Der Netzwerkausrüster Nokia und die Deutsche Telekom wollen mit dem in Stuttgart entwickelten, innovativen European Aviation Network den schnellen Zugang ins Internet ab 2017 bei Flügen in Europa.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Auf Interkontinentalverbindungen ist der Traum vom vernetzten Fliegen schon teilweise Realität. Per Satellit ist es im Prinzip heute kein Problem, Smartphones und Tablets auch über den Wolken mit dem Internet zu verbinden. Doch der Service ist vergleichsweise langsam und teuer. Bisher haben in Europa die Fluggesellschaften auch aus Kostengründen in ihren Kurz- und Mittelstreckenflugzeugen noch keine entsprechende Möglichkeit eingebaut. Das könnte sich dank einer in Stuttgart entwickelten Technologie bald ändern.

 

Seit 2009 arbeiten das damalige Alcatel-Lucent (seit 2016 Teil von Nokia) und die Deutsche Telekom an einem System, das die Internetsignale nicht nur über Satellit, sondern vor allem vom Boden aus übermittelt. European Aviation Network heißt das Projekt, das auf dem konventionellen Mobilfunkstandard LTE aufbaut. Dank 300 in ganz Europa verteilter Funkanlagen soll vom kommenden Jahr die Internetübertragung in die Flugzeuge sozusagen auf den Kopf gestellt werden. Anstatt mit einer sperrigen, auf Satelliten in 36000 Kilometern Höhe ausgerichteten Antenne oben am Flugzeug, kommuniziert nun ein viel kleinerer Empfänger unten am Rumpf mit europaweit verteilten Bodenstationen.

Nach einem finalen, erfolgreichen Testflug im Süden Großbritanniens haben Deutsche Telekom und Nokia nun in Stuttgart diese Neuentwicklung vorgestellt. „Das Ganze ist einfach sexy“, sagte Wilhelm Dresselhaus, der Deutschlandchef von Nokia. Mit dieser Entwicklung aus Deutschland heraus sei man weltweit Technologieführer: „Es geht dabei nicht nur um den Internetverkehr, sondern es gibt potenziell noch viele andere Anwendungsmöglichkeiten.“ Die verzögerungsfreie Übertragung macht es prinzipiell sogar möglich, Steuerungssignale an Flugzeuge zu übertragen. Doch vorerst ist das Zukunftsmusik.

Das European Aviation Network startet 2017

Schon Ende 2017 wird das Netz für den Erstkunden British Airways an den Start gehen, dann für weitere Partnerfluglinien wie die irische Aer Lingus und die spanischen Unternehmen Iberia und Vueling. Im Jahr darauf sollen die EU-Länder plus Norwegen und die Schweiz komplett abgedeckt sein. Die Deutsche Telekom und Nokia versprechen den Internetnutzern im Flugzeug nicht nur schnellere sondern auch ruckelfreie Verbindungen.

Die Fluglinien sparen allein schon wegen der um 200 Kilogramm leichtern Funkausrüstung Geld. Das System lässt sich leichter warten und vor allem am Boden viel flexibler an sich verändernde Bedürfnisse anpassen. Umbauten an Flugzeugen brauchen nämlich aufwendige Genehmigungsverfahren – und bis ein Satellit ins All geschossen werden kann, vergehen Jahre.

Ein paar knifflige Probleme mussten dabei gelöst werden: Flugzeuge können beispielsweise mit mehr als 1000 Stundenkilometern unterwegs sein, was wegen des so genannten Doppler-Effekts die Signalfrequenz verändert. Während eine normale Funkzelle am Boden zehn Kilometer Reichweite hat, müssen es bei dem Flugnetzwerk 150 Kilometer sein. Der einzige von außen sichtbare Unterschied: Auf einem normalen Mobilfunkmasten sind die Sendeantennen leicht nach unten geneigt – die Sender des neuen Netzes zeigen nach oben. „Wir wollen auf den Sendemasten möglichst weit nach oben“, sagt Mathias Siebert, der zuständige Projektleiter bei der Deutschen Telekom.

Die größte Hürden stellten die Regulierer auf

Doch dass es vom Entwicklungsstart 2009 bis zum kommerziellen Einsatz acht Jahre gedauert hat, lag nicht an den Tücken der Technik. Vier Jahre dauerten allein die Gespräche mit 30 Telekom-Regulierern in den 30 Teilnehmerländern. Und dass die Deutsche Telekom eine multinationale Lizenz bekommen konnte, lag nur daran, dass man eine Funkfrequenz benützt, die eigentlich für Satellitenkommunikation vorgesehen ist. „Bei normalen Mobilfunkfrequenzen, die Sie in jedem Land einzeln ersteigern müssen, wäre das nicht machbar gewesen“, sagt Siebert: „Stellen Sie sich vor, Sie ersteigern in zehn Ländern das nötige Spektrum - aber im elften klappt das auf einmal nicht.“

Dies ist der Hauptgrund, warum die neue Technik den LTE-Funkkontakt vom Boden aus zusätzlich mit Satellitentechnologie kombiniert. Das System kann nahtlos zwischen beiden Übertragungswegen hin- und herschalten – etwa dort, wo es keine Funkmasten am Boden gibt, vor allem über dem Meer. Der Satellitenbetreiber Inmarsat und Thales, ein französischer Spezialist für Flugzeugkommunikation, sind deshalb beim European Aviation Network mit im Boot. Im kommenden Jahr wird eine europäische Ariane-Rakete den für das künftige Netz vorgesehenen, ergänzenden Satelliten in den Orbit bringen. Das technische Herz des Systems befindet sich in Deutschland bei der Deutschen Telekom. Der Konzern will sich mit der neuen Technologie erst einmal auf den Heimatmarkt Europa konzentrieren. Weder in Nordamerika noch im Asien gibt es bisher Vergleichbares.

Wie viel das neue, schnelle Internetsurfen den Fluggast am Ende kosten wird, ist Sache der Fluglinien. Doch Fluglinien und Telekombetreiber können sich auf Umfrageergebnisse stützen, wonach mehr als zwei Drittel der Fluggäste prinzipiell bereit sind, für eine entsprechenden Internetzugang auch zu bezahlen.