Die große Koalition will keinen innenpolitischen Streit mehr, dennoch gibt es noch einige Reformen.

Berlin - Der Fall machte Schlagzeilen: Ibrahim Miri, ein führendes Mitglied eines vor allem im Großraum Bremen aktiven arabischen Familien-Clans, ist ein mehrfach verurteilter Intensivtäter, unter anderem wegen Drogenhandels. Nach seiner Haftentlassung wurde er im Sommer 2019 in den Libanon abgeschoben. Aber trotz einer Einreisesperre tauchte er wieder in Deutschland auf und stellte erneut einen Asylantrag, den die Behörden abarbeiten mussten.

 

Sicherungshaft ohne Fluchtgefahr möglich

Die große Koalition hat sich nun darauf verständigt, solche Vorkommnisse künftig zu erschweren. Die Innenpolitiker von Union und SPD sind sich einig, dass künftig in Sicherungshaft genommen werden kann, wer trotz einer verhängten Einreisesperre wieder nach Deutschland kommt und von den Behörden erkannt wird. Bisher war das nur bei offenkundiger Fluchtgefahr möglich. Die Regelung ist eine Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner – die Union wollte mehr, nämlich ein beschleunigtes Asylverfahren für Fälle, in denen ausgewiesene Antragsteller mit Einreisesperre wieder nach Deutschland gekommen sind. Das war mit der SPD nicht zu machen. Sie wies darauf hin, es könne immer sein, dass sich in der Zwischenzeit die politischen Bedingungen im Herkunftsland grundlegend geändert haben. Zum Beispiel könnten konkrete Abschiebe-Hindernisse vorliegen.

Keine Kämpfe mehr und das Machbare umsetzen

Die Einigung beim Aufenthaltsgesetzes ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Innenpolitiker der Regierungsparteien die letzte Phase der Wahlperiode angehen wollen: keine Kämpfe mehr, das Machbare umsetzen und die Grenzen beim jeweiligen Gegenüber anerkennen. Dazu gehört auch die Reform des Bundespolizeigesetzes. Hier soll sichergestellt werden, dass die Polizei in der digitalen Welt die gleichen Befugnisse hat wie in der analogen Sphäre. Das ist keine Kleinigkeit. Unter strengen Voraussetzungen und nach richterlicher Überprüfung kann die Polizei die telefonische Kommunikation von Verdächtigen überwachen. Aber wenn die betreffende Person Botschaften über Messenger-Dienste weiter gibt oder zum Telefonieren nutzt, schauen die Ermittler in die Röhre. Zum Beispiel gibt es keinen Zugriff auf den beliebten Dienst WhatsApp. Das soll sich ändern, darüber besteht Einigkeit zwischen Union und SPD.

Das dritte Reformgesetz betrifft den Verfassungsschutz: Verfassungsschützern soll es künftig erlaubt werden, auch gezielt Einzelpersonen ins Visier zu nehmen. Bisher galten einzig Organisationen und Zusammenschlüsse als Gegenstand der Arbeit der Behörde. Die Erweiterung ist auch eine Folge aus den Erkenntnissen über die Anschläge in Hanau und Halle, die von Einzeltätern, wenn auch mit möglichem Unterstützer-Hintergrund, begangen wurden. Geregelt werden soll auch die Einbeziehung des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), der für die Bundeswehr zuständig ist.

Streitpunkt Online-Durchsuchung bleibt ungelöst

Sowohl beim Bundespolizeigesetz als auch beim Verfassungsschutzgesetz haben sich die Koalitionäre zur Ausklammerung des größten Streitpunktes durchgerungen: Die Union möchte der Polizei den Zugriff auf private Rechner – so genannte Online-Durchsuchungen – ermöglichen, allerdings unter Richtervorbehalt und begrenzt auf einen Katalog schwerster Straftaten. Dazu wurden bereits Formulierungsvorschläge gemacht. So wollte die Union Online-Durchsuchungen ermöglichen, „wenn Anhaltspunkte für eine im Einzelfall drohende konkrete Gefahr“ oder eine „Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut“ besteht, etwa zur Verhinderung eines Terrorangriffs oder Mordes. Das scheitert wohl an der SPD. Die innenpolitische Sprecherin Ute Vogt spricht von einem „sehr weitgehenden Eingriff in die Privatsphäre“. Es gebe zwar noch keine endgültige Positionierung der Fraktion, aber doch „große Skepsis“. Klar ist schon jetzt, dass die SPD die Kompetenz zur Online-Durchsuchung nicht dem Verfassungsschutz geben will. Auch das hätte sich die Union vorstellen können.

Eine letzte Aufgabe hat jüngst das Bundesverfassungsgericht den Koalitionären ins Aufgabenheft geschrieben: Bis Ende 2021 müssen die Leitlinien für die Auslandsüberwachung des BND formuliert werden, unter besserer Wahrung des Grundrechtsschutzes. Auch das muss noch in dieser Wahlperiode angepackt werden.