Eine Innenstadt macht mehr als einen Einkaufsstandort aus Foto: Simon Granville
Was macht eine Innenstadt attraktiv? Ist heute noch nachgefragt, was sich über Jahrzehnte bewährt hat? Die Kernstadt von Ditzingen verändert sich unweigerlich. Über das Wie wird zum Teil heftig gestritten.
Franziska Kleiner
24.01.2025 - 13:13 Uhr
Was macht eine Stadt attraktiv? Neben Wohnen, Arbeiten, Bildung wird eine Kommune immer auch daran gemessen, was in ihr erhältlich ist. Das Alltägliche – Bäcker, Metzger, Lebensmittelmarkt – für die Bewohner anzubieten, gilt als kommunale Pflichtaufgabe. Nicht zuletzt, um um in der Konkurrenz der Städte und Gemeinden ein Mindestmaß an Konkurrenzfähigkeit zu wahren. Doch das allein macht noch keine Innenstadt aus, die Aufenthaltsqualität hat und zum Verweilen einlädt. „Die richtige Mischung macht die Attraktivität aus“, sagt Guido Braun aus Ditzingen.
Hilft ein Citymanager?
Der stellvertretende Vorsitzende des lokalen Wirtschaftsvereins Aktive Wirtschaft Ditzingen (AWD), setzt wie sein Vorstandskollege Martin Böpple auf einen ansprechenden Mix aus Handel und Dienstleistungen, auf einen funktionierenden Wochenmarkt ebenso wie Veranstaltungen in der Weihnachtszeit oder thematische Messen wie „Ditzingen mobil“. Ob ein Citymanager dabei helfen wird, zeigt sich in den kommenden Wochen.
In der Großen Kreisstadt mangelt es, Braun und Böpple zufolge, zum Beispiel im Gastrobereich. Konkret: an einem Angebot gutbürgerlicher Küche. „Uns fehlt die Linde“, sagt Martin Böpple. Das Restaurant in der Ortsmitte, laut der eigenen Internetseite seit 1710 in Familienbesitz, stand über Generationen hinweg für Tradition und Gastlichkeit. Seit März vergangenen Jahres aber ist das Restaurant dicht – laut eigener Aussage „wegen Personalmangel“. Vor kurzem hat nun auch der Ratskeller zugemacht, dessen Pächter offensichtlich kurzfristig hingeschmissen hat.
Auch beim Einzelhandel sehen die beiden durchaus Potenzial: „Der Stadt täte es gut, noch ein weiteres Ladengeschäft zu haben mit Flair und einem entsprechenden Einkaufsangebot“, so Braun. Gleichwohl: Flächen in der Innenstadt sind rar, leer stehende Flächen seien schnell wieder verpachtet oder vermietet.
Nichtsdestotrotz werben beide offen für weitere Impulse – zum Beispiel aus der Start-up-Szene. Der Jugendgemeinderat will sich damit befassen, auch in der AWD ist das Thema präsent, signalisieren Braun und Böpple. Man wolle Anreize für Start-up-Unternehmer schaffen. Dafür sollen potenzielle Vermieter animiert werden zu hinterfragen, „ob die höchstmögliche Miete erwirtschaftet werden muss, um die Fläche zu bespielen“, sagt Braun.
Sie sehen auch die AWD als einen Impulsgeber, der derzeit aber weder die notwendige Stabilität hat, noch das Neue alleine finanzieren und umsetzen kann: Der Verein hat seit Jahren keinen ersten Vorsitzenden, inzwischen fehlt zudem der dritte Stellvertreter im Vorstand sowie ein Schriftführer. Und klar ist laut Böpple und Braun auch, dass das Ehrenamt im Verein Unterstützung durch eine Geschäftsstelle benötigt.
85 Mitglieder suchen einen Vorsitzenden
Die rund 85 Mitglieder sind Ende des Monats bei der Mitgliederversammlung dazu aufgerufen, dem Verein zur Stabilität zu verhelfen. Bei der Versammlung wird es zudem um die Zukunft eines professionellen Citymanagements gehen. Ein externer Citymanager stand seit zwei Jahren Stadt und AWD zur Seite, für ein drittes Jahr ist weiterhin das Budget da. Nachdem sich der Citymanager beruflich umorientierte, ist die Begleitung weniger intensiv, wenngleich noch vorhanden. Wie es weitergeht, ist offen. Laut Braun und Böpple könne die AWD keinen Citymanager alleine finanzieren. Mit Blick auf die schwierige finanzielle Situation der Stadt plädiert Braun für eine künftig projektbezogene Unterstützung durch die Stadt. Braun ist zugleich Hauptsamtleiter von Ditzingen, weiß also um die finanzielle Situation der Stadt. Unklar ist freilich auch, ob der Gemeinderat in dieser Situation die anfallenden Ausgaben überhaupt genehmigen würde – auch wenn AWD und Stadt ein gutes Miteinander pflegen. Der Gemeinderat hatte der AWD zuletzt ein Budget für drei Jahre zugesichert, um das Citymanagement zu professionalisieren.
Martin Böpple /Geronimo Schmidt
Selbst wenn die Entscheidung letztlich gegen einen – zum Beispiel beim Verein angestellten – Citymanager ausfällt, so bedeutet das laut Braun nicht das Aus für ein professionelles Citymanagement, aber „man darf nicht erwarten, dass er der Heilsbringer ist“. Vielmehr müsse man die eigenen Netzwerke intensivieren, auf die einzelnen Sparten zugehen, dem eigenen Verein zur Stabilität verhelfen– möglicherweise auch durch eine moderate Erhöhung der Mitgliederbeiträge. So oder so brauche erfolgreiches Citymanagement einen langen Atem. Und für die Angebote müsse es einen Markt geben – das gelte sowohl in der Innenstadt, als auch am Bahnhof. Beides solle sich ergänzen.
Guido Braun /Foto: Geronimo Schmidt
Dasselbe gilt auch für das Messeangebot wie Ditzingen Mobil. Auch wenn die örtlichen Anbieter sich zurückgezogen haben, sei die Messe eine „Ditzinger Veranstaltung mit regionalem Charakter“, so Braun. „Wir wären schlecht beraten, wenn wir ein gut funktionierendes Angebot canceln würden.“ Am Funktionierenden festhalten, dieses weiterentwickeln – und dabei offen bleiben, diesen Weg wollen Braun und Böpple weitergehen. „Wir müssen mit der Zeit gehen, Neues prüfen, auch etwas wagen“, sagt Braun.