Das Innovations-Center Innocel bietet Gründern in der Region Lörrach Raum und Unterstützung. Von der Nähe zur Schweiz kann man als junges Unternehmen erst profitieren, wenn man seine Hausaufgaben gemacht hat.

Lörrach - In den letzten Ausläufern des Schwarzwalds hängen tiefe Wolken, es regnet sprichwörtlich Bindfäden als Martin Rauscher und Heiko Mückei zum Fototermin auf dem Fluchtbalkon des Innocel Innovationscenters in Lörrach bitten. Im vergangenen Herbst dauerte es nur wenige Wochen, bis die beiden ihr Unternehmen Inteso GmbH gegründet hatten. Als IT-Systemhaus mit Schwerpunkt auf IT-Sicherheit begleiten Sie mittlerweile Kunden in der Region und weit darüber hinaus. „Das Umfeld hier passt,“ sagt Rauscher. Das historische und Ende der 90er Jahre komplett neu gestaltete ehemalige Textildruckgebäude, in dem das Innovations-Center Lörrach untergebracht ist, bietet optimale Bedingungen für Gründer. „26 Quadratmeter waren genau unsere Größe,“ meint Mückei, „genau richtig für drei Leute.“ Die vielen anderen Unternehmer, die gegenseitige Unterstützung, das alles hätte ihnen den Start sehr viel leichter gemacht, sagen Mückei und Rauscher.

 

Grenzübertritt in die Schweiz muss erarbeitet werden

Christopher Balke bestätigt das: „Das Innocel ist genau das Richtige für mich.“ Nirgendwo anders in Lörrach gäbe es ein vergleichbares Arbeitsumfeld. Sein Unternehmen Nexacor ist auf individuelle Software- und Internetlösungen spezialisiert. Erste Software as a Service (SaaS)-Lösungen hat Balke als Ergänzung im Gepäck. Etwas überraschend: Die Grenznähe ist für die beiden IT-Unternehmen aktuell nicht viel mehr als ein netter Randaspekt. Insbesondere Kunden mit Hardwarewünschen seien durch die Zollpflichten schwierig zu bedienen. „Bei digitalen Produkten wird das nicht leichter,“ sagt Balke.

Mittelfristig sieht er es wie die Kollegen von Inteso: „Ja, der Schweizer Markt ist definitiv ein Thema das wir strukturiert angehen möchten. Doch im Augenblick stehen davor noch einige arbeits- und datenschutzrechtliche Fragezeichen,“ sagt Rauscher. Für die Geschäftsführerin der Wirtschaftsförderung Lörrach und Leiterin des Innocel Marion Ziegler-Jung ist hingegen die Grenznähe einer der grundlegenden Faktoren für die Innovationskraft im Dreiländereck. Schließlich sei spätestens 1835 mit dem Beitritt Badens zum Deutschen Zollverein für Schweizer Unternehmen, vorwiegend für Textilproduzenten, aber auch für zum Beispiel den Schokoladenhersteller Milka die Notwendigkeit zu Produktionsstätten am Nordufer des Rheins entstanden.

Fokus auf Zukunftsbranchen IT und Life Science

Die Industrie ist in Lörrach auch heute noch von Bedeutung. „Obwohl wir hier in den letzten Jahrzehnten mehrere Zäsuren und alle klassischen Elemente des Strukturwandels wie wegbrechende große Arbeitgeber und eine starke Branchenverschiebung erlebt haben, ist das reiche Erbe der Industriekultur in Lörrach noch immer sichtbar,“ sagt Ziegler-Jung aus. Das gut 150 Jahre alte Gemäuer mit der modernen Gestaltung ist ein Beispiel dafür. Deshalb war es schon bei der Gründung des Innocel wichtig, sich auf die beiden Zukunftsbranchen IT und Life Science zu konzentrieren. Die allermeisten der aktuell 26 Unternehmen mit über 160 Mitarbeitern sind in diesen beiden Branchen zu Hause.

Und vor allem die Life Science Branche profitiere sehr von der Nähe zu m traditionell in diesem Bereich starken Basel. Auch mit den französischen Nachbarn im Westen bestehe reger Austausch, so Ziegler-Jung: „Der Standort Lörrach ist stark geprägt durch die Lage an der EU-Außengrenze“. Die Einkaufsstadt Lörrach profitiere von Kunden aus der Schweiz, und die Schweizer Unternehmen von mehr als 5000 Grenzgängern aus Lörrach.

