Die Bundesregierung dringt auf mehr Einheitlichkeit bei der Polizeiausrüstung – doch das ist eine Frage des Geldes.

Stuttgart - Was eine moderne Ausrüstung wert ist, hat ein baden-württembergischer Polizist Ende Juli bei einer Schießerei in Konstanz auf drastische Art erfahren: Ein Schutzhelm aus Titan rettete ihm das Leben, als ein Diskobesucher mit einer Kriegswaffe um sich schoss. Die Kerbe darin ist deutlich sichtbar. „Wäre dasselbe in Berlin passiert, hätte das für den Kollegen anders ausgehen können, wir haben diese Helme nicht“, sagte wenige Tage darauf der Berliner Polizist Alexander Klimmey, als sich Bundeskanzlerin Angela Merkel beim TV-Sender RTL den Fragen von Bürgern stellte. Und er wollte wissen, wann bei der Polizei endlich mehr Einheitlichkeit herrscht. Merkel versprach, mit den Ministerpräsidenten zu reden, und sagte, die Menschen verstünden nicht, dass etwa Videoüberwachung, Schleierfahndung und Ausrüstung in den Ländern unterschiedlich gehandhabt wird.

 

Was steckt hinter dieser Klage? In der Tat herrscht auf dem Feld der inneren Sicherheit viel föderaler Wildwuchs – auch bei der Ausrüstung der Polizei. Zwar bemüht sich die Innenministerkonferenz um einheitliche Standards, und an Empfehlungen und Richtlinien mangelt es auch nicht: Das Polizeitechnische Institut der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster ist seit Jahren die zentrale Instanz für Bund und Ländern. Doch letztlich setzt die Politik finanzielle Prioritäten – und die fielen in den vergangenen Jahren je nach Bundesland mal für, mal gegen die innere Sicherheit aus. Erst seit den Terroranschlägen von Paris und Nizza investieren Bund und Länder wieder massiv in die Polizei. Doch über Nacht lassen sich Defizite nicht beheben. Und das Problem der unterschiedlichen Standards harrt weiter einer Lösung.

Wildwuchs bei der Software

Beispiel Informationstechnik: Die Beamten verwenden eine Vielzahl von Fallbearbeitungs- und Fahndungssystemen. So wird etwa die vom Bundeskriminalamt (BKA) entwickelte Software Artus zwar von Schleswig-Holstein, Bremen und der Polizei des Bundestags genutzt, von anderen aber nicht. Das Fallbearbeitungssystem b-case wiederum nutzen Bund und Länder – außer Hamburg, Sachsen, Thüringen, Hessen, Baden-Württemberg und Brandenburg. Die Liste ließe sich verlängern. Die Bundesregierung räumte deshalb im vergangenen Jahr unumwunden ein, sie halte „eine Homogenisierung und Standardisierung der polizeilichen IT-Systemlandschaft für erstrebenswert“. In Zukunft soll dies der vom BKA entwickelte „Polizeiliche Informations- und Analyseverbund“ (Piav) leisten. Doch in Stuttgart rechnet man damit, dass dies allenfalls „mittelfristig“ gelingt.

Welche Folgen unterschiedliche technische Standards haben können, hat die Polizeiführung im Land noch gut in Erinnerung: Beim Schwarzen Donnerstag im Stuttgarter Schlossgarten, als im Herbst 2010 der Wasserwerfereinsatz eskalierte, machte die Polizei zahlreiche Videoaufnahmen. Doch manche waren nicht gerichtsfest, weil Einheiten aus verschiedenen Ländern ihre Kameras nicht aufeinander abstimmen konnten. So waren Datum und Uhrzeit unterschiedlich.

Neue Maschinenpistolen

Beispiel Waffen: Die meisten Landespolizeien haben noch die alte Maschinenpistole MP 5 von Heckler & Koch in Gebrauch, obwohl das Nachfolgemodell MP 7 angesichts der aktuellen Terror-Lage als die deutlich bessere Waffe gilt. Terroristen seien häufig mit Kalaschnikows ausgerüstet, sagen Sicherheitsexperten, dem müsse die Polizei in puncto Treffleistung und Reichweite etwas entgegensetzen. Dasselbe gilt für ballistische Schutzausstattung: Der Standard, dass in jedem Streifenwagen zwei Schutzwesten vorhanden sind, gilt nicht überall. Denn auch das ist eine Frage des Geldes. 170 Millionen Euro gebe das Land in 2016 und 2017 für die Anschaffung der MP 7, für Schutzausstattung und Fahrzeuge aus, betont Innenminister Thomas Strobl.

Beispiel Fuhrpark: Manche Länder setzen bei der Flotte auf Leasing, manche auf Kauf. Der Vorteil des Leasingmodells ist, dass Dienstwagen regelmäßig durch neue ersetzt werden können. Baden-Württemberg verfährt so und tauscht so immer wieder große Teile der rund 5200 Fahrzeuge verschiedener Modelle und Klassen (zumeist Mercedes und VW) aus. Die Berliner Polizei, so wurde kürzlich bekannt, nutzt hingegen bis zu 32 Jahre alte Fahrzeuge. Auch aus anderen Ländern dringen immer wieder Klagen über veraltete Fuhrparks. Ausgetauscht wurden in Baden-Württemberg jüngst auch die sechs Airbus-Helikopter für insgesamt 60 Millionen Euro. Selbst Gewerkschafter wie GdP-Landeschef Hans-Jürgen Kirstein zeigen sich deshalb insgesamt zufrieden: „Bei der Ausrüstung ist Baden-Württemberg gut aufgestellt.“

Gewerkschaft hat Wünsche

Beim Stichwort Standards sieht der Gewerkschaftschef jedoch sehr wohl ein Defizit: „Die meisten Länder haben die zweigeteilte Laufbahn für Polizeibeamte, Baden-Württemberg aber nicht.“ Diesen alten Wunsch, die Polizisten nur noch im gehobenen und höheren, nicht aber im mittleren Dienst einzustufen, hat bisher noch keine Landesregierung vollständig erfüllt. Auch das ist Ländersache. Und auch das ist eine Geldfrage.