerbach“.

Stuttgart-Feuerbach - Die Stimmung ist bestens. Fast hat man das Gefühl, dass die drei Frauen, die sich da im Pfarramt der Gustav-Werner-Kirche eingefunden haben, gleich los schwofen wollen: Pfarrerin Gerda Müller und Katharina Beyerle, die beim Bhz (ehemals Behindertenzentrum) das Appartementhaus Föhrichhof leitet, planen mit Tanztrainerin Jutta Schüle, wie sie deren inklusives Projekt „Zeit zum Tanzen“ in der Evangelischen Kirchengemeinde in Feuerbach umsetzen können. Was Schüle 2012 als inklusiven Tanzworkshop initiierte, hat sich längst zum Tanztreff weiterentwickelt, „Zeit zum Tanzen“ zum gemeinnützigen Verein: Jeden zweiten Sonntag im Monat treffen sich Menschen mit und ohne Behinderung, mit und ohne psychische Erkrankung zum Tanzen – seit diesem Januar im Gasthaus Rössle. Bis heute kamen so mehr als 5000 Begeisterte zusammen, die zu Disco- oder Rockmusik Beine, Hüften und Arme schwangen. Dafür wurde Schüle 2016 Stuttgarterin des Jahres.

 

Nun heißt es erstmals im Saal der Gustav-Werner-Kirche „Zeit zum Tanzen für Feuerbach“. Und DJ-Profi Ingo legt die Musik dafür auf. „Der Abend ist kostenlos für alle, die gerne tanzen, jeden Alters, egal wie, wo oder was sie leben, für Menschen mit und ohne Behinderung aus Feuerbach und aus anderen Stadtteilen“, erläutert Gerda Müller. „Einfach bewegen, jeder wie er oder sie will und kann, miteinander Spaß haben, sich kennenlernen, teilhaben, dazugehören, raus aus der Isolation: Wir wollen Räume dafür schaffen!“

Schon länger sei man in der Evangelische Kirchengemeinde Feuerbach mit solch einem Inklusionsprojekt schwanger gegangen, das auch die Kirchengemeinde im und mit Akteuren des Sozialraums vernetze, so die Pfarrerin. „Im Stadtteil arbeiten viele Menschen mit Behinderungen, die Bhz-Werkstätten sind hier.“ Als sie dann in der Zeitung von Jutta Schüle, ihrem Projekt und dem Inklusionsball gelesen habe, sei ihr klar gewesen, Zeit zum Tanzen passe bestens in die Gustav-Werner-Kirche, die zu den Sozialpionieren in Sachen Inklusion gehöre. „Warum nicht mal in der Kirche tanzen?“, dachte sich Müller.

Die Premiere ist am Sonntag, 30. Juni, von 18 bis 21 Uhr im Kirchsaal

Das ist ganz im Sinne von Jutta Schüle. Auch ihr Anliegen ist es, dass Menschen sich begegnen, den Alltag vergessen und einfach Freude haben – jenseits von Handicaps jeglicher Art. Von letzterem will sie sowieso nicht sprechen. „Ich will, dass sich die Gesellschaft öffnet“, so Schüle. „Barrieren existieren vor allem im Kopf. Letztlich geht es um einen Treff für alle. Tanz stärkt Körper, Geist und Seele.“ Ihr Ziel sei erreicht, wenn sie sich überflüssig gemacht habe und es das Wort Inklusion nicht mehr brauche, betont sie.

Da ist Katharina Beyerle vom Bhz gerne die Dritte im Veranstaltungsbunde. Es habe sich zwar schon einiges getan, aber gerade im Alltag müsse es mehr Begegnungspunkte zwischen Mensch mit und ohne Behinderung, zwischen Alt und Jung geben, müssen Berührungsängste abgebaut werden. „Da geht es auch darum, aus dem Bewertungsmodus unserer Gesellschaft herauszukommen. Es ist doch egal, wer welche Schuhe und Marken trägt oder wer sich wie bewegt. Tanz und Musik kann hier ein Weg sein, locker zusammenzukommen.“

Zunächst heißt es zwei Mal „Zeit zum Tanzen für Feuerbach“: Premiere ist am Sonntag, 30. Juni, von 18 bis 21 Uhr im Kirchsaal – mit Überraschungen, so wird es etwa Performances geben. Die Wiederaufnahme folgt am Sonntag, 27. Oktober, am selben Ort zur selben Zeit. „Wir hoffen, dass wir dies verstetigen können“, sagt Gerda Müller. Für zwei Jahre sind die Mittel des Projekts gesichert, sie kommen weitgehend aus dem Inklusionsfonds der Landeskirche. Schmunzelnd fügt Müller hinzu: „Und wir freuen uns über Männer und Frauen, die nicht nur Lust zum Tanzen haben, sondern uns auch mit ihrer tatkräftigen Mithilfe an den Tanzabenden und bei der Vorbereitung unterstützen.“