Anders als für die beiden IT-Unternehmer ist für Michael Schirmeier vom Medizintechnikunternehmen Livetec Ingenieurbüro GmbH die Grenze einer der entscheidenden Faktoren. Das auf nicht-invasive elektronische Medizintechnik spezialisierte Unternehmen ist seit der Gründung vor etwa 15 Jahren auf 25 Mitarbeiter gewachsen. Anders als in vielen anderen Gründerzentren ist die Bleibedauer im Innocel nicht begrenzt. Deshalb nutzen auch längst etablierte Unternehmen wie Livetec die Infrastruktur. „Wir konnten uns hier in einer anregenden und angenehmen Umgebung perfekt entwickeln,“ sagt Schirmeier. Der Standort sei zwar historisch begründet, Livetec ist aus einem größeren Unternehmen heraus entstanden, welches seinen Standort in Lörrach aufgegeben hatte. „Aber wir sind sehr gerne hiergeblieben,“ sagt Schirrmeier, „wir haben viele unserer Kooperationspartner hier in der Region.“

Die Enin Pharma GmbH sieht das ähnlich: Die Region hat durch die hohe Dichte an Unternehmen aus dieser Branche sehr viele Anknüpfungspunkte auch und gerade für jüngere und kleinere Unternehmen. „Enin Pharma identifiziert, „Wirkstoffkandidaten für die Krebstherapie,“ sagt Geschäftsführer Thomas Kolzau. Die Nähe zur Schweiz wird für Kolzau aber erst wichtig, wenn die Wirkstoffe soweit sind, dass es „gelingt, eine der ansässigen großen Pharmafirmen dafür zu interessieren.

Gründerkultur in Lörrach: Initiativen außerhalb von Innocel

“Unabhängig voneinander erzählen sowohl Ziegler-Jung als auch die IT-Unternehmer Balke, Rauscher und Mückei von der jüngsten Initiative in der Region: „Lörrach innovativ“. Diese Gründungsinitiative wird getragen von mehreren Partnern, darunter der Dualen Hochschule DHBW Lörrach und dem „Phaenovum Schülerforschungszentrum Dreiländereck“. Balke, der selbst Schüler am Phaenovum betreut, hofft auf Impulse von dieser Initiative für die Region: „Schließlich gibt es hier noch nicht viel Gründerkultur außerhalb des Innocel.“ Auch für Ziegler-Jung ist die Initiative höchst willkommen. Nur leider bestehe mittlerweile ein gravierender Mangel an weiteren Gewerbeflächen.

Das bereits erwähnte Phaenovum ist ein weiteres Element der speziellen Lörracher Innovationskultur. Erst Ende April wurde das 10-jährige Jubiläum des Schülerforschungszentrums gefeiert. Es bietet ein ansprechendes Kursprogramm für interessierte Schülerinnen und Schüler an und unterstützt junge Menschen bei eigenen Forschungen in den Bereichen Physik/Nanowissenschaft, Biologie/Chemie/LifeSciences und Informationstechnologie/Robotik. Mit ihren Projekten haben die Lörracher Schülerinnen und Schüler bereits zahlreiche Preise national wie international gewonnen. Das Phaenovum sei ein wichtiger Baustein, um junge Menschen nach einem Studium eventuell wieder in die Region zu holen, sagt Ziegler-Jung. Und das ist wichtig gerade für einen Standort am Rande der Republik.

Die Gastautoren vom Konstanzer Gründerschiff

Moritz Meidert ist „Kapitän“ des bundesweit tätigen Gründerservice-Unternehmens Gründerschiff mit Sitz in Konstanz (Bild links). Nach dem Studium in Konstanz und Friedrichshafen hat er nach einer gescheiterten Unternehmensgründung, mehreren weiteren Gründungen sowie einiger Erfahrung als Gründungsberater im Jahr 2014 das Gründerschiff gestartet.

Hilmar Unterrainer ist Gründerschiff Lotse für die Region Südbaden und damit einer der Ansprechpartner für Gründer in und um Lörrach. Er ist selbst Teil eines Start-ups im Bereich Elektromobilität und hat bereits mehrere Gründungen hinter sich.

Das Gründerschiff begleitet mit regionalen, sogenannten Gründerschiff-Lotsen neben Unternehmensgründern auch kleine und mittlere Unternehmen bei Innovationsprojekten sowie Vorhaben, die den Gründergeist der eigenen Mitarbeiter fördern sollen. Außerdem bestehen Kooperationen mit Hochschulen, Kommunen und Landkreisen. Ziel ist es dabei, Angebote für Gründer auch in der Fläche besser zu verbreiten. Angebote Das Gründerschiff macht nach eigenen Angaben mehr als 8000 Angebote im Jahr für Gründer in Baden-Württemberg. Man will Regionen abseits der Metropolen abzudecken. Als Gastautoren werden lokale Experten für IdeenwerkBW über weitere Standorte berichten.