Startups in Konstanz müssen ihrem Standort nur noch selten den Rücken zukehren. Das liegt nicht nur am Bodensee und der hohen Lebensqualität, sondern auch an einem stetig sich entwickelnden Ökosystem.

Konstanz - Viel Bedenkzeit brauchte Tobias Kuentzle nicht, als Jens Riegger seinen ehemaligen Studienkollegen aus Karlsruhe Anfang 2016 anrief und von der Geschäftsidee von Manuel Frey und sich berichtete. Kuentzle reiste nach Konstanz und lies sich von dem Vorhaben überzeugen. Mittlerweile ist er einer der Gründer eines Startups in Konstanz das sich Fruitcore nennt.

 

„Gründen war schon immer eine Option für mich“, sagt Riegger, der Geschäftsführer des jungen Unternehmens. Die Begeisterung der Maschinenbauer fürs Gründen ging sogar soweit, dass sie, als sich ihre Wege nach dem abgeschlossenen Bachelorstudium in Karlsruhe trennten und Riegger an die Hochschule Konstanz für Technik Wirtschaft und Gestaltung (HTWG) wechselte, vereinbarten: „Wenn ich eine Idee habe, rufe ich dich an“.

Das Startup hat sich auf Robotertechnik spezialisiert und im Oktober auf einer Stuttgarter Fachmesse den Roboter „Horst“ vorgestellt – wie „Highly Optimized Robotic Systems Technology“. „Die Messebesucher haben uns die Bude eingerannt“, sagt der junge Geschäftsführer. Das Feedback der Unternehmen sei gut gewesen: „Unser Ziel war es, fünf Pilotkunden zu finden. Jetzt gibt es so viele Anfragen, dass wir uns aussuchen können, mit wem wir zusammenarbeiten wollen“. Für den Roboter, der beispielsweise bei der Bestückung von CNC-Maschinen eingesetzt werden kann, werben die Gründer mit „wettbewerbsfähiger Leistung zu minimalem Preis“. Tatsächlich liegt der Kaufpreis weit unter dem vergleichbarer Konkurrenzprodukte.

Das Technologiezentrum TZK in Konstanz gibt es schon seit 1985

Geeignete Räumlichkeiten für die Weiterentwicklung von „Horst“ fanden die Tüftler auf dem hochpreisigen Immobilienmarkt im Technologiezentrum Konstanz (TZK). Der verschachtelte Bau, entstanden in den 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts und ehemals im Besitz von Textilgroßhändlern und Blusenfabrikanten, befindet sich in direkter Nähe zur Schweizer Grenze im Stadtteil Paradies. „Das 1985 eröffnete Technologiezentrum Konstanz ist eines der ersten seiner Art in Baden-Württemberg“, sagt Stefan Stieglat, seit acht Jahren Geschäftsführer der Einrichtung. Der Verwaltungswissenschaftler kann von einer seit mehreren Jahren erhöhten Nachfrage nach Räumlichkeiten berichten: „Mit derzeit 40 Unternehmen im TZK sind wir an der Kapazitätsgrenze angelangt“. Der Blick auf die ehemaligen Mieter beweist den Erfolg des Zentrums: Die Sunways AG, Produzent von Solarzellen, Wechselrichtern und Solarmodulen, beschäftigte vor der Solarkrise mehr als 300 Personen und ging aus einem Ingenieurbüro im TZK hervor.

Auch das Ärztenetzwerk Coliqio, das bereits mehr als 160.000 deutschsprachige Mediziner vernetzt, und die Seitenbau GmbH, ein bundesweit tätiges IT-Unternehmen, fassten in dem Zentrum Fuß und beschäftigen mittlerweile weit mehr als 80 Mitarbeiter.

Nähe zur Schweiz ist ein besonderer Trumpf für Startups in Konstanz

Den Schwerpunkt von erfolgreichen Gründungen im IT-Bereich erklärt Stieglat mit dem gut funktionierenden, grenzüberschreitenden Netzwerk CyberLAGO, das seinen Sitz ebenfalls im TZK hat: „Gründer erhalten durch die Netzwerkarbeit schon früh wichtige Hilfestellungen“. Neben dem IT-Netzwerk leistet auch BioLAGO, ein Zusammenschluss zahlreicher Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus der Life Science-Branche in der Vierländerregion Bodensee, Unterstützung bei Gründungen.

Um auch in Zukunft genügend Flächen für Gründer zu haben, arbeitet Stieglat in Kooperation mit der Stadt Konstanz, die das als gemeinnütziger Verein betriebene Technologiezentrum finanziell unterstützt, und der HTWG an einem Konzept für die Zukunft. Der Entwurf eines gemeinsam von Stadt und Hochschulen getragenen Gründer- und Innovationszentrums auf dem Gelände einer heutigen Berufsschule in unmittelbarer Nähe zur Hochschule am Seerhein, erfuhr bei Gemeinderat und Hochschulgremien breite Zustimmung.

Nur etwa zwei Kilometer trennen des Konstanzer Technologiezentrum und das Bodenseeforum Konstanz, das im Oktober feierlich eröffnet wurde. Das eindrucksvolle Gebäude, gelegen an einer der Haupteinfahrtsstraßen, ist sowohl Veranstaltungshaus als auch Hauptsitz der IHK Hochrhein-Bodensee. „Konstanz ist als Gründerstandort vielseitig, aktiv, aber noch wenig sichtbar“, sagt Alexander Vatovac, verantwortlich für Existenzgründung und Unternehmensförderung bei der Industrie- und Handelskammer. Vatovac wechselte vor rund acht Monaten von der Wirtschaftsförderung München an den Bodensee. Beim Gespräch in den neuen Räumlichkeiten erzählt er auf der Sonnenterrasse von den Vorzügen des Standorts: „Konstanz ist international, jung und hat eine hohe Lebensqualität. Die Grenznähe betrachten viele junge Unternehmen zudem als Chance“.

Startups in Konstanz: Hochschulen bieten Gründer-Potenzial

Neben Erstberatungen, die die IHK anbietet, möchte Vatovac den Gründerstandort Konstanz durch eine konstruktive Zusammenarbeit der Institutionen stärken. Dazu beitragen soll auch der während der Gründerwoche vom Gründernetzwerk Konstanz, einem Zusammenschluss von staatlichen und privaten Organisationen, veranstaltete Gründertag Bodensee.

„Es gibt viele Gründer, aber noch wenig Kultur“, dachten sich die Macher der Startup–Lounge Bodensee, einem Veranstaltungsformat, das im September bereits zum dritten Mal durchgeführt wurde und mehr als 100 Teilnehmer in die neuen Räumlichkeiten der IHK lockte. „Mit der Startup-Lounge Bodensee möchten wir fürs Gründen begeistern und eine Plattform zum Netzwerken unter Gründern schaffen“, sagt Moritz Meidert vom Startup-Dienstleister Gründerschiff, selbst mehrfacher Gründer und Mitinitiator der Bottom-up-Initiative.

Für Meidert sind es vor allem die Konstanzer Hochschulen, also die Universität und die Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG), die als Katalysator für die Gründungslandschaft und Startups in Konstanz fungieren. Meidert zählt die Vorzüge des Standortes mit seinen rund 85 000 Einwohnern am Bodensee auf: „Mehr als 17 000 Studenten, Hochschulen, die das Thema Gründen für sich entdeckt haben sowie eine mit Berlin vergleichbare Dichte an Unternehmen in der Kreativbranche und der direkte Anschluss an den lukrativen Schweizer Markt.“

Konstanz, das 2015 rund 770 000 Übernachtungsgäste und weitaus mehr Tagestouristen zählte, ist nicht nur bei Urlaubern beliebt. Die Stadt, in der 1838 Ferdinand von Zeppelin, Begründer des Luftschiffbaus, das Licht der Welt erblickte, überzeugt heute mit einer reichen Branchenvielfalt, einer zunehmenden Vernetzung der Gründerszene und hoher Lebensqualität. Gründe, die auch die Gründer von Fruitcore zu schätzen wissen.