Viele Besitzer von Solaranlagen träumen von einer eigenständigen Stromversorgung ihres Hauses. Moderne Batteriespeicher ermöglichen Autarkie, aber die Anlagen sind immer noch vergleichsweise teuer.

Stuttgart - Philipp Schröder scheint die Sonne aus dem Gesicht. „Wir sind in Riesenfahrt“, sagt er mit einem leichten Grinsen. „In den letzten fünf Jahren ist unsere Firma um 100 Prozent gewachsen – jedes Jahr.“ In Europa sei man mittlerweile Marktführer. 30 Millionen Umsatz, 240 Mitarbeiter, Büros in Hamburg, Berlin, London, in den USA und in Australien. Dass das renommierte Massachusetts Institute of Technology (MIT) Schröders Unternehmen – den Wildpoldsrieder Solaranbieter Sonnen GmbH – gerade eben auf die Liste all jener 50 Unternehmen weltweit gesetzt hat, denen es 2015 am besten gelungen ist, innovative Ideen mit einem funktionierenden Geschäftsmodell zu verbinden, mutet da fast zwingend an.

 

Tatsächlich scheint die Zeit reif für die „Sonnen“-Welt wie Jungmanager Schröder sie sich vorstellt. Die alten Energiekonzerne vom Schlage einer Eon, RWE oder EnBW kämpfen ums Überleben, Atom- und Kohlekraftwerke werden abgeschaltet und stattdessen Sonne und Wind angezapft, um Energie zu erzeugen. So effektiv ist die grüne Wende der deutschen Energiepolitik, dass immer häufiger viel zu viel Energie vorhanden ist. Wenn die Sonne scheint oder der Wind weht, ertrinkt die Republik in Ökostrom. Das System wieder ins Gleichgewicht zu bringen, kostet jährlich Milliarden Euro. Zahlen müssen die Verbraucher, deren Stromrechnungen teurer werden.

Hier setzt das Geschäftsmodell der Firma Sonnen an. Seit 2010 stellt das Allgäuer Unternehmen intelligente Batteriespeicher her, mit denen sich überschüssige Energie – etwa von den Solarmodulen auf dem Dach – einfach wegspeichern lässt. Die Speicher können untereinander vernetzt werden, um sich gegenseitig mit Strom auszuhelfen. Sogar Haushalte ohne eigene Solarpanele oder Speicher können an der sogenannten „Sonnen-Community“ teilnehmen und von „günstigen Strompreisen“ profitieren, wie der ehemalige Tesla-Manager Schröder sagt. Ein bisschen gleicht das Geschäftsmodell von Sonnen dem des Taxivermittlers Uber oder dem des Zimmervermieters Airbnb – Menschen, teilen etwas mit anderen Menschen und verdienen dabei Geld.

Selbst erzeugten Strom selbst zu verbrauchen ist das neue Geschäftsmodell

Seit es lukrativer ist, selbst erzeugten Sonnenstrom auch selbst zu verbrauchen, anstatt ihn erst ins allgemeine Netz einzuspeisen und dann vom Versorger wieder teuer zurückzukaufen, boomt das Geschäft rund um die Solarspeicher. Moderne Lithium-Ionen-Batterien bieten die Grundlage dafür, den Energie-Selbstversorgungsgrad von Häusern in bislang ungeahnte Höhen zu schrauben. Ähnlich wie andere Hersteller wirbt das Unternehmen Sonnen mit einer 80-prozentigen Strom-Autarkie. Das heißt, wer seine Solarpanele mit einem Sonnen-Akku koppelt, muss über das Jahr gesehen nur 20 Prozent des benötigten Stroms von außen zukaufen. „Das Modell lohnt sich“, sagt Schröder und verweist auf bislang weltweit rund 13 000 verkaufte Speichersysteme. Man habe derzeit keine Probleme, neue Kunden zu finden, sagt er. Man stehe eher vor der Herausforderung, nicht zu schnell zu wachsen.

Speziell in den vergangenen Monaten ist in den bislang eher träge dahindümpelnden Markt von stationären Batteriespeichern für die eigenen vier Wände Bewegung gekommen. Immer mehr Anbieter steigen ins Geschäft ein. Mit Herstellern wie Sonnen, Senec, SMA, E3/DC, Nedap, LG, Samsung, Varta oder ads-tec aus Nürtingen tummeln sich eine ganze Reihe von renommierten Herstellern schon seit Jahren in dem Geschäft. Dass auch eigentlich marktfremde Unternehmen wie die Autobauer Daimler oder Tesla seit kurzem Speicherlösungen anbieten und nahezu alle großen Stromversorger mittlerweile Kooperationen im Speicherbereich eingegangen sind oder eigene Systeme entwickelt haben, werten Fachleute als klares Anzeichen für Wachstum im Speicherkosmos.

Nach einer Prognose des Bundesverbands Solarwirtschaft wird sich die Zahl der installierten Systeme innerhalb der kommenden zwei Jahre verdoppeln und im Laufe des Jahres 2018 die Marke von 100 000 installierten Anlagen bundesweit knacken. Befördert wird das Geschäft von einem grassierenden Preisverfall für den Kern der Anlagen – die Speicherzellen, meist auf Lithium-Ionen-Basis. Deren Preis ist in den vergangenen beiden Jahren um gut ein Drittel eingebrochen. Zwischen 6000 und 7000 Euro muss ein Häuslebauer derzeit in etwa für einen modernen Batteriespeicher hinlegen. Tendenz: weiter fallend.

Speicher werden günstiger – rentieren sich aber noch nicht

Der Boom im Speichergeschäft steht indes im Widerspruch zu den Entwicklungen im eigentlichen Solargeschäft – dem Verkauf von Fotovoltaikanlagen (PV) zur Stromerzeugung. Der Neubau von PV-Anlagen ist bedingt durch Förderkürzungen in den vergangenen Jahren wahrhaft eingebrochen. 2015 betrug er mit 1,3 Gigawatt nur rund die Hälfte des Zielwerts der Bundesregierung und nur rund ein Sechstel des PV-Neubaus in den Jahren 2010 bis 2012. Durch die Batteriespeicher, die mehr Unabhängigkeit in Energiefragen versprechen und damit ein uraltes Motiv der solar-affinen Ökobewegung bedienen, erwartet sich die Branche nun neuen Schub.

Dass sich Kunden derzeit auf Solarspeicher stürzen, die Verkäufe von Solaranlagen dagegen am Boden liegen, ist allerdings rational schwer zu begründen, denn trotz aller Förderkürzungen lohnt sich eine PV-Anlage ohne Speicher immer noch deutlich schneller, als eine Anlage kombiniert mit den Akku-Packs. „Speicher verschlechtern aktuell noch die Rendite, die sich mit kleinen Solaranlagen erwirtschaften lässt“, sagt beispielsweise Tjarko Tjaden, Mitarbeiter der Forschungsgruppe Solarspeichersysteme an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW). Bei einer reinen Rendite-Betrachtung sollte man derzeit „eher keinen“ Speicher zusätzlich zur Fotovoltaikanlage kaufen, sagt auch Michael Vogtmann, Experte der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS). Wer den Speicher weglasse, verkürze die Amortisationszeit der Gesamtanlage um drei bis vier Jahre.

Ende des Jahres soll ein Speicher-Zertifikat für eine bessere Marktübersicht sorgen

Die Aussagen stehen im Widerspruch zu den Versprechungen der Speicherhersteller, die den aktuellen Speicher-Hype gerne nutzen, um ihren Produkten auf breiter Front zum Durchbruch zu verhelfen. In den Werbeprospekten der Hersteller wimmelt es von Begriffen wie „Profitabilität“ oder „Gewinn“ und auch Sonnen-Vertriebs-Geschäftsführer Schröder sagt, ein Speicher lohne sich prinzipiell „für jeden“. „Stimmt“, sagt HTW-Fachmann Tjaden und fügt an: Ohne Speicher lohne sich die Solarstromerzeugung aber eben noch schneller. Auch wenn die öffentliche Diskussion manchmal das Gegenteil vermittle. Nach allgemeiner Auffassung müssen noch ein bis zwei Jahre ins Land gehen, bevor kombinierte Speichersysteme zu herkömmlichen Solaranlagen ohne Speicher renditemäßig aufschließen.

Nicht überstürzt einen Solarspeicher zu kaufen, macht noch aus einem weiteren Grund Sinn. Bislang hapert es an der Vergleichbarkeit der Produkte der einzelnen Hersteller. Zwar existiert seit dem vergangenen Jahr ein Sicherheitsleitfaden inklusive Zertifizierung für die früher mitunter brandgefährlichen Produkte. Bezüglich effektiver Speicherfähigkeit, Alterung und Wirkungsgrad kochen aber im Moment noch alle Anbieter ihr eigenen Süppchen. Ende diesen Jahrs soll daher ein weiterer Branchen-Leitfaden folgen, auf den sich Käufer berufen können. Auch hier wird ein Zertifikat die Transparenz der Produkte erhöhen. Es schade im Moment noch nicht, „beim Speicherkauf noch etwas abzuwarten“, sagt HTW-Fachmann Tjaden.