Seltener oder gar nicht mähen, die richtigen Pflanzen aussäen und möglichst keine Pestizide verwenden – die Möglichkeiten und Projekte der Kommunen, dem Arten- und insbesondere dem Insektensterben Einhalt zu gebieten, sind vielfältig.

Ludwigsburg - Die Not hat Ditzingen erfinderisch gemacht. Wobei es, genau genommen, die Not der Insekten ist. In diesem Frühjahr konnten sich die Bürger bis zu drei Samentütchen im Rathaus abholen, die mit bienen- und insektenfreundlichen Blumensamen gefüllt sind. „Rund 250 Tütchen sind weggekommen, sagt Hans-Jörg Krumrein von der Abteilung Umwelt und Stadtplanung, der mit der Bilanz zufrieden ist. Nicht nur, weil sie die Stadt wenig kostet: 80 Cent pro Tütchen. Auch weil sich mit wenig Aufwand dennoch einiges bewirken lässt.

 

Bürger zum Handeln animieren

Die Samentütchen sollen allerdings nur eine Aktion von vielen sein. Mit mehreren Artikeln unter dem Motto „Natur in der Stadt“ will Ditzingen die Bürger darüber informieren, wie sie ihre Gärten sinnvoll gestalten können. Dabei geht es nicht nur um Bienen und Hummeln. Auch wie man Ohrwürmern, Igeln und andere Insekten einen Lebensraum bieten könne, sei Thema der Beiträge, die einmal monatlich auf der Internetseite der Stadt veröffentlicht werden sollen.

Auch in Vaihingen/Enz können sich Bürger bei zwei Imkern Samentütchen abholen, die Blumen beinhalten, welche Bienen als Nahrung dienen. Außerdem bewirtschaftet die Stadt ihre Grünflächen seit einigen Jahren naturnaher: Wechselflorbeete wurden in Staudenbeete umgewandelt, die Beete zudem im Herbst nicht mehr geschnitten. Stattdessen werden die abgestorbenen Gräser bis ins Frühjahr als Unterschlupf für verschiedene Tierarten auf dem Beet belassen.

„Gärten des Grauens“ sollen verboten werden

Hemmingen hat sich ebenfalls vom Wechselflor distanziert. Außerdem, erklärt der Bürgermeister Thomas Schäfer, verwendet die Gemeinde Wildblumenmischungen, die bis in den Herbst hinein blühen. Auch entlang der Waldwege werden Blumenmischungen ausgesät, die etwa Schmetterlingen Nahrung bieten. Ein weiterer Punkt: Künftig werden in Bebauungsplänen Kiesgärten oder „Gärten des Grauens“, wie Schäfer sie nennt, verboten. „Schotter ist keine Alternative, sondern es muss begrünt werden.“

Auch in Gerlingen werde bei Neubauten auf eine angemessene Begrünung geachtet, sagt Pressesprecherin Birthe Sengotta. In der Bauleitplanung würden Dachbegrünungen mit Pflanzengesellschaften vorgeschrieben, die möglichst lange blühen und somit lange als Bienenweide zur Verfügung stehen. Und bei den städtischen Grünflächen achte man auf Pflanzmaterial, das im Naturraum Baden-Württemberg gewonnen wurde.

100 Bienenweiden in Ludwigsburg

Die Stadt Korntal-Münchingen hat im Jahr 2017 zusammen mit dem Naturschutzbund (Nabu) und dem Bund für Umwelt und Naturschutz (Bund) eine Serie auf der Internetseite der Stadt veröffentlicht sowie ein Buch herausgebracht, in dem Tiere und Pflanzen auf Korntal-Münchinger Gemarkung vorgestellt wurden. Außerdem fördert die Stadt seit einigen Jahren Blühstreifen am Rand von Ackerflächen.

Die Stadt Ludwigsburg hat vor kurzem auf der zentralen Bärenwiese in eine Bienenweide angelegt. Mindestens 99 weitere sollen folgen. Bürger und Unternehmen sind aufgefordert, auf ihren Grünflächen ebenfalls Bienenweiden anzulegen. Der Nabu verteilt dafür kostenlose Blütensamentüten. Gleichzeitig werden in der ecuadorianischen Stadt Ambato 1000 heimische Bäume gepflanzt, welche die schädliche Eukalyptus Population eindämmen sollen. Mit Ambato verbindet Ludwigsburg eine Klimapartnerschaft.

Nabu wünscht sich pestizidfreie Kommunen

Der Nabu Baden-Württemberg lobt, dass „viele Kommunen das Gebot der Stunde erkannt“ haben und Flächen naturnah gestalten. Vorbildlich sei etwa das Projekt Natur nah dran, an dem sich bereits Ludwigsburg, Vaihingen an der Enz und Kornwestheim beteiligen. Allerdings gebe es nach wie vor Potenzial. Etwa beim Thema Mähen. „Mehr Blütenreichtum an Wegrändern wäre ein wichtiger Schritt, statt immer alles akkurat kurz zu halten. Hier könnten Kommunen auch Bürger beraten, wie sie mehr Blütenvielfalt auf eigenen Wiesen und in Gärten schaffen können, und selbst Vorbild sein“, schreibt die Pressesprecherin Claudia Wild.

Ein wichtiger Schritt wäre auch, dass sich die Kommunen an der Pestizidreduktionsstrategie des Landes, die gerade auf den Weg gebracht wird, beteiligen, auf eigenen Flächen Gifte reduzieren und die Bürger animieren, mitzumachen. „Das Stichwort: Pestizidfreie Kommune“, schreibt Wild.

Denn, das ist längst klar: Die Not der Insekten wird früher oder später zur Not der Menschen.