In Stuttgart zeigen Start-ups auf dem New-New-Festival, dass mit High-Tech Alltagsprobleme neu in den Blick kommen – von der Korrektur von Klassenarbeiten bis hin zum Bezahlen ohne Konto.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Mit Hightech die Welt verbessern? Für den Lehrersohn Michael Green aus San Diego ist die Antwort einfach: „Ich habe so oft gesehen, wie sich meine Eltern früh am Morgen mit Korrekturen gestresst haben. Ich wollte erreichen, dass sie mehr Zeit für ihre Schüler haben – und die Familie.“ An der Tatsache, dass sie bis zu 20 Stunden in der Woche über den Arbeiten brüteten, müsste doch etwas zu ändern sein, dachte der Student der Computerwissenschaft.

 

Die Idee seines Start-ups Rosey: Künstliche Intelligenz so zu trainieren, dass der Computer Klassenarbeiten benoten kann. Da Tests auch in den USA auch heute noch mit Stift und Papier geschrieben werden, ist schon die Erkennung von Handschriften das erste Problem. Doch in Stuttgart konnte er als einer der besten zehn Finalisten im globalen Start-up Wettbewerb Code_n demonstrieren, dass dies funktioniert. Es genügt, dass der Lehrer richtige Antworten für jede Frage vorgibt – dann versteht das System selbst bei den unterschiedlichsten Formulierungen und Handschriften, ob die Antwort richtig ist.

Der Computer ist konsistenter als der Lehrer

An 1500 Studenten ist das schon erprobt. Noch ist das auf kurze Antworten mit bis zu vier Sätzen beschränkt. „Das Fach ist egal,“ sagt Green. Über einen Feedback-Kanal können die Studenten übrigens per Knopfdruck reklamieren, wenn sie die Note unfair finden. „Wir haben festgestellt, dass die Noten einheitlicher sind als bei Lehrern. Die geben manchmal, vielleicht wenn sie müde sind, für die inhaltsgleiche Antwort unterschiedliche Bewertungen“, sagt Green. Er ist im Übrigen sicher, dass sein High-Tech-Unternehmen noch lange mit Dokumenten aus Papier und mit Handschrift zu tun haben wird: „Das ist immer noch die beste Methode, die Authentizität einer Arbeit zu garantieren. Online-Kurse haben nie diese Integrität.“

Das Start-up aus in den USA ist nur ein Beispiel dafür, wie kreativ man mit Technologie an Alltagsprobleme herangehen kann. Neben den für Baden-Württemberg typischen Start-ups – welche die hiesige Industrie, insbesondere die finanzkräftige Autobranche im Blick haben – zeigten einige der auf dem New-New-Festival in Stuttgart versammelten Gründer, dass technologische Zukunft mehr ist als Industrieroboter oder optimierte Produktionsprozesse. Mit ihren Ideen wollen sie das ganz alltägliche Leben verändern – jenseits von sozialen Medien und Online-Shopping.

Umweltdaten ohne Trickserei

So will etwa das niederländische Start-up Decibel Live dafür sorgen, dass Umweltdaten absolut betrugssicher erfasst und kommunziert werden. Die Technologie dahinter ist ein Internet-Verifizierungstechnologie-Blockchain, wie es ursprünglich für Finanztransaktionen entwickelt wurde.

Oder das Start-up IT-Labs aus Nürnberg: Dieses hat ein System entwickelt, dass Schluss macht mit dem Papierkram bei der Pflege von chronisch kranken Patienten, weil alle Beteiligten vom Arzt bis zur Pflegekraft vor Ort am Computer alle Informationen auf einen Blick nachvollziehen können – etwa über die am besten geeigneten Heilmittel bei Wundpatienten. Alltagsnah ist man beispielsweise dadurch, dass die Hightech auch die Kommunikation per Fax ermöglicht. „Ärzte sind nun mal eine Gruppe, die daran immer noch festhält“, sagt Geschäftsführer Güven Karakuzu.

Zugang zum bargeldlosen Bezahlen

Dass gesellschaftlich positive Folgen dem ökonomischen Erfolg nicht widersprechen, zeigte einer der drei Sieger des Start-up-Wettbewerbs. In der Kategorie bestes Geschäftsmodell gewann das US-Start-up Airfox, das sich als Testmarkt Brasilien ausgesucht hat.

Hier gibt es wie in allen Schwellenländern viele Millionen Menschen, die keine Chance auf ein Bankkonto haben – zwei Drittel aller Einwohner besitzen aber ein Smartphone. Auch hier wird modernste Verifizierungstechnologie der Blockchain benutzt, um einem großen Teil der Bevölkerung liquide zu machen – ganz ohne Kreditkarte. Der globale Markt ist riesig: „Vier Milliarden Menschen auf der Welt haben keine Bankverbindung“, sagt Marketingchefin Katie Sedat.

New-New-Festival soll regelmässig nach Stuttgart kommen

Der Initiator des bisher größten Innovationsfestivals in Stuttgart, Ulrich Dietz, will das Event zur festen Einrichtung machen. „Bei weiterhin so hohem Engagement der Landesregierung und der Stadt wollen wir das jedes Jahr machen“, sagte der Aufsichtsratschef des IT-Dienstleisters GFT.

Bei dem im Rahmen des New-New-Festivals veranstalteten Wettbewerb Code_n siegte das Karlsruher Start-up Things Thinking als Unternehmen, das seine Branche umkrempelt. Mit Künstlicher Intelligenz analysiert es Texte. Sixdof Space aus Israel wurde für eine Technologie gewürdigt, die verhindert, dass es Menschen in virtueller Realität übel wird. Bei der Geschäftsidee lag das US-Finanz-Start-up Airfox vorn.