Paukenschlag von Daimler für die Stuttgarter Start-up-Szene: Zusammen mit dem US-Startup-Investor Plug and Play und der Universität Stuttgart bringt der Autokonzern die Startup-Autobahn in die Stadt.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Beim Namen für das Projekt ist der Autokonzern seinen Wurzeln treu geblieben: Startup Autobahn, das klingt in der Tat sehr deutsch und branchenspezifisch. Und das ist durchaus auch die gewollte Botschaft. Daimler bekennt sich mit dem Projekt zu den Stärken der Region.

 

„Im Gegensatz zu Silicon Valley mit Software-Fokus sollen bei der Startup Autobahn nicht nur software- sondern vor allem auch hardwareorientierte Projekte im Vordergrund stehen“, sagt Thomas Weber, Daimler-Vorstandsmitglied und verantwortlich für die Konzernforschung.

Der Konzern formuliert selbstbewusst den Anspruch, man wolle damit in diesem Bereich einen eigenen, deutschen Gegenpol zum Silicon Valley etablieren. Weltweit können sich Unternehmen für die zehn Plätze bewerben, die direkt an den Forschungscampus „Arena 2036“ an der Universität Stuttgart angedockt werden. Dabei geht es weniger um langfristige, gemeinsame Forschung. Die Startups sollten bereits marktreife Prototypen haben und in einem strammen Programm schon binnen drei Monaten zur Marktreife kommen können. Im Gegensatz zu anderen, so genannten Accelerator-Programmen (“Beschleunigungsprogrammen“) wie sie beispielsweise seit dem vergangenen Jahr der private Anbieter Accelerate Stuttgart offeriert, geht es hier nicht erst darum, überhaupt ein erstes Geschäftsmodell oder den allerersten Prototypen zu entwickeln. Wer sich für das ambitionierte Stuttgarter Programm als das künftig größte und am besten ausgestattete der Region bewerben möchte, sollte schon einige Schritte weiter sein.

Die Startup Autobahn steht für weitere Firmen als Partner offen

Viel geht es auch um Vernetzung und Austausch. Die Startup Autobahn soll Menschen mit unterschiedlicher Expertise zusammenbringen - auch im Rahmen spontaner Begegnungen, wie dies für funktionierende Startup-Standorte zentral ist. Die Startups werden dabei ihre unternehmerische Freiheit behalten, Daimler kann nicht das Knowhow an sich ziehen und erhält auch kein Vorkaufsrecht.

Attraktiv aus Sicht der Startups wird das Angebot nicht nur durch die materielle Unterstützung, die etwa in den Räumlichkeiten und im Zugang zu Prüfstanden und Labors besteht. Eingeschlossen ist eine Beratung durch Branchenexperten - und vor allem Dingen der Zugang zu potenziellen Erstkunden aus der Automobilbranche, die für einen erfolgreichen Marktstart entscheidend werden könnten.

Daimler und andere Partnerunternehmen erhalten durch den direkten Kontakt auch die Chance, sich als Investor zu beteiligten. Zu Beginn des Programms sind die Beteiligungen des Autokonzerns und des US-Investorenpartners Plug and Play mit jeweils fünf Prozent aber bewusst niedrig gehalten. Daimler ruft auch ausdrücklich mittelständische Unternehmen aus der Region dazu auf, sich gleichberechtigt an dem Programm zu beteiligen. Dazu gehören viele Zulieferer. Das unterscheidet das Stuttgarter Projekt von so genannten Corporate Startup Projekten (“Firmen Startups“), die stärker auf die Bedürfnisse eines Unternehmens zugeschnitten sind.

Die Kooperation mit den als Investoren und Beratern tätigen Partnern von Plug and Play, das weltweit bisher rund 20 „Tech-Center“ genannte Startup-Standorte betreibt, soll der Türöffner zu einem globalen Netzwerk an Expertise und Kapital sein. Bisher betreibt Plug and Play in Deutschland einen ähnlichen „Accelerator“ im Medienbereich in Zusammenarbeit mit dem Medienhaus Axel Springer in Berlin. Die Amerikaner konzentrieren sich seit zehn Jahren vor allem auf technologisch orientierte Startups und haben seit ihrer Gründung bereits rund 2000 Startups betreut beziehungsweise in sie investiert.

Rundumpaket von der Steuerberatung bis zum Labor

Nach der bis zum 15. Juni laufenden Bewerbungsphase werden etwa 25 Startups zu einer finalen Präsentation am 14. Juli in Stuttgart geladen. Voraussichtlich zehn Gewinner kommen dann zum Programmstart im September für mindestens ein Vierteljahr nach Stuttgart. Im Januar 2017 werden dann ebenfalls in Stuttgart die Resultate präsentiert - vor allem auch vor potenziellen Ivestoren. Es gibt auch dank der Kooperation mit Plug and Play dann die Option, im Silicon Valley eine weitere so genannte Inkubatoren-Etappe zu durchlaufen, in der das Geschäftsmodell weiterentwickelt werden kann. Falls notwendig, was inbesondere bei Hardware-Entwicklungen realistisch ist, kann das Programm auch auf ein halbes Jahr verlängert werden.

Das Hardware-Labor, das die Start-ups auf dem Forschungsgelände Arena 2036 mitbenützen können, übersteigt von der Größe und Ausstattung her die normalen Möglichkeiten für junge Unternehmen. Auf 1500 Quadratmetern stehen unter anderem Werkzeuge, Maschinen, 3D-Drucker und Software für den Prototypenbau und die Kleinserienfertigung zur Verfügung. Im Paket inbegriffen sind aber auch Services bei geschäftsrelevante Themen wie Rechts- und Steuerberatung oder Unterstützung bei der Finanzplanung oder dem Projektmanagement. Hier stellen beispielsweise auch die Wirtschaftsförderer der Region Ressourcen zur Verfügung.

Neues Zentrum für High-Tech-Entwicklungen

Die ganze, im Sommer 2014 zunächst als Forschungscampus eröffnete Arena 2036 ( „Active Research Environment for the Next Generation of Automobiles”) bietet auf zehntausend Quadratmetern Fläche ein neuartiges Zentrum für High-Tech-Entwicklungen im Automobilbereich. Hier sollen Wissenschaftler, Unternehmen und nun auch Start-ups eng miteinander kooperieren Die Zahl im Namen spielt auf das Jahr 2036 an, den 150. Jahrestag der Entwicklung des Automobils. Bis dahin soll aus Stuttgart heraus - der Wiege des Automobils, wie Daimler betont - der Weg „für den Automobilbau der Zukunft bereitet werden.“ Das Engagement von Daimler passt dabei zum Trend der globalen Autoindustrie - so haben etwa auch Toyota und Volkswagen gerade ihre Investments in Start-ups aufgestockt, wie aktuell die „New York Times“ berichtet.

Die Startup Autobahn kann dabei auch von der Tatsache profitieren, dass in den vergangenen Jahren in Stuttgart eine ganze Reihe von innovativen Standorten rund um das Thema Start-ups entstanden sind. Neben den Aktivitäten großer Unternehmen wie Bosch, gibt es ein kommerziellen Beschleunigungsprogramm auf dem Campus von Accelerate Stuttgart am Feuersee, ein neuartiges Kooperationsprogramm Activatr für Start-ups und Mitarbeiter etablierter Firmen auf dem Startup Campus Stuttgart oder die Initiative des IT-Dienstleisters GFT Technologies, der ebenfalls an seinem Firmensitz den „Code_n Campus“ zur Verfügung stellt, um die Vernetzung von Gründerpersönlichkeiten und den Austausch innovativer Ideen zu fördern. Auch die baden-württembergische Wirtschaftsinitiative Bwcon bietet im Rahmen ihres Wettbewerbs Arena42 seit Ende des vergangenen Jahres eine entsprechende Unterstützung.