Die inklusive Bigband Groove Inclusion aus dem Rems-Murr-Kreis feiert bald ihr vierjähriges Bestehen. Ihre jüngste Tour hat sie ins russische Jekaterinburg geführt, wo sie die Teilnehmer des weltweiten Kongresses für Menschen mit Behinderungen zum Tanzen brachte.

Waiblingen - Er hat vor einem Publikum aus rund 30 Nationen gespielt, Fernsehinterviews gegeben und abends in der Hotelbar abgehangen, wie man sich das bei einem Musiker so vorstellt: Till Venrath, 21 Jahre alt, lebt in Waiblingen, spielt in der inklusiven Bigband Groove Inclusion, einem Projekt der Volkshochschule Unteres Remstal, die Melodika und ist vor kurzem mit seinen Bandkollegen ins russische Jekaterinburg getourt.

 

Dort hat die fast 30-köpfige Combo aus dem Remstal, in der seit drei Jahren Menschen mit und ohne Behinderungen gemeinsam fetzige Musik machen, am Weltkongress für Menschen mit Behinderungen teilgenommen. Ziel der viertägigen Veranstaltung war es, auf die Situation dieser Menschen aufmerksam zu machen.

Russland erstmals als Gastgeber

Zum ersten Mal sei Russland das Gastgeberland dieses seit vielen Jahren in Europa, Südamerika und Asien stattfindenden Kongresses gewesen, erzählt Hans Fickelscher, einer der Leiter der Bigband. Letztere war auf Einladung des deutschen Konsulats nach Russland gereist und hat in Jekaterinburg vier Auftritte vor bis zu 1500 Zuschauern bestritten. Die haben die Musiker aus Deutschland gefeiert, welche Hits von „Walk on the wild side“ über „Oye como va“ bis zum eigens einstudierten russischen Lied „Katjusha“ auf dem Kasten hatten. Besonders gut angekommen sei auch das Prinzen-Lied „Alles nur geklaut“, sagt Hans Fickelscher.

Bei dem viertägigen Treffen hat es neben Musik-, Tanz- und Akrobatikworkshops auch Diskussionsveranstaltungen gegeben. Zudem stellten die Teilnehmer interessante inklusive Projekte aus ihren Heimatländern vor. Angelika Bauer, die bei Groove Inclusion Saxofon spielt, hat eine Initiative aus Israel besonders beeindruckt: „Dort werden Menschen mit Down-Syndrom zu Erzieherhelfern ausgebildet und arbeiten in Kindergärten.“

Wodka ist nicht gleich Wodka

Vor Ort sind die Remstäler vom deutschen Konsulat betreut worden, das auch dafür sorgte, dass die recht komplizierte Beschaffung der Visa vor Beginn der Reise glatt lief. Die Sparkassenstiftung habe der Band bei den Reisekosten unter die Arme gegriffen, sagt Hans Fickelscher: „Sonst hätten wir die Reise nicht gemacht.“

Die Großstadt Jekaterinburg selbst habe sich von ihrer besten Seite gezeigt, erzählen die Reisenden: schönstes Wetter und viele freundliche Menschen haben sie in Erinnerung. „Die Leute dort sind lustiger und feiern mehr“, erzählt Till Venrath. „Absolut sicher“ fühle man sich dort auch am späten Abend auf der Straße, sagt Hans Fickelscher. Und Angelika Bauer weiß spätestens seit ihrer Reise, dass Wodka nicht gleich Wodka ist: „In der Bar darf man nicht einfach Wodka bestellen, sondern man muss sagen, welche Marke man haben möchte.“

Die Hotelbar hat Till Venrath ziemlich gut gefallen. Er ist bei der Groove Inclusion gewissermaßen der Mann der ersten Stunde: Er hatte sich damals als Allererster für eine Mitgliedschaft in der Combo beworben und ist seitdem dabei. „Er ist eher der Mann für wenige Töne“, sagt Hans Fickelscher über Till Venrath, dessen Musiklaufbahn in der Schulband „Firetrucks“ der Fröbelschule in Fellbach begonnen hat. Und zwar als Sänger und E-Gitarrist – „aber mit einer Saite“. Erst bei der Groove Inclusion hat er die Melodika entdeckt, die er nun spielt.

In punkto Zusammensetzung hat sich bei der Band, die ein Projekt der Volkshochschule Unteres Remstal ist, seit der Gründung im Jahr 2014 wenig geändert, die meisten Mitglieder sind von Anfang an dabei. „In letzter Zeit bekommen wir verstärkt Anfragen von Leuten, die auch mitspielen wollen“, sagt Hans Fickelscher. Allerdings habe man bei manchen Instrumenten schon jetzt eine Mehrfachbesetzung. Trotzdem lade man Interessierte zum probeweisen Mitspielen ein.

Groove Inclusion ist unser Botschafter“, sagt Stefanie Köhler, die Leiterin der Volkshochschule Unteres Remstal, an der das Bandprojekt ins Leben gerufen worden ist: „Die Band erfüllt in jeglicher Hinsicht den Inklusionsgedanken und wir sind sehr stolz auf sie. Jeder Konzertbesuch ist ein wundervolles Erlebnis.“ Wer sich selbst davon überzeugen will, hat am 14. Januar Gelegenheit dazu: dann spielt die Bigband bei einem Benefizkonzert in der Stuttgarter Vesperkirche. Zudem ist für Anfang nächsten Jahres ein Konzert im Rems-Murr-Kreis geplant, bei dem die Bandmitglieder nicht nur Musik machen, sondern auch von ihrer Russlandreise berichten.