Waschprogramm für schadstoffbelastete Abgase: Die Firma merath metallsysteme aus Waiblingen hat das Reinigungssystem „fabre“ für Biogasanlagen entwickelt und den Innovationspreis der Volks- und Raiffeisenbanken erhalten.

Waiblingen - Das Wort „fabre“ klingt französisch, steht aber für eine echt schwäbische Erfindung „Made in Waiblingen“. Das Wort ist die Kurzform für „Formaldehyd basierte Abgasreinigung“ und bezeichnet ein neuartiges System, das die Abgase von Biogas- und Klärgasanlagen sowie Biomüllverbrennungsanlagen reinigt. Ausgetüftelt worden ist es bei der Firma merath metallsysteme, die in der Ortschaft Hegnach ansässig ist und ihren Schwerpunkt eigentlich im Gehäusebau setzt. Für die Idee ist das Unternehmen, das rund 70 Mitarbeiter beschäftigt, nun mit dem Innovationspreis der Volksbanken und Raiffeisenbanken in der Kategorie „Preis des Handwerks“ ausgezeichnet worden.

 

Erste Messergebnisse schon 2011

Ziemlich unverhofft, wie Florian Winger, einer der beiden Geschäftsführer, sagt: „Unser Berater bei der Bank hat uns geraten, beim Wettbewerb mitzumachen, aber wir hatten nicht mit einem Preis gerechnet.“ Dennoch sind die 20 000 Euro Preisgeld natürlich willkommen, schließlich tüftelt man im Unternehmen seit Jahren an dem Abgasreinigungssystem, mit dem nicht nur neue Anlagen bestückt, sondern auch bestehende nachgerüstet werden können. „Die ersten Messergebnisse haben schon 2011 gezeigt, dass das System funktioniert. Aber wenn man alles selbst finanzieren muss, dauert eine Entwicklung länger, das ist ein typisches Start-Up-Problem“, erzählt der Senior-Chef Reinhard Winger. Viel Zeit sei auch ins Land gegangen, bis man einen Ort gefunden habe, um das nach einer Idee seines Studienfreunds Otmar Giuliani entwickelte System unter Alltagsbedingungen testen können.

Seit diesem Januar aber sind zwei Anlagen bei einem Landwirt, der im Brigachtal nahe Villingen-Schwenningen Biogas produziert, in Betrieb. Das beim Vergären der Biomasse entstehende Gas sei nicht so sauber wie Erdgas und enthalte zum Beispiel Schwefel, Formaldehyd und Stickstoffe, erklärt Reinhard Winger. Aktivkohlefilter könnten zwar Abhilfe schaffen, „aber die müssen später zum Sondermüll“. Eine andere Möglichkeit seien platinbasierte Katalysatoren. Diese zwischen fünf- und zehntausend Euro teuren Geräte zerstöre der Schwefel aber innerhalb weniger Monate, weshalb so mancher Energiewirt den Kat nach Grenzwertkontrollen wieder stilllege. „Wir wollten etwas schaffen, was dauerhaft einsatzfähig ist und kein Sondermüll wird“, sagt der 38-jährige Florian Winger. Im Falle von „fabre“ seien selbst die Reststoffe wieder verwertbar. Das Gerät, das in Waiblingen produziert wird und für einen Motor mit 250 Kilowatt Leistung rund 40 000 Euro kostet, hat in etwa die Ausmaße eines großen Kleiderschranks.

Abgaswäsche mit Chemikalien

„Fabre“ wäscht quasi die Abgase des Motors – zum Einsatz kommen dabei Chemikalien auf Ammoniakbasis. Stickstoff-, Kohlenstoff- und Schwefeloxide würden so weitgehend gebunden, sagt Reinhard Winger – mit dem angenehmen Nebeneffekt, dass „sich die Geruchsbelästigung enorm reduziert“. Das im Abgas enthaltene Formaldehyd wird neutralisiert und in eine Vorstufe von Aminoplast umgewandelt. Den Stoff könne man dann im Fermenter vergären oder als Dünger verwenden, so Winger.

Neben Biogas- und Kläranlagen sehen die beiden Geschäftsführer auch Binnen- und Kreuzfahrtschiffe als denkbare Einsatzorte von „fabre“. Anders als etwa bei Autos oder Lastwagen sei dort das Platz- und Gewichtsproblem kein Thema.

Beim Bau des Abgasreinigungssystems nutzt der Betrieb die Erfahrung, die er als Gehäuse-Bauer für Elektronik, Medizintechnik und Steuerpulte gesammelt hat. Aber auch die speziellen Rahmen, in denen der VfB Stuttgart in seiner VIP-Lounge Trikots seiner Stars ausstellt, stammen aus Hegnach. „Wir machen keine Massenware – die kommt aus Asien –, sondern kleinere Stückzahlen und viele Varianten und Designgehäuse“, sagt Reinhard Winger.

Helikopter mit Düsenantrieb

Sein Sohn vertritt wie der Seniorchef, der die Firma nach einer Insolvenz Ende der Neunziger übernommen hat, die Devise: „Wir brauchen eigene Produkte.“ Das sei schon der Geist des Firmengründers Georg Merath gewesen, der sogar einen Helikopter mit Düsenantrieb entwickelt habe. Auch die Wingers tüfteln ständig nebenher an neuen Ideen und erweitern ihr Portfolio. Derzeit in der Mache: Ein „Plaudertisch“, an dem sechs womöglich an Demenz erkrankte Menschen Platz nehmen, plaudern oder singen und sich nebenbei fit und mobil halten können. Dafür gibt es am Tisch befestigte spezielle Hand- und Fußkurbeln, die „Drehorgel“, „Kaffeemühle“ oder „Fahrrad“ genannt werden. Vielleicht, so sagt Florian Winger, werde der Plaudertisch ja der nächste Beitrag für den Wettbewerb um den Innovationspreis 2018.

Merath Der im Jahr 1934 in Stuttgart-Bad Cannstatt von Georg Merath gegründete Betrieb war ursprünglich eine Schlosserei. Gefertigt wurden anfangs unter anderem Holzvergaser. Ab den 1960er-Jahren wurden unter anderem Schaltpulte für Kraftwerke produziert. Nach der Insolvenz hat Reinhard Winger die Firma 1998 übernommen und leitet sie als Geschäftsführer, seit zwei Jahren mit Sohn Florian. Das Kerngeschäft des Betriebs ist die Herstellung von Gehäusen für verschiedenste Zwecke.


Auszeichnung
Seit dem Jahr 2000 schreiben die Volksbanken Raiffeisenbanken in Baden-Württemberg VR-Innovationspreis Mittelstand aus. Er ist mit 50 000 Euro dotiert.

Preisträger
Ausgezeichnet worden ist in diesem Jahr die merath metallsysteme GmbH in Waiblingen-Hegnach, die 20 000 Euro für ihr Abgasreinigungssystem „fabre“ erhält. Die nachrüstbare Anlage für Biogas-Anlagen filtert Schadstoffe aus dem Abgas. Auch die Reutlinger Firma Buck Engineering & Consulting bekommt 20 000 Euro für eine flexible Plattform, mit der menschliche Befehle und Signale dynamisch in die Bewegung von Maschinen integriert werden können. Den mit 10 000 Euro dotierten Förderpreis erhält die Heidelberger Firma Conas Risk Intelligence für eine politikwissenschaftliche Prognose-Software.