Das Staatliche Museum Schwerin bietet Blinden und Sehbehinderten ein Lese-Tast-Buch zu den Alten Meistern an. Die Museumspädagogin Birgit Baumgart muss sich dafür allerdings einige schroffe Kommentare anhören. Denn Teilhabe ist nicht von allen erwünscht.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Schwerin - Das Staatliche Museum Schwerin hat ein Lese-Tast-Hörbuch zum Goldenen Zeitalter der Niederlande herausgegeben. Darin können Blinde und Sehbehinderte Gemälde ertasten. Die Idee stammt von der Museumspädagogin Birgit Baumgart, die bei ihren Kollegen nicht nur auf Verständnis stößt.

 
Frau Baumgart, wird man einem Kunstwerk gerecht, wenn man es in einer vereinfachten Fassung ertastet?
Es kommt darauf an, was man darunter versteht, einem Werk gerecht zu werden. Wir haben Kunsthistoriker, die sagen, dass man dem Bild nicht gerecht wird, wenn man etwas weglässt oder Kontraste verändert – was man für das Tasten muss. Aber ich denke weniger an das Bild als an die Besucher. Und die können dabei eine ganze Menge erleben.
Worauf kommt es denn an bei der Kunst? Was ist es, was Sie den Blinden und Sehbehinderten vermitteln wollen?
Wenn es um die Farbenpracht im 17. Jahrhundert geht, bleibt sicher etwas auf der Strecke. In Führungen können die Besucher tasten, während ich die Bilder beschreibe. Ein Bild hat uns viel zu erzählen. Ich möchte die Motive vermitteln, die etwas wiedergeben über die Zeit, in der sie entstanden sind. Das finden blinde und sehbehinderte Menschen genauso faszinierend wie sehende Menschen.
Es gibt Museen, die solche Angebote nicht machen, weil sie eine Verflachung der Kunst befürchten. Können Sie das nachvollziehen?
Es ist die Frage, wofür die Kunst da ist. Es geht doch darum, dass die Kunst mit dem Betrachter in einen Dialog tritt. Da haben Blinde und sehbehinderte Menschen die gleichen Bedürfnisse, sie wollen über Bilder kommunizieren. Das hat nichts mit Verflachung zu tun, sondern dass man die Zugänglichkeit dieser Kunst ermöglicht.
Für Ihren Neubau zur Kunst des 20. Jahrhunderts soll auch ein Audioguide in Leichter Sprache, also besonders verständlichem Deutsch, erscheinen. Könnten Sie sich auch vorstellen, Saaltexte in Brailleschrift und Leichter Sprache anzubieten?
Wenn es nach mir ginge: Ja, sofort. Aber leider hat die Vermittlung nicht den Stellenwert, als dass sie das entscheiden könnte.