Der 14-jährige Marlon Krüger und seine jüngere Schwester Josefine sind Wiederholungstäter beim „Fußball für alle und jeden“ des Ludwigsburger Stadtverbands für Sport.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Das Kicken auf dem Sportplatz des TSV Ludwigsburg ist für Marlon Krüger, 14 Jahre, und seine zwei Jahre jüngere Schwester Josefine ein quasi heiliger Termin. Dieses kleine Training mit Michael Bentz vom Stadtverband für Sport einfach so schwänzen? Kommt gar nicht in Frage. Marlon ist mit einem Gendefekt geboren worden, er ist ein bisschen langsamer als andere, hat Probleme mit der Motorik. Der Teenager aus Markgröningen besucht die Furtbachschule in Möglingen, ein sogenanntes Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum (SPBZ).

 

Ihr Sohn habe einfach nur Fußball spielen wollen, so wie der größere Bruder Lenard (17) und Josefine, erzählt Marlons Mutter Christine Krüger kurz vor dem Beginn des Trainings auf dem Sportplatz des TSV Ludwigsburg. Doch es sei gar nicht so einfach gewesen, für den Filius mit seinen speziellen Bedürfnissen und Fähigkeiten einen Platz zu finden. Bei fast allen Fußballclubs gehe es immer nur um Leistung, „Marlon kann da nicht mithalten“.

Die Stimmung ist gut auf dem Trainingsplatz. Foto: Av/anti/Ralf Poller

Professioneller Trainer

Von Freuden haben die Krügers dann vom Training mit Michael Bentz gehört – einfach mal vorbei kommen, bei dem Angebot des Mannes, der früher erfolgreich in der Oberliga gekickt hat und die A-Lizenz hat, hieß es. Wer die A-Lizenz besitzt, darf als Chef-Trainer in der Regionalliga arbeiten, in der Frauen-Bundesliga und als Assistenz-Trainer in einer Profi-Liga. Bentz kann indes ganz offenkundig noch viel mehr als das. Er ist Geschäftsführer der Deutschen Kinder Sport Akademie in Ludwigsburg und im Nebenjob Stadtverbandstrainer für Fußball.

Wie läuft ein Training ab?

Montagabend, 18 Uhr. Marlo und Josefine sind schon seit ein paar Minuten auf dem Platz, die Geschwister kicken sich die Bälle zu, lachen sich an und warten auf Michaels Anlage. Dann heißt es: „Schnappt euch die Bälle!“ An diesem ziemlich kalten Tag sind nur gut eine Handvoll Mitspieler gekommen. Zunächst ist Dribbeln mit dem Ball gefragt, das klappt bei machen super, bei anderen nicht ganz so gut. Egal. Bei diesem Trauring geht es in erster Linie darum, Spaß zum haben. Und den haben alle: Marlon, der auf die Fragen, was er später mal machen möchte, spontan keine Antwort weiß, Josefine, die mit einem Strahlen im Gesicht sagt, sie will Fußballprofi werden, und die anderen auch. „Den Ball nicht so weit vorlegen“, ruft Michael Bentz. Später sind dann Koordinationsübungen gefragt – zunächst ohne Ball, später mit Ball.

Trainiert wird mit mit, aber auch ohne Ball. Foto: Avanti/Ralf Poller

Seit wann gibt es das Projekt?

Während des Trainings ist ein Mann oft dabei, der zwar nicht mitspielt, ohne den es das Angebot „Fußball für alle und jeden“ aber gar nicht geben würde: Martin Wegener aus Ingersheim. Wegener ist 45 Jahre alt, er sitzt im Rollstuhl und ist ein glühender Fußballfan – mit seinem blau-weißen Schaal zeigt Wegener für welchen Verein sein Herz schlägt: für die Stuttgarter Kickers. Wegener hat eine Mission. Er will, dass alle mit kicken dürfen – auch Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Behinderung. Früher hat der Bürokaufmann in Ostfildern gelebt und dort ein integratives Fußball-Projekt ins Leben gerufen. Vor ein paar Jahren ist er zurück in seinen Heimatort Ingersheim gezogen und hat für den Landkreis Ludwigsburg Mitstreiter für ein ähnliches Vorhaben gesucht – und schließlich mit Michael Bentz irgendwann auch gefunden. Seit knapp zwei Jahren wird auf dem TSV-Platz gekickt.

Es ist schwierig, für Menschen mit Einschränkungen Vereine zu finden

Martin Wegener sagt, es sei landauf, landab sehr schwierig, für Menschen mit Einschränkungen Vereine zu finden, die ein Fußballtraining anbieten, das nicht nur darauf abzielt Spiele zu gewinnen. „Unsere Kinder“, sagt Christine Krüger, „fallen aus dem Raster“. Menschen mit Behinderung seien „in unserem System nicht vorgesehen“. Wahre Inklusion werde es vermutlich erst dann geben, „wenn man gar nicht mehr darüber reden muss“.

Auf dem TSV-Platz wird nach gut einer halben Stunde dribbeln und springen, richtig gekickt: zwei Mannschaften spielen gegeneinander, geschossen wird auf kleine Tore. Wer einen Treffer erzielt, jubelt – keine Frage. Aber welches Team letztlich gewinnt, das ist bei diesem Trainingskick mit dem Stadtverbands-Trainer zweitrangig.

Einfach mal vorbeikommen

Termin
Das Inklusionstraining „Fußball für alle und jeden“ findet immer am dritten Montag in Monat statt, wenn dieser nicht auf einen Feiertag fällt. Los geht’s um 18 Uhr auf dem Sportplatz des TSV Ludwigsburg in der Bönnigheimer Straße 16. Das Angebot (für alle ab 12 Jahre) ist kostenfrei, eine Anmeldung ist nicht nötig, einfach mal vorbeikommen. Weitere Infos gibt’s bei Michael Bentz, Mobilnummer 0171/94 87 84 8.

Grenzenlos
Die Macher des inklusiven Fußballtrainings sagen, sie wollen (Vereins)Grenzen überwinden. Man setze sich ein für die Beteiligung aller Menschen im Sport. Bei dem Training geht es auch um die Förderung kognitiver und motorischer Fähigkeiten. Das kleine Team, sagt Michael Bentz, lebe gesellschaftlichen Zusammenhalt vor.