An der Universität Hohenheim wird ein Roboter entwickelt, der Streuobstbäume zurechtstutzen soll. In Serie wird er eher nicht gehen, aber er kann wichtige Hinweise liefern für ein drängendes Problem. Denn die Streuobstwiesen sind in Gefahr.

Hohenheim - Der erste Streuobstwiesenroboter der Welt wirkt wie ein Bastelprojekt. Aus einem Quader aus Aluprofilen hängen Kabel und verschiedene Geräte. An der Seite ist ein kleiner Touchscreen-Bildschirm angebracht, vorne ein Roboterarm. An einer langen Aluminiumstange ist provisorisch eine Säge befestigt. Es ist schwer vorstellbar, dass ein Roboter dieser Größe und Sperrigkeit jemals über eine Obstwiese holpern wird und einen Baum stutzt. Aber genau das ist das Ziel.

 

David Reiser vom Institut für Agrartechnik und die Doktoranden Jonas Straub und Nils Lüling forschen seit Juli 2020 an dem Roboter und werden auch noch einige Monate damit beschäftigt sein. Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt. Sie kauern auf Bürostühlen über Laptops geneigt und betrachten Programmierungen und bunte Animationen.

Aktuell kann der Roboter Bäume mithilfe eines Lasers und einer Kamera scannen und als Animation aus vielen kleinen Punkten ausgeben – ein Baum erscheint in grellem Gelb auf dem schwarzen Bildschirm. „Dieser Baum steht draußen direkt vor der Halle“, erklärt Doktorand Jonas Straub. Anhand dieser Animation soll der Roboter irgendwann erkennen, wo er sägen muss, und den Baum ohne fremde Hilfe stutzen.

Streuobstwiesen haben eine große Bedeutung im Land

Streuobstwiesen sind ein fester Teil Baden-Württembergs und besonders der Schwäbischen Alb. Sie sind Lebensraum von mehr als 5000 Tier- und Pflanzenarten: Fledermäuse, Siebenschläfer, Bienen und Hornissen tummeln sich zwischen den Obstbäumen, die auch eine wirtschaftliche Bedeutung haben: Bis zu einer Million Tonnen Äpfel kommen jährlich von deutschen Streuobstwiesen.

Dennoch nehmen die Streuobstbestände ab, denn sie sind den Monokulturen oft wirtschaftlich unterlegen und müssen aufwendig gepflegt werden. Gesund und lange am Leben bleiben die Bäume nur, wenn sie regelmäßig und korrekt beschnitten werden. Und daran hapert es heutzutage. Und genau hier kommt der Roboter ins Spiel. Man stelle sich vor, er wird losgeschickt und hinterlässt eine gepflegte Streuobstwiese.

Dass dieses Ziel von den Forschern in Hohenheim erreicht wird, ist unwahrscheinlich. „Dieser Roboter wird nie so in Serie gehen“, gesteht Reiser. Stattdessen wolle man mit dem Projekt Machbarkeiten austesten und technische Erkenntnisse sichern. Statt eines ganzen Roboters könnten am Ende kleine Teilbereiche des Projekts in der freien Wirtschaft landen – beispielsweise die intelligente Erkennung der richtigen Sägepunkte am Obstbaum per App. „Alles auf einmal wäre für eine Firma eine Millioneninvestition, das ist jetzt nicht so locker machbar“, erklärt David Reiser.

Einige Landwirte haben Bäume für Probelauf angeboten

Dennoch gab es aus Wirtschaft und Bevölkerung auf die Veröffentlichung der ersten Ergebnisse gute Rückmeldungen. „Viele finden es sinnvoll. Manche haben aber auch Angst, dass wir Bäume kaputt machen.“ Da man an der Universität aber viel Expertise in Sachen Baumschnitt habe, hat Reiser keine Bedenken, dass der Roboter den Bäumen schaden könnte. Einige Landwirte haben ihre Bäume sogar schon für einen Probelauf angeboten.

Bis er zum Einsatz kommt, wird sich am ersten Streuobstwiesenroboter noch viel tun. Neben den beiden Doktoranden und David Reiser sind immer wieder Bachelor- und Master-Absolventen der Uni Hohenheim mit Teilen des Projekts befasst. Viele Fragen müssen noch geklärt werden. Zum Beispiel: Wie lange werden die Arme des Roboters? Soll der Roboter sägen oder die Äste lieber abscheren? Die Streuobstwiese der Zukunft wird Antworten darauf geben.