Staatssekretär Martin Jäger geht zurück nach Berlin. Die Opposition frohlockt und spricht von Flucht. Doch Innenminister Thomas Strobl eröffnet der Abgang Jägers auch eine Chance.

Stuttgart - Der Abschied erfolgte dann doch schneller als gedacht. Dass es der Karrierebeamte Martin Jäger nicht auf Dauer in der Landespolitik aushalten würde, darauf konnte kommen, wer den Lebenslauf des Staatssekretärs im baden-württembergischen Innenministerium studierte: Auswärtiges Amt, Kanzleramt, Sprecher von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, zwischendurch Cheflobbyist von Daimler und Botschafter in Afghanistan. Da wirkt die Sicherheitspolitik im Südwesten – Jägers unmittelbares Aufgabengebiet bei Innenminister Thomas Strobl (CDU) – eher kleinteilig.

 

Aber eine Verweildauer von nur eineinhalb Jahren ist selbst für Leute vom Kaliber Jäger arg kurz. Das wirft Fragen auf, auch wenn Strobl den Weggang seines neben Amtschef Julian Würtenberger wichtigsten Mitarbeiters im Innenministerium mit der Regierungsbildung in Berlin begründet: „Wenn er persönlich entscheidet, nach Berlin zurückzukehren, muss er es jetzt machen.“ Jäger soll beamteter Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung werden, das von dem CSU-Politiker Gerd Müller geführt wird.

Unzufriedenheit in der CDU-Landtagsfraktion

Jägers Abschied, der möglicherweise als Flucht verstanden werden kann, birgt für Innenminister Strobl einen Vorteil und zwei Nachteile. Zuerst der Vorteil: Ein maßgeblicher Grund für Strobls mangelnde Akzeptanz in der CDU-Landtagsfraktion liegt in der anhaltenden Unzufriedenheit etlicher Abgeordneter, deren Traum von einem Regierungsamt bei der Bildung der grün-schwarzen Koalition 2016 unerfüllt blieb. Diese Wunde könnte Strobl nun heilen, beriefe er ein Fraktionsmitglied der Landtagsfraktion zum beamteten Staatssekretär. Siegfried Lorek, Polizeisprecher der Fraktion, käme in Frage. Die Anciennität spräche indes eher für Fraktionsvize Thomas Blenke.

Zwar müsste ein Abgeordneter für den Posten eines beamteten Staatssekretärs sein Mandat aufgeben, doch Vergleichbares kam schon vor. So wechselte Klaus Tappeser, heute Regierungspräsident in Tübingen, 2008 unter Hingabe seines Mandats als Ministerialdirektor ins Wissenschaftsministerium. Ein Jahr zuvor hatte Carmina Brenner das Angebot Günther Oettingers angenommen, Präsidentin des Statistischen Landesamts zu werden. Allerdings könnte Strobl auch versucht sein, einen politischen Staatssekretär einzufordern, den die CDU noch frei hat. Dieses Amt ist mit dem Abgeordnetenmandat vereinbar.

Die Häme der Opposition

Jägers Abgang ist für den Innenminister aber auch misslich, verliert er doch einen versierten Regierungsprofi, von dem 2016 gesagt worden war, er sei vom damaligen Finanzminister Schäuble nach Stuttgart entsandt worden, um den Schwiegersohn Strobl zu stabilisieren. Strobl wird sich künftig intensiver mit den Details der Sicherheitspolitik befassen müssen. Vor allem sieht aber sieht er sich nun der Häme der Opposition ausgesetzt, die umgehend die Metapher vom sinkenden Schiff bemüht, das Jäger verlasse. Der SPD-Abgeordnete Sascha Binder äußerte sich entsprechend. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sagte: „Offensichtlich ist Jäger die fehlende Professionalität seines Ministers leid.“ FDP und SPD versuchen seit Tagen, Strobl einen Skandal an den Hals zu hängen, weil unlängst in einer Pressemitteilung des Ministeriums von „verdeckten Kräften des Landeskriminalamts“ die Rede gewesen war, die in Sigmaringen das Sicherheitsgefühl der Bürgerschaft stärken sollen. Dort sind im Prinzenpark am Bahnhof viele Bewohner der Landeserstaufnahmestelle unterwegs. Die Opposition witterte in der Formulierung in der Pressemitteilung prompt einen „Geheimnisverrat“. FDP-Fraktionschef Rülke sprach am Freitag von einem „Prinzenpark-Gate“. Das Ganze wirkt ziemlich aufgebauscht, trifft aber Strobl, der als Vizeministerpräsident noch andere Probleme hat: zum Beispiel die mit den Grünen im Koalitionsvertrag vereinbarte Wahlrechtsänderung gegen die eigene Landtagsfraktion durchzusetzen. Strobl Überzeugungskraft als Spitzenkandidat bei der nächsten Landtagswahl gilt in der CDU noch als ausbaufähig.