Szenen wie aus dem Anti-Terror-Kampf spielen sich am Donnerstag im Bohnenviertel ab: Ein 20-Jähriger hantiert auf einem Dach mit einer Waffe. 250 Polizeibeamte sind im Einsatz, um die Lage zu sichern.

Stuttgart - Das Bohnenviertel gehört zu den lebendigsten Quartieren in der Stadt. Am Donnerstagnachmittag aber glichen die Straßenzüge zwischen Leonhardskirche und dem Charlottenplatz einer belagerten Festung. Ein 20 Jahre alter Mann hatte mit einem Luftgewehr auf dem Dach eines Gebäudes an der Ecke Esslinger Straße und Rosenstraße hantiert und war dabei beobachtet worden. Dieses offenbar gedankenlose Tun löste einen mehrere Stunden andauernden Großeinsatz der Polizei aus. Zirka 200 Kräfte, darunter auch das Sondereinsatzkommando aus Göppingen, waren vor Ort.

 

Es war gegen 15.40 Uhr, als sich eine Anwohnerin bei der Polizei meldete und davon berichtete, dass sich ein Mann mit einer Waffe auf dem Dach eines Gebäudes an der Rosenstraße befinde. Bereits gegen 16 Uhr, so berichteten Gastronomen und Einzelhändler, war das Quartier von der Polizei komplett abgeriegelt, an rot-weißen Absperrbändern endete an diesem Nachmittag für viele Bewohner des Quartiers für einige Stunden der Heimweg.

Ein Hubschrauber kreist, der Verkehr staut sich

Während die Sondereinsatzkräfte das Haus umstellten, wurden die Nachbarn in den Häusern der näheren Umgebung aufgefordert, die Gebäude nicht zu verlassen und die Fenster nicht zu öffnen, auch zu den Geschäften gab es keinen Zutritt mehr. Weil wegen des Großeinsatzes der Charlottenplatz gesperrt wurde, staute sich der Berufsverkehr in weitem Umkreis der Innenstadt. Im Quartier selbst herrschte gespannte Ruhe, über der Stadt kreiste ein Polizeihubschrauber.

Eine Händlerin, deren Laden sich in direkter Nähe des Geschehens befindet, sagte: „Gegen 16 Uhr habe ich beobachtet, wie Polizisten mit Maschinengewehren vor dem Geschäft aufmarschiert sind.“ Die Beamten hätten dann begonnen, Passanten in die Unterführung zum Charlottenplatz zu treiben, um sie aus der möglichen Schusslinie zu bringen.

Gegen 17.30 Uhr die erste Erleichterung: Polizeisprecher Stefan Keilbach meldete, dass sich ein 20-Jähriger bei Beamten gestellt und erklärt habe, dass er auf dem Dach des Hauses mit einer Waffe herumgespielt habe. Aber erst gegen 18.15 Uhr konnten die Beamten Entwarnung geben. Nach der Durchsuchung eines Gebäudes an der Esslinger Straße direkt hinter dem Breuninger-Parkhaus, wo offenbar Verwandte des jungen Mannes leben, stellte sich heraus, dass es sich bei der Waffe um ein „Luftdruckgewehr handelt, mit dem man 4,5 Millimeter Diabolo-Geschosse abfeuern kann“, wie Pressesprecher Keilbach erklärte. Das Gewehr hatte man im Keller des Gebäudes gefunden, wo es vermutlich seit längerem lagerte. Von dem Haus an der Esslinger Straße, das Teil eines Gebäudekomplexes mit zusammenhängender Dachlandschaft ist, gelangte der 20-Jährige auf das Haus an der Rosenstraße.

Das Motiv – nur „ein Blödsinn“

Zum Motiv des jungen Mannes, sich mit der „wohl erlaubnisfrei“ zu erwerbenden Waffe auf dem Dach zu bewegen, erklärte der Polizeisprecher, es scheine sich dabei „um einen Blödsinn“ gehandelt zu haben. Nach bisherigem Stand der Erkenntnis habe dieser nicht vorgehabt, mit dem Luftgewehr auf jemanden zu schießen.

Nach der Vernehmung wurde der Mann am Donnerstagabend wieder auf freien Fuß gesetzt. Welche strafrechtlichen und finanziellen Konsequenzen der Vorgang für den 20-Jährigen haben wird, ist noch nicht klar. Fest steht: Ein Einsatz mit einem derartig großen Polizeiaufgebot sowie mit Rettungskräften von Feuerwehr und DRK koste „einige zehntausend Euro“, so Keilbach.

Die Bewohner des Viertels, die einige Stunden nicht in ihre Wohnungen konnten und am Absperrband warten mussten, trugen es mit Fassung. „So langsam wird es kalt“, sagte Lisa-Marie Teufel nach zweieinhalb Stunden warten, sie war nur kurz mit einer Freundin weggewesen. Angst habe sie nicht gehabt, sagte die 24-Jährige und erklärte angesichts des großen Polizeiaufgebots: „Die kriegen das schon hin.“ Auch Sonja Berg fand das konsequente Vorgehen der Polizei eher gut. Da fühle man sich dann als Anwohnerin auch sicherer.