In der Metropole ist die AfD um ein bürgerliches Image bemüht. Berlins Innensenator Andreas Geisel fragt sich, ob das nur Taktik ist.

Berlin - – Andreas Geisel, 1966 in Ostberlin geboren, ist seit Dezember 2016 für die SPD Senator für Inneres und Sport in der Hauptstadt. Die AfD sei in Berlin offiziell um ein möglichst seriöses, bürgerlich-konservatives Image bemüht, sagt er. Das gelinge mal mehr und mal weniger.

 

Herr Geisel, warum beobachtet der Verfassungsschutz in Berlin die AfD nicht?

Nach unserer Einschätzung sind die Satzung und das Parteiprogramm der AfD verfassungskonform. Die üblichen Voraussetzungen für eine Beobachtung der Partei sind deshalb im Moment in Berlin nicht gegeben. Die politische Meinung der AfD nicht zu teilen und sie energisch abzulehnen reicht in der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht für eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Wir stellen jedoch immer wieder extremistische und strafrechtsrelevante Äußerungen von Parteimitgliedern der AfD fest, weshalb wir natürlich bei der Entwicklung der AfD genau hinschauen. Würden wir uns für eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz entscheiden müssen, wäre dies nur nach einer bundesweiten Abstimmung sinnvoll, da die Partei bundesweit aktiv ist.

Experten sehen eine stetig fortschreitende Radikalisierung der AfD. Der Einfluss völkischer Kräfte wächst. Bewerten Sie das in Berlin ebenso?

Tatsächlich ist die AfD in Berlin offiziell um ein möglichst seriöses, bürgerlich-konservatives Image bemüht. Dieses Image aufrechtzuerhalten gelingt der Partei in der alltäglichen politischen Arbeit in Berlin mal mehr und mal weniger. Provokante Stellungnahmen in Ausschuss- und Parlamentssitzungen und auch die Zielrichtung bestimmter Parlamentarischer Anfragen lassen die radikale Ausrichtung der Partei allerdings immer wieder auch offen zutage treten. Besonders radikale Parteimitglieder wurden zwar aus der Abgeordnetenhausfraktion der Partei ausgeschlossen, in der AfD dürfen sie aber weiterhin sein.

Einzelne Abgeordnete beziehen sich auf die Identitäre Bewegung und haben auch keine Berührungsängste zur NPD. Sehen Sie Verbindungen zwischen der AfD und rechtsextremistischen Gruppierungen?

Berichte über Verbindungen der Identitären Bewegung zu Untergliederungen der Berliner AfD gibt es bereits seit Längerem. Auch rechtsextreme Äußerungen einzelner AfD-Mitglieder sind bekannt. Allerdings hat die Partei in Berlin nach dem Bekanntwerden solcher Vorwürfe auch reagiert. So wurde zwischenzeitlich der Landesvorstand der Jungen Alternative aufgelöst. Die Frage bleibt, wie nachhaltig solche Maßnahmen sind und inwieweit sie dem tatsächlichen Meinungsbild der Partei entsprechen oder ob es sich schlicht um taktische Manöver handelt, um nach außen den seriösen Schein zu wahren.

Anfang des Jahres gab es Kritik aus den Landesämtern daran, dass das Bundesamt die Gefahr der AfD unterschätze und die Vorfeldarbeit vernachlässigt habe. Wie beurteilen Sie diese Kritik?

Der Verfassungsschutz hat ein breites Aufgabenspektrum zu bewältigen. Dies gilt besonders für Berlin, wo alle extremistischen Strömungen vom Islamismus über den Links- und Rechtsextremismus bis hin zu Spionageaktivtäten ausländischer Dienste präsent sind. Insofern müssen für die alltägliche Arbeit Schwerpunkte gesetzt werden. Die alleinige Konzentration auf gewaltbereite Strömungen würde dem gesetzlichen Auftrag des Verfassungsschutzes nicht gerecht werden. Gefahren für unsere Demokratie gehen nicht nur von Gewalttätern aus. Oft ist die Sogkraft derer, die versuchen, betont seriös daherzukommen, sogar um einiges größer. Berlin hat daher schon sehr früh ein Augenmerk auf die Beobachtung von Bewegungen der sogenannten Neuen Rechte wie etwa der Identitären Bewegung gelegt. Wir nehmen die Vorfeldarbeit ernst.