Hilfe bei Blasenproblemen Leben ohne Lecks - Inkontinenz muss kein Schicksal sein

„Es gibt eine ganze Menge an Möglichkeiten, um Inkontinenz in den Griff zu bekommen“, sagt die Urologin Carola Wotzka. Foto:  

Blasenschwäche ist ein verbreitetes Problem – gerade bei Männern. Aber kaum einer spricht darüber. Dabei gibt es viele Therapien, sagt die Stuttgarter Ärztin Carola Wotzka.

Gesundheit für Menschen in Stuttgart: Regine Warth (wa)

Es sind meistens nur ein paar Tröpfchen, die danebengehen. Beim Niesen oder Husten etwa. Manchmal auch, wenn der Gang zur Toilette doch nicht so schnell zu bewältigen ist wie gedacht und der Harndrang sehr groß ist. Spätestens dann zeigt sich, wie wichtig der Beckenboden ist – und dass dieser Probleme bereiten kann.

 

„Es ist schon so, dass jeder beim Stichwort Muskeltraining an Arme, Bauch, Beine und Po denkt – aber nicht an das Geflecht von Bändern und Muskeln in der Körpermitte“, sagt die Stuttgarter Urologin Carola Wotzka. Dabei müsste man auch den Beckenboden im Blick haben, hält er doch wie eine Hängematte die inneren Organe an ihrem Platz. Und er lässt sich ebenfalls gut trainieren.

Blasenschwäche betrifft alle Altersgruppen

Seit zehn Jahren leitet die Oberärztin die Kontinenz-Sprechstunde des Beckenbodenzentrums am Diakonie-Klinikum Stuttgart und betreut dort mit ihrem Team rund 1100 Patienten pro Jahr – auch über die Landesgrenzen hinweg. Und deren Leidensdruck ist groß: „Viele versuchen über lange Zeit, ihre Blasenschwäche zu kaschieren“, sagt Wotzka. Doch irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem es ohne ärztliche Hilfe nicht mehr gelingt. Eine Patientin bringt es auf den Punkt: „Dieses Gefühl, nicht dicht zu sein, ist nicht schön.“

Urologin Carola Wotzka. Foto: Diakonie-Klinikum Stuttgart

Das Problem ist weit verbreitet: Rund zehn Millionen Menschen in Deutschland leiden unter einer Inkontinenz – und sprechen nicht darüber. „Gesellschaftlich ist dieses Thema nicht angekommen“, moniert die Deutsche Kontinenzgesellschaft. Dabei liegen die Betroffenenzahlen auf dem gleichen Niveau wie etwa die Diabeteserkrankungen. Es brauche mehr politische Unterstützung und Aufklärung, fordert die Fachgesellschaft. Denn wer sich früh Hilfe holt, kann auch schneller geheilt werden. „Es gibt eine Menge Möglichkeiten, um diese Funktionen wieder in den Griff zu bekommen“, bestätigt die Stuttgarter Urologin Wotzka.

Blasenschwäche häufig nach Schwangerschaften und Wechseljahren

Meist wird Inkontinenz in der Schwangerschaft zum Thema, wenn die Gebärmutter schwerer und für das Geflecht aus Muskeln und Bändern am unteren Ende des Rumpfs zur Belastung wird. Der Beckenboden sinkt ab, der Druck auf die Blase steigt und kann so unkontrollierten Harnabgang auslösen. Bei einer erblich bedingten Bindegewebsschwäche kann es auch schon früher Handlungsbedarf geben. „Da kann es schon mit Anfang 40 zu Inkontinenzproblemen kommen“, sagt Wotzka.

Ein weiterer großer Teil der Patientinnen kommt mit den Wechseljahren in die Sprechstunde, weil in diesem Altersabschnitt die Elastizität und Stärke des Bindegewebes nachlässt. „Auch das hat Auswirkungen auf die Blasenfunktion“, so die Ärztin. Zudem können Übergewicht und Bauchoperationen die Stützfunktion der Gewebeschicht im unteren Becken schwächen. Selbst Männer werden im Alter auf ihren Beckenboden aufmerksam, sagt Wotzka. Meist ab 60, wenn mit den Problemen der Prostata auch das Wasserlassen zum Thema wird. „Nur braucht es bei ihnen noch länger, bis sie darüber reden“, sagt Wotzka.

Wer ständig aufs Klo muss, hat eine Reiz-Blase

Doch eine genaue Anamnese ist wichtig, um aus der Vielzahl an Therapien die individuell passende zu finden. Geht etwa beim Sport oder beim Tragen von Sprudelkisten Urin ab oder auch beim Niesen, Husten und Lachen, handelt es sich um eine sogenannte Belastungsinkontinenz. „Haben Betroffene das Gefühl, ständig aufs Klo zu müssen und verlieren beim Gang auf die Toilette etwas Harn, sprechen wir von einer Dranginkontinenz oder von einer überaktiven Blase, auch Reiz-Blase genannt“, sagt Wotzka.

Sind die Beschwerden nur leicht, helfen Beckenboden- und Blasentraining, das spezialisierte Physiotherapeuten anbieten. Wenn der Arzt das Training verordnet, erstatten die Krankenkassen die Kosten. Danach heißt es dranbleiben und regelmäßig selbst üben. „Inzwischen gibt es Smartphone-Apps mit denen man den Beckenboden überall und unauffällig trainieren kann“, sagt Wotzka. Etwa an einer roten Ampel oder an der Bushaltestelle. Teils verschreiben Ärzte auch Medikamente, die den Blasendruck hemmen und in Kombination mit dem Training gut wirken.

Bei ausgeprägter Blasenschwäche hilft auch eine Operation

Im Beckenbodenzentrum des Diakonie-Klinikums behandelt die Stuttgarter Urologin vor alle Betroffene, bei denen die Beschwerden stark ausgeprägt sind. Hier erreicht man durch Training und Medikamente allein kaum eine Besserung: „Bei Frauen, die etwa unter einer schweren Form der Belastungsinkontinenz leiden, können wir mit einem kleinen operativen Eingriff ein Band unter die Harnröhre legen“, sagt Wotzka. Wenn sich der Beckenboden stark senkt – etwa beim Sport oder Niesen – drückt die Harnröhre auf das Bändchen und wird so verschlossen.

Von dieser Methode profitieren auch Männer, die etwa wegen einer Radikaloperation der Prostata eine Belastungsinkontinenz entwickeln. Eine weitere Möglichkeit ist es, einen künstlichen Schließmuskel zu implantieren: „Wobei dies wirklich nur in sehr schweren Fällen in Betrachtung gezogen wird“, sagt Wotzka.

Auch Botox kommt gegen Inkontinenz zum Einsatz

Bei Menschen mit einer stark ausgeprägten Reiz-Blase gibt es die Möglichkeit der sogenannten Elektrostimulationen. Dabei lösen Stromimpulse in der Vagina oder im After Kontraktionen aus, um die Beckenbodenmuskulatur zu stimulieren. „Inzwischen nutzen wir auch Botox zur Behandlung“, sagt Wotzka. Per Blasenspiegelung wird eine Dosis des Nervengifts in die Blasenmuskulatur injiziert. „Die Symptomatik der Dranginkontinenz lässt sich somit für etwa neun Monate lindern“, sagt die Ärztin. Dann muss die Behandlung wiederholt werden. Hilft auch das nicht, kann ein Blasenschrittmacher implantiert werden.

Rund 85 Prozent ihrer Patienten kann mit dieser Vielzahl an Methoden dauerhaft geholfen werden, sagt Carola Wotzka. „Sie erhalten die Kontrolle über ihre Blase und damit auch ihre Lebensqualität zurück.“

Blasenschwäche – Wie sag ich’s meinem Arzt?

Protokoll
Vor dem ersten Arztbesuch empfiehlt die Kontinenzgesellschaft, ein Protokoll zu schreiben. Darin soll festgehalten werden, wie häufig man tagsüber und auch nachts zur Toilette geht, wie häufig der Urinverlust ist und bei welchen Situationen dies passiert. Man kann zudem messen, wie viel Urin pro Toilettengang abgegeben wird.

Untersuchung
Neben dem Gespräch mit dem Patienten nimmt der Arzt weitere Untersuchungen vor – etwa einen Ultraschall oder eine körperliche Untersuchung, teils kommt auch eine aufwendigere Blasendruckmessung oder eine Blasenspiegelung in Betracht.

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