Professor Hermann Koch-Gröber von der Hochschule Heilbronn forscht seit Jahren, um das Autofahren wirtschaftlicher und umweltfreundlicher zu machen. Er ist einer der Pioniere auf dem Gebiet des „Autosegelns“, das beim Spritsparen hilft.

Heilbronn - An der Fakultät für Mechanik und Elektronik, im Fachbereich „Automotive Systems Engineering“ herrscht Leerlauf – aber ein durchaus produktiver. Denn hier geht es darum, dass man im „Leerlauf“ volle Fahrt aufnimmt in Richtung Kraftstoff- und Energieersparnis. Jeder Autofahrer, der ohne Automatik fährt, kennt das: Kuppeln, Gang raus nehmen und dann bergab rollen. Professor Hermann Koch-Gröber (49) macht das sehr oft, zum Beispiel auf der Fahrt von Heilbronn nach Stuttgart, wo er zuhause ist. Dabei nutzt Koch-Gröber das Projektfahrzeug der Hochschule, einen Ford Focus voller Messtechnik. 28 Kilometer auf der A 8 sind seine Teststrecke. Darf man das? Zu dem sich hartnäckig haltenden Gerücht, Fahren im Leerlauf sei verboten, sagt Koch-Gröber er habe bisher keinen Beleg dafür gefunden. Das ist auch erklärbar: Die Bremsen heutiger Pkws leisten mehr als das Zehnfache dessen, was eine Motorbremse maximal erreicht. Und er räumt auch noch mit einem anderen Vorurteil auf: Wenn man bergab mit der „Motorbremse“ fährt, dann spart man trotz Schubabschaltung oft weniger Sprit, als wenn man ein flaches Gefälle zum Rollen nutzen würde.

 

Koch-Gröber arbeitet an einem Konzept fürs automatisierte Rollen bei der Bergabfahrt

Seine Forschungs- und Messergebnisse zeigen, dass man auf diese Weise fünf bis zehn Prozent Sprit sparen kann. Dieser Prozentsatz lässt sich eins zu eins auf die Verringerung des CO-2-Ausstoßes umrechnen. Fünf bis zehn Prozent klingt zunächst nach nicht besonders viel, aber der Professor widerspricht: Es gäbe aufwendige Forschungen, um nur ein halbes Prozent Kraftstoff zu sparen – und wenn man die Prozente auf die Zahl der Autos umrechne, komme dabei ganz schön was raus. Auch deshalb arbeitet er an der Umsetzung eines Konzeptes für ein automatisiertes Rollen bei einer Bergabfahrt. Diesen Vorgang nennt man „Segeln“. Koch-Gröber war schon nahe dran, den entsprechenden Wikipedia-Eintrag zu schreiben, hat es dann aber anderen überlassen. Dabei ist er durchaus, auch wenn Segeln für die Automobilindustrie schon länger ein Thema ist, einer der Pioniere auf diesem Gebiet, so wie auch die Hochschule Heilbronn, an der er einen Lehrstuhl inne hat und die als erste in Deutschland vor zwölf Jahren den Studiengang „ Automotive Systems Engineering“ (ASE) in den Lehrplan aufnahm. Heute sind 1100 Studenten in der Fakultät Mechanik und Elektronik eingeschrieben. Es unterrichten neun Professoren den Vollstudiengang ASE.

Für den Wissenschaftler Koch-Gröber ist das Segeln natürlich komplexer als für den normalen Autofahrer, er sieht das nicht nur unter wirtschaftlichen Aspekten wie die Automobilindustrie. Auch sie hat das Potenzial dieser technischen Innovation erkannt und setzt sie auch bei Hybridfahrzeugen ein. Interessant ist die Technik auch für Lastwagen, da auf Langstrecken die höchsten Effekte erzielt werden. Das Heilbronner Forschungsprojekt dazu wird vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung unterstützt. Koch-Gröber sagt, es sei wichtig, solche Entwicklungen nicht allein den Herstellern zu überlassen, unabhängige Forschung gehe stets über das hinaus, was die Industrie fordere oder gerade braucht.

Segelphase wäre mit ausgeschaltetem Motor besonders effektiv

Koch-Gröber weiß, dass für das Segeln neben den technischen Voraussetzungen auch die passenden Fahrstrategien realisiert werden müssen. Grundidee ist, den Tempomaten so weiter zu entwickeln, dass das Fahrzeug automatisch eine Segelphase einlegt, wenn es günstig ist und von der vorgegebene Geschwindigkeit nur gering abweicht. Ein heutiges Navi-System reicht dafür nicht aus, eine Voraussetzung für das Segeln ist die Kenntnis des Höhenprofils einer Strecke. So wie ein Start-Stopp-System mit „Motor aus“ sich bereits durchgesetzt hat, so kann auch das Segeln bei ausgeschaltetem Motor umgesetzt werden, denn die Elektrifizierung von Servolenkung und Bremskraftverstärker ist ohnehin in der Einführung – dann wäre Koch-Gröbers Forschungsziel optimal erreicht, auch wenn Segeln mit laufendem Motor bereits Sprit spart.

Wenn aber künftig nicht mehr der Mensch über eine effiziente Fahrstrategie entscheidet, sondern ein Computer und Tempomat, so ist der „Faktor Mensch“ doch immer einzubeziehen. Auch darüber denkt Koch-Gröber nach. Er sagt, es komme sehr darauf an, dass der Fahrer solchen Systemen freiwillig vertraue. Nicht nur er, auch die Automobilindustrie nimmt an, dass das Segeln bald so selbstverständlich wird wie das Fahren mit Tempomat. Wenn er nicht gerade im Testauto sitzt, dann setzt Koch-Gröberr auch auf andere Energieformen in der Fortbewegung, beispielsweise aufs Radfahren. Die Idee, das Segeln für Autos nutzbar zu machen, kam ihm, als er beim Bergabfahren die Füße von den Pedalen nahm und sozusagen am eigenen Leib die Energie verspürte. Dass er in Heilbronn an einem besonderen „Energiestandort“ arbeitet, das weiß er.

An der Hochschule Heilbronn gibt es optimale Voraussetzungen

Wenn in Thermodynamik das Gesetz von der Erhaltung der Energie dran ist, fragt er immer wieder seine Studenten „und wer hat’s erfunden?“ Und jedes Mal muss er feststellen, dass kaum einer weiß, dass es der Heilbronner Robert Mayer war. Der hätte dafür den Nobelpreis bekommen müssen, wenn es ihn zu seinen Lebzeiten schon gegeben hätte, da ist er sich sicher.

Die eigene Forschungsarbeit sieht Koch-Gröber bescheidener, kann sich dafür aber über mehr Unterstützung freuen. Gerade hat die Hochschule Heilbronn einen Prüfstand für Elektro-Antriebe eingeweiht. Diese Zukunftswerkstatt biete auch die besten Voraussetzungen dafür, dass seine Studenten in eine erfolgreiche Zukunft segelten, sagt Koch-Gröber